Protokoll der Sitzung vom 11.04.2013

Leider haben Sie seinerzeit den Antrag der FDP/DVP in den Haushaltsberatungen trotz des Parteitagsbeschlusses der Grü nen abgelehnt. Sie erhalten aber heute sozusagen eine zweite Chance. Wir schlagen Ihnen vor, dass Folgendes bei der Be darfsrechnung berücksichtigt wird: erstens, mit dem Ziel ei ner ausreichenden Unterrichtsversorgung, die Aufstockung der Krankheitsreserve auf 2,5 % bis 2016 sowie der vollstän dige Abbau der sogenannten Überstundenbugwelle; zweitens, auch durch Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz, bis 2016 die Möglichkeit für alle Schulen, auf eigenen Wunsch Ganztagsschule zu werden; drittens bis 2016 ein inklusives Angebot für mindestens ein Drittel der Schülerinnen und Schüler der Primarstufe und der Sekundarstufe I mit diagnos tiziertem sonderpädagogischen Förderbedarf. Über diese Aus bauziele herrscht in diesem Haus im Grunde Konsens. Wir würden uns deshalb über die Zustimmung zur unserem An trag freuen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wacker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich der FDP/DVP sehr dankbar, dass sie diese Große Anfrage gestellt und damit wichtige Fragen aufgeworfen hat, die uns vor dem Hintergrund der Qualitätsentwicklung an unseren Schulen in teressieren. Im Mittelpunkt dieser Fragen steht die Ressour cenplanung, die die wichtigste Voraussetzung dafür ist, eine vernünftige Bildungspolitik gestalten zu können.

Die Auskünfte der Landesregierung sind teilweise durchaus aufschlussreich. Interessant ist dabei – das möchte ich an die ser Stelle ganz deutlich zum Ausdruck bringen –, dass durch eine Aussage der Landesregierung in der Beantwortung end lich mit der Legende der sogenannten Erblast im Bildungsbe reich aufgeräumt wird. In der Antwort auf Frage 1 heißt es – Zitat –:

Entsprechend der politischen Festlegungen wurden die Ressourcengewinne aus dem Schülerrückgang von 2003/04 bis 2012/13 nahezu vollständig im Bildungssys tem belassen und konnten so bereits für bildungspoliti sche Maßnahmen und zur Verbesserung der Unterrichts versorgung genutzt werden.

Ich weiß genau, dass die Rednerinnen bzw. Redner der Regie rungsfraktionen nachher damit kommen werden, man könne angeblich deswegen nichts umsetzen, weil man eine Erblast der früheren Landesregierung abzutragen habe. Meine Damen und Herren, schauen Sie sich dieses Zitat einmal genau an. Was hätten Sie als frühere Oppositionsparteien getan, wenn wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode die k.w.-Stel len gestrichen hätten und große Lücken in der Unterrichtsver sorgung hinterlassen hätten? Sie wären die Ersten gewesen, die auf die Straße gegangen wären und dagegen demonstriert hätten.

(Beifall bei der CDU)

Dabei konnten wir viele Maßnahmen finanzieren, die außer ordentlich wichtig waren und heute noch wichtig sind. Dies betrifft die Senkung des Klassenteilers, eine solide Unter

richtsversorgung, Fortbildungsmaßnahmen für Führungskräf te, Beförderungsämter für Hauptschullehrkräfte usw. Das wa ren alles wichtige Maßnahmen, die dem Bildungssystem heu te noch zugutekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es findet sich eine weitere interessante Aussage in der Ant wort der Landesregierung. Wir begrüßen durchaus, dass zum ersten Mal sehr konkret eine demografische Rendite bis zum Schuljahr 2015/2016 beziffert wurde. Es wird „eine demogra fische Rendite von rund 4 300 Deputaten brutto erwartet“. So steht es in der Antwort der Landesregierung.

Jetzt wissen wir, welche Ressourcen tatsächlich im System verbleiben. Jetzt wissen wir, wofür man diese Ressourcen ein setzen kann.

Jetzt fragen wir – Kollege Dr. Kern hat bereits die richtigen Fragen gestellt –: Was geschieht denn jetzt mit der Unter richtsversorgung? Wie viele Ressourcen brauchen Sie, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen? Wie sieht es mit dem Ausbau der Ganztagsschulen aus? Wie sieht es mit dem Aus bau der Inklusion aus?

Um weitere Beispiele aus dem Bauchladen Ihrer Koalitions vereinbarung zu zitieren: Ausbau des Ethikunterrichts, weite re Kooperationsstunde für Grundschulen usw.

