Damals haben linksliberale Sexualwissenschaftler und soge nannte Reformpädagogen die Befreiung der kindlichen Sexu alität durch die Erwachsenen als Programm der antiautoritä ren Erziehung verstanden, und sie haben das Recht auf Pädo philie gefordert. Erst durch die Skandale in der katholischen Kirche und in der Odenwaldschule wurde das Tabuthema des sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Öffentlichkeit brei ter diskutiert.
In ihrer Gründungsphase haben sich die Grünen beim Thema „Sexualität und Kinder“ auf die Seite der Reformpädagogen gestellt. Im Februar 1985 beantragten die Grünen im Bundes tag die ersatzlose Streichung der Strafrechtsparagrafen 175 und 182, da diese Bestimmungen „die einvernehmlichen se xuellen Kontakte mit Minderjährigen unter Strafe stellen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit behindern“. Mit bür gerlichen Moralvorstellungen – so die Begründung des An trags – müsse Schluss sein.
Weil es um eine vermeintliche gesellschaftliche Unterdrü ckung ging, übten die Grünen den Schulterschluss. Auf ihrem Parteitag in Lüdenscheid schrieben die Grünen in NordrheinWestfalen die Forderung in ihr Programm, „gewaltfreie Se xualität“ zwischen Kindern und Erwachsenen dürfe nicht län ger strafrechtlich verfolgt werden. Die Gesellschaft müsse sich „von allen Restriktionen... befreien“.
Der Arbeitskreis „Kinder und Jugendliche“ der Grünen in Ba den-Württemberg ergänzte das Lüdenscheider Programm im April 1985 – Zitat –:
Da Kinder Menschen sind, hat niemand das Recht, sich – unter welchem Vorwand auch immer – über ihre Rech te auf Selbstbestimmung und persönliches Glück hinweg zusetzen.
Der Zeitgeist hat sich geändert. Ich glaube nicht, dass die Grü nen heute noch von dem überzeugt sind, was sie damals ver treten haben – von der heutigen Grünen Jugend einmal abge sehen.
(Lachen der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das müssen Sie jetzt bitte belegen, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. And reas Deuschle CDU)
Statistiken vermuten, dass jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge Opfer sexuellen Missbrauchs ist. Das ist der schlimmste Vertrauensmissbrauch und der übelste Verrat, den ein Erwachsener einem Kind antun kann.
Er zerstört Körper und Seele. Die Wunden heilen nie. Die Nar ben brechen immer wieder auf. Missbrauchte leiden an man gelndem Selbstwertgefühl, Angstzuständen, Depressionen und Persönlichkeitsspaltungen. Sie neigen zu Magersucht, Dro genkonsum, Selbstverstümmelung und Selbstmord. Vielleicht das Allerschlimmste ist aber, dass die kindlichen Opfer sich selbst für schuldig halten.
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist uns unange nehm. Das Gefühl von Abscheu und Ekel führt dazu, dass wir politisch zu wenig tun, zu wenig für die Opfer und zu wenig mit Blick auf die Täter. Es ist nicht damit getan, das Sexual strafrecht zu verschärfen – der damalige Bundeskanzler Ger hard Schröder forderte bekanntlich, Kinderschänder müsse man für immer wegschließen.
Wer Kinder schützen will, muss pädophile Männer und pädo phile Frauen therapieren. Dabei ist es nicht ausreichend, pri vaten Institutionen Therapieprojekte zu überlassen. Wir soll ten den Betroffenen auch einen staatlichen Opferanwalt bei ordnen. Die bundesweite Kampagne „Missbrauch verhin dern“, die vorletzte Woche vorgestellt wurde, müssen wir auch in Baden-Württemberg nachhaltig fördern und die Polizei da rin unterstützen, den pädophilen Sumpf im Internet auszu trocknen.
Eines dürfen wir aber nicht tun. Wir dürfen nicht sexuellen Missbrauch von Kindern bagatellisieren, verharmlosen und ihm eine gesellschaftliche Akzeptanz geben,
auch dann nicht, wenn diese Taten Jahrzehnte zurückliegen. Wir dürfen nicht den Mantel des Vergessens darüber ausbrei ten, auch nicht bei Prominenten wie Woody Allen, Klaus Kinski, Roman Polanski oder eben Daniel Cohn-Bendit.
