spricht Professor Bohl offen und ehrlich aus: Solange Gym nasien und Realschulen in Baden-Württemberg existieren, so lange werden die Gemeinschaftsschulen nicht funktionieren, weil die Gemeinschaftsschulen die starken Schüler brauchen. Damit die Gemeinschaftsschulen nicht an Schwindsucht ster ben, bevor sie überhaupt richtig existiert haben, müssen Sie den Realschulen das Wasser abgraben
Ich kann auch belegen, dass Sie den Realschulen das Wasser abgraben, und zwar anhand von zwei Beispielen. Das ist zum einen ein Brief der ehemaligen Kultusministerin – ich habe ihn hier schon einmal vorgelesen –, die der Gemeinde Weil im Schönbuch ganz klar gesagt hat: Nein, es gibt keine „Re alschule plus“. Die dortige Schule sei doch schon so nah dran; sie möge sich doch bitte zur Gemeinschaftsschule entwickeln. Das war eine ganz klare politische Vorgabe.
Herr Kollege Fulst-Blei, diesen Hinweis kann ich mir jetzt nicht verkneifen: Sie haben zu Recht gesagt, dass Sie auf ei ner Realschule waren. Ich weiß sogar, dass das die Feuden heim-Realschule in Mannheim war.
In dieser Realschule haben sich Eltern und Lehrer Gedanken darüber gemacht, wie sie die Realschule fortentwickeln kön nen. Um den Realschülern nach der zehnten Klasse den Wech sel auf das allgemeinbildende Gymnasium zu erleichtern, will man an der Realschule eine elfte Klasse anbieten; damit soll den Schülerinnen und Schülern das nötige Rüstzeug für den Wechsel auf das allgemeinbildende Gymnasium mitgegeben werden. Schwerpunkte in diesem Zusatzjahr wären die Kern fächer Mathematik, Englisch und Deutsch. Ziel ist, dass die Realschüler am Ende dieses Jahres einen Kenntnisstand er reicht haben, der dem der Schüler des allgemeinbildenden Gymnasiums nach der zehnten Klasse vergleichbar ist, sodass dann beide Schülergruppen gemeinsam in der Abiturstufe des allgemeinbildenden Gymnasiums ihren Platz finden.
Die Vorteile der „Realschule plus“ liegen auf der Hand: Das allgemeinbildende Gymnasium liegt in unmittelbarer Nähe. Die Schüler bleiben vor Ort. Die individuelle Förderung ist besser möglich, da die Schüler den Lehrkräften bekannt sind. Auch der Wechsel in umgekehrter Reihenfolge, nämlich vom Gymnasium auf die „Realschule plus“ in der Unter- oder Mit telstufe, ist unproblematischer.
Es ist klar: Auch da müssten noch ein paar Fragen geklärt wer den. Aber – man ahnt es schon –: Grün-Rot und das Kultus ministerium haben diesen Plänen einen Riegel vorgeschoben, weil es eben in ihr ideologisches Weltbild, das von der Ge meinschaftsschule bestimmt wird, nicht passt.
(Abg. Klaus Käppeler SPD: Der Riegel war schon immer davor, Herr Dr. Kern! – Glocke des Präsiden ten)
Herr Kollege Dr. Kern, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Boser, oder gestatten Sie generell keine Zwischenfragen?
(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Klaus Käppeler SPD: Aber Sie sind auf dem falschen Weg! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Im „Mannheimer Morgen“ – Sie wissen, dass der Kultusmi nister diese Zeitung ganz besonders gern liest – war am 14. März 2012 zu lesen – ich zitiere –:
Auch der Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei (SPD) hat die Feudenheim-Realschule besucht. „Ich habe gro ße Sympathien für das Konzept meiner alten Schule“, sag te er. Allerdings verweist Fulst-Blei auf die freien Kapa zitäten an manchen beruflichen Gymnasien. Und darauf, dass die Prioritäten der grün-roten Schulpolitik im Land derzeit eher bei deren Ausbau und der Schaffung der Ge meinschaftsschule liegen:
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt ist die Katze aus dem Sack! – Weitere Zurufe von der FDP/DVP und der CDU)
So sieht es aus. Und Sie geben es auch noch zu, dass Sie lie ber die Gemeinschaftsschule haben als die „Realschule plus“.
Ich fordere die Landesregierung ausdrücklich auf, nicht nur den Weg für die „Realschule plus“ in Feudenheim frei zu ma chen, sondern allen Realschulen in Baden-Württemberg die Möglichkeit einzuräumen, sich fortzuentwickeln.
Die FDP sieht im Konzept der „Realschule plus“ eine sinn volle, praxisnahe und auch sehr kostengünstige Möglichkeit,
die Durchlässigkeit unseres Bildungswesens deutlich zu er höhen, vor allem deshalb, weil der Ausbau der beruflichen Gymnasien noch lange nicht ausreichend ist.
Der Übergang der Schüler von der „Realschule plus“ auf das allgemeinbildende Gymnasium wäre somit erheblich verein facht. Mehr Bildungschancen würden sich eröffnen.
Sehr geehrter Herr Minister, geben Sie und die grün-rote Ko alition Schulgestaltungsfreiheit, und ermöglichen Sie es allen Realschulen, die dies wünschen, sich zu „Realschulen plus“ weiterzuentwickeln. Vergessen Sie nicht, diese Schulart wie alle anderen Schularten auch auskömmlich mit den Ressour cen auszustatten, die sie braucht, um auch weiterhin gute bzw. sehr gute Ergebnisse erzielen zu können.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jetzt ist ein Niveau vorgegeben! – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Gegenruf von den Grünen: Aber es lässt sich noch steigern! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Ich habe nicht vor, mit Ihnen Limbo zu tanzen, denn dabei geht es darum, das Niveau zu unterschreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Aktuelle Debatte soll vermeintlich Ihr Herz für die Realschulen widerspiegeln und Ihre Kampagne einbetten.
Sie haben das Problem, dass Sie keine Antworten zur Zukunft des Bildungssystems in Baden-Württemberg haben.
Ihr grundsätzliches Problem ist, dass Sie krampfhaft nach ei ner Stelle suchen, an der Sie angreifen können. Sie haben Ih re offenen Angriffe auf die Gemeinschaftsschule inzwischen etwas eingestellt, und zwar aus einem Grund: Sie alle haben an Ihrer kommunalen Basis keine Chance mehr, mit Ihrer Be tonpolitik überhaupt auch nur gehört oder akzeptiert zu wer den.