Meine Damen und Herren, jetzt sind Sie an der Reihe, end lich ein Bedarfsdeckungskonzept auf den Tisch zu legen, da mit wir vernünftig darüber diskutieren können, was für die Weiterentwicklung unseres Bildungssystems tatsächlich höchs te Priorität hat. Dazu haben Sie bisher aber nichts gesagt. Herr Minister, jetzt ist es an der Zeit, dass Sie diesbezüglich end lich die Karten auf den Tisch legen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den Beschlussantrag der FDP/DVP und werden ihn unterstützen, lieber Herr Kol lege Dr. Kern. In ihm werden ganz klare Ziele formuliert, die Sie von Grün-Rot in der vergangenen Legislaturperiode, als Sie in der Opposition waren, bei jeder Gelegenheit und bei je der bildungspolitischen Debatte gebetsmühlenartig wieder holt haben. Jetzt folgen die Umsetzungsschritte. Deswegen weist dieser Antrag der FDP/DVP genau in die richtige Rich tung.

Meine Damen und Herren, Sie haben bisher nur die Perspek tive für den Ausbau der Gemeinschaftsschule aufgezeigt. Wir wissen, dass die Ressourcenausstattung der Gemeinschafts schulen um 50 % höher liegt als die Ressourcenausstattung der anderen allgemeinbildenden Schulen. Das lässt sich nach weisen. Also ist ganz klar, dass die Gemeinschaftsschulen bes sergestellt werden. Dies wird wegen der Ressourcenentwick lung und des sogenannten Abbaupfads, den Sie beschrieben haben, ganz klar und nachweislich zu Benachteiligungen an derer Schularten führen.

Jetzt kann ich das Thema „Regionale Schulentwicklung“ doch nicht übergehen, auch wenn wir hier gestern ausführlich dar über gesprochen haben. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Sie lassen sich bei diesem Thema viel Zeit, Herr Minister, Sie lassen sich sogar sehr viel Zeit. Die kommunalen Landesver

bände wissen ja auch noch nicht, was Sie mit der regionalen Schulentwicklung wollen. Sie versuchen nur mit wolkigen, wachsweichen Ausführungen, Ziele zu formulieren, die nicht angreifbar sind. Konkrete Aussagen haben Sie bisher nicht formuliert.

Was wollen Sie? Da gibt es im Grunde drei Möglichkeiten. Wir bitten Sie einfach, hier die Karten auf den Tisch zu legen. Entweder Sie wollen mit der regionalen Schulentwicklung ei nen konsensualen Prozess in die Wege leiten, bei dem alle Ent wicklungsperspektiven aller Schularten mit berücksichtigt werden – wenn Sie diesen Weg einschlagen, sagen wir Ihnen unsere konstruktive Mitarbeit zu –, oder – wir haben eher den Verdacht, dass es dies ist, was Sie wollen – Sie brauchen die regionale Schulentwicklung, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Gemeinschaftsschulen gegenüber den anderen Schularten bevorzugt werden, oder Sie brauchen die regionale Schulentwicklung, um am Ende kleine Schulen dichtzumachen, damit Sie Ressourcen erwirtschaften, die Sie für den Ausbau der Gemeinschaftsschulen brauchen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Was wollen Sie, Herr Minister? Formulieren Sie nicht nur in einer freundlichen Art und Weise Dinge, die nicht verständ lich sind. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Herr Minister, sprechen Sie bitte nicht schnell, aber reden Sie dafür Klartext. Legen Sie die Karten auf den Tisch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Poreski das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Anlass der heutigen Debatte ist eine aus unserer Sicht sehr ungewöhnliche FDP/DVP-Anfra ge. Sie basiert auf einer seriösen Quelle, sie stellt vernünftige Fragen, und sie liefert auch eine nachvollziehbare Begrün dung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Zu Ihrer mündlichen Begründung der Anfrage komme ich noch, aber zur schriftlichen Anfrage jedenfalls passt die Ant wort der Landesregierung. Die Methodik von Professor Klemm ist plausibel. Doch er konnte – das hat er selbst ge sagt – im Rahmen der von ihm selbst so benannten kleinen Studie einige Punkte nur anreißen, andere nur abschätzen, wieder andere überhaupt nicht einbeziehen. So musste Pro fessor Klemm mit Schätzungen arbeiten, weil er die öffentli chen Schulen nicht von den privaten Schulen abgrenzen konn te. Er konnte auch nicht einbeziehen, welche Effekte eine re gionale Schulentwicklungsplanung haben wird. Das ist aber ganz entscheidend; denn dazu ist festzuhalten, dass wir heu te nicht weniger, sondern genauso viele Lehrerinnen und Leh rer wie vor zwei Jahren haben. In Relation zur geschrumpf ten Schülerschaft haben wir sogar etwa 4 000 bis 5 000 Lehr kräfte mehr.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das spüren wir täg lich!)