Wenn Cohn-Bendit nur einen Funken Anstand und Verantwor tungsgefühl hätte, hätte er sein Verhalten bedauert, sich ent schuldigt
und es nicht mit Begriffen wie „bewusster Tabubruch“, „Selbst reflexion“, „neue Sexualmoral“ oder „Provokation“ begrün det. Was geht in einem Menschen vor, der im französischen Fernsehen sein pädophiles Verhalten auch noch rechtfertigt? Was muss in denjenigen Menschen vorgehen, die diese Über
griffe erleben mussten und danach diese unerträgliche Recht fertigung eines Altachtundsechzigers hörten?
Der Ministerpräsident ist Mitglied des Vorstands der TheodorHeuss-Stiftung. Er und Fritz Kuhn dürfen je ein weiteres Mit glied in den Vorstand berufen. Beide haben Einfluss auf Ent scheidungen.
Es darf nicht sein, dass bei der Beurteilung der Vergangenheit von linken und grünen Politikern weggeschaut wird und die se furchtbaren Ereignisse totgeschwiegen werden. Wer dazu schweigt, macht sich mitschuldig, und zwar mitschuldig an den Opfern, die alle Kinder sind bzw. waren.
Viele von uns haben Kinder, manche haben Enkelkinder. Nie mand von uns wünscht, dass unsere Kinder und unsere Enkel die Erfahrungen machen, die Cohn-Bendit in seinem Buch be schreibt.
Cohn-Bendits Verhalten ist nicht nur intolerant, sondern es ist auch inakzeptabel, menschenverachtend, und es verhöhnt die Opfer sexueller Gewalt.
Herr Ministerpräsident, mit der Würde des Bundesverfas sungsgerichts ist die Anwesenheit seines Präsidenten bei der Preisverleihung nicht vereinbar. Ist es mit Ihrem Amt verein bar, dass Sie einem nicht belehrbaren grünen Parteifreund ei ne Medaille für Toleranz umhängen? Diese Preisverleihung schadet dem Amt des Ministerpräsidenten und dem Amt des Bundesratspräsidenten. Sie schadet aber auch dem Land und seinen Menschen.
Sie, Herr Ministerpräsident, waren 1985 zusammen mit Fritz Kuhn im Landtag von Baden-Württemberg. Sie haben damals geschwiegen. Schweigen Sie heute nicht! Machen Sie sich nicht durch Schweigen zum Wortführer der Verharmloser.
Meine Fraktion und ich erwarten von Ihnen, dass Sie ein klä rendes Wort finden und die pädophile Vergangenheit des Trä gers des Theodor-Heuss-Preises nicht ausblenden. Ein stilles Dulden von Ihnen würde mich menschlich sehr enttäuschen. Denn ich schätze Sie sehr, und auch viele Bürgerinnen und Bürger tun das. Aber vom vielen Weihrauch wird auch der goldenste Engel verrußt.
Pädophilie ist nicht tolerierbar, nicht in der Form des Duldens, nicht in der Form des Schweigens und schon gar nicht durch gesellschaftliche Anerkennung mit einem Preis aus der Hand des Ministerpräsidenten.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Werte Kollegen von der CDU, das, was Sie hier abliefern, ist an Niveaulosigkeit wirklich nicht mehr zu unterbieten.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Hallo, hallo! Pfui! Jetzt aber! – Abg. Peter Hauk CDU: Unglaublich! – Lebhafte Unruhe bei der CDU und der FDP/DVP)
Das, was Sie, Herr Kollege Löffler, hier anzurühren versu chen, ist wirklich niveaulos. Ich weise das aufs Schärfste zu rück.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Was weisen Sie zurück? Sagen Sie einmal: Was weisen Sie zurück?)
Es ist völlig klar, dass Missbrauch von Kindern die schlimms te aller Straftaten ist, und es gilt, dass wir – Politikerinnen und Politiker, Landesregierung, aber auch jede Bürgerin und jeder Bürger – alles tun müssen, dass an den Schwächsten unserer Gesellschaft kein Missbrauch ausgeübt wird, sondern dass sie geschützt werden, meine Damen und Herren.
dass wir alles tun müssen, um Missbrauch zu verhindern und auch für diejenigen zu sorgen, denen in der Vergangenheit lei der schwerer Schaden zugefügt wurde.
Sie versuchen nun, uns Grüne, die Landesregierung, den Mi nisterpräsidenten in eine Gemengelage hineinzubringen, in dem Sie sagen: Wir werfen jetzt einmal mit Schmutz, wir ma chen jetzt einmal üble Nachrede, wir stellen einmal Provoka teure in eine Reihe mit Tätern,