Dazu komme ich gleich. – Dennoch ist die Versorgung vor Ort nicht besser geworden, sondern an einigen Stellen sogar

knapper. Das liegt daran, dass wir aufgrund der demografi schen Entwicklung immer mehr Kleinstklassen und Schul standorte haben, die eigenständig nicht überlebensfähig sind. Das liegt auch daran, dass wir einen Organisationserlass über nommen haben – das Kultusministerium überarbeitet ihn ge rade –, der diese Effekte verschärft und zum Teil eine völlig unsinnige Ressourcenverteilung erzeugt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ist die Betreuungs dichte zu hoch?)

Nehmen wir beispielsweise die Förderschulen. Da werden die Lehrerinnen und Lehrer nicht nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler, sondern nach der Zahl der Grundschülerinnen und Grundschüler im Einzugsbereich zugewiesen. Von denen wird dann einfach ein Prozentsatz an Förderschülern ange nommen, unabhängig davon, ob es die entsprechenden Schü lerinnen und Schüler überhaupt gibt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ist dort die Betreu ungsdichte zu hoch? Was wollen Sie damit sagen?)

Allein im Umkreis von 30 km von meinem Wohnort führt das dazu, dass Förderschulen vergleichbarer Größe eine Lehrkräf teausstattung erhalten, die sich um mehr als den Faktor 2 un terscheidet. Bei gleich vielen Schülern gibt es also doppelt so viele oder halb so viele Lehrer. Das ist völlig unsinnig.

Deshalb hat Professor Klemm natürlich nicht unrecht, wenn er sagt, dass die Inklusion an den Regelschulen eine angemes sene Ressourcenausstattung erfordert. Aber es darf sicherlich nicht nur draufgesattelt werden, sondern es muss erst einmal genau hingeschaut werden. Wir haben zwar eine reale Knapp heit, doch die beruht auch auf unsinnigen Strukturen und Ver teilungsmustern. Diese müssen wir zunächst in den Blick neh men.

Die grün-rote Landesregierung bekennt sich nicht nur zur Haushaltskonsolidierung, sondern auch zur bedarfsgerechten Ressourcenausstattung. Deshalb hat die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage einige Punkte klarge stellt, die ich gern hervorhebe, nämlich dass Prognosen not wendig sind, um planen zu können, aber dass es ebenso not wendig ist, die Prognosen an die jeweils aktuellen Entwick lungen anzupassen, beispielsweise an die Zahl der Schülerin nen und Schüler.

Deren Zahl sinkt, aber nicht so stark, wie bisher vom Statis tischen Landesamt oder vom Rechnungshof angenommen. Der Ressourcenbedarf wird auch abhängig davon sein, wie schnell die Inklusion im Schulsystem voranschreitet. Wir wer den hierfür das Wunsch- und Wahlrecht verwirklichen; wir werden aber nicht planwirtschaftlich vorgeben, wie viele El tern sich wann und in welcher Geschwindigkeit für welches Angebot entscheiden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb ist auch der scheinbar so förderliche Entschließungs antrag der FDP/DVP in diesem Punkt kontraproduktiv. Denn Sie arbeiten mit einer Quote von einem Drittel, die aber an manchen Orten noch lange nicht erreicht ist, während sie an anderen Orten schon längst überschritten wurde. Wir wollen dies also tatsächlich dem Wunsch- und Wahlrecht überlassen.

Bei Kindern mit Körperbehinderung – um noch ein anderes Beispiel zu nennen – bedarf es je nach Einzelfall teilweise aber auch gar keiner zusätzlichen Lehrkräfte in den Regel schulen, sondern möglicherweise nur einer Schulbegleitung. Dafür sind dann aber nicht die Schulen, sondern die Kreise und die kreisfreien Städte zuständig. Es geht also auch bei der Inklusion darum, organische Entwicklungen zu fördern und zu begleiten und die Maßnahmen dann dem Bedarf entspre chend dynamisch anzupassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das ist ein bisschen arg abs trakt, was Sie sagen!)

Im Gegensatz zu Ihrem Entschließungsantrag arbeiten wir nicht mit planwirtschaftlichen Vorgaben,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mit Schöngeist ar beiten Sie, Kollege Poreski!)

sondern wir werden die Prozesse ermöglichen und das Wunsch- und Wahlrecht entsprechend umsetzen.

Zugleich muss das Parlament über die Mittelverwendung auf dem Laufenden gehalten werden. Deshalb hat der Finanzaus schuss völlig zu Recht eine Berichterstattung über die Be darfsentwicklung bei den Lehrerstellen beschlossen.

Es gibt also viele Punkte, über die sich eine sachliche und in tensive Auseinandersetzung lohnt. Die Klemm-Studie bietet dafür eine Grundlage.

Sie von der Opposition können sich bei dieser Gelegenheit die Frage stellen, ob Sie wirklich noch behaupten wollen – das haben Sie gerade wieder getan –, die Gemeinschaftsschulen würden anderen Schultypen massiv Ressourcen wegnehmen.