Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Der Ministerpräsident hat sehr deutlich gemacht, worum es geht, um welche Dimension es geht. Es geht darum, dass wir Atommüll für Hunderte, für Hunderttausende von Jahren si cher – ich betone: sicher – lagern müssen. Es geht darum, in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren den si chersten Standort zu finden. Da gilt eben die weiße Landkar te. Nur die weiße Landkarte kann dafür sorgen, dass aufgrund der langen Lagerzeit, die wir für den atomaren Abfall brau chen, das Kriterium der Sicherheit absolut in den Vordergrund gestellt wird.

Es kann nicht funktionieren, zu sagen: „Weiße Landkarte ja, aber hier und da schließen wir bestimmte Standorte aus.“

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Streng wissenschaftlich!)

Ja, und es wird darum gehen, nach streng wissenschaftli chen Kriterien den geeigneten, sichersten Standort zu suchen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Mit 50-prozentigem Politik anteil!)

Was ist die sicherste Möglichkeit zur Lagerung des atomaren Mülls? Am Atommüll hat Baden-Württemberg einen entschei denden Anteil –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Na ja!)

der Ministerpräsident hat es gesagt –: über 50 % Atomstrom anteil über Jahrzehnte hinweg. Auch Baden-Württemberg hat also die Verantwortung, für den sicherstmöglichen Standort zu sorgen und dafür ein Verfahren aufzusetzen, wie es der Mi nisterpräsident zusammen mit anderen jetzt hinbekommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zu der weißen Landkarte gehört auch, dass Gorleben kein Ausschlussgebiet ist. Es ist kein Referenzstandort, aber es wird auch nicht ausgeschlossen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja warum denn auch?)

Das ist eben die weiße Landkarte, und nur auf dieser Grund lage war es möglich, diese Einigung zu erzielen.

Ich muss schon sagen: Wir waren mehr als erstaunt und auch schockiert, dass Sie, Herr Hauk, nach der parteiübergreifen den Einigung zwischen Bund und Ländern, einer Einigung, die nicht funktionieren kann, wenn man nur an den nächsten Wahltermin denkt, als Erstes nur kommentiert haben: „Eigent lich waren wir schon weiter. Wir hatten Gorleben.“

(Abg. Peter Hauk CDU: Es war so!)

Ich kann nur sagen: Das ist das Sankt-Florians-Prinzip: „Hei liger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an.“ Mit Verantwortung hat das nichts zu tun, Herr Kollege.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Wer hat denn das Morato rium verkündet und nichts gemacht?)

Daran erkennt man, dass es unter einer CDU-geführten Re gierung nie funktioniert hätte, so ein Vorhaben, so ein Verfah ren gemeinsam hinzubekommen, wenn nur das Sankt-Flori ans-Prinzip gilt und nicht die Verantwortung übernommen wird, die wir alle zusammen für atomaren Müll haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn wir uns noch einmal Gorleben anschauen, sehen wir – das sehen Sie auch –, dass es damals eine Analyseliste der vor dringlichen und besonders gut geeigneten Salzstöcke gab. Da war Gorleben nicht enthalten. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht CDU hat damals gesagt: „Das macht nichts; das ist jetzt eine politische Entscheidung.“ Das ist das Problem: In dieser Frage kann man kein Vertrau en schaffen, wenn man politische Entscheidungen trifft, statt das Kriterium der Sicherheit in den Vordergrund zu stellen. Das hat die grün-rote Landesregierung gemacht. Das haben auch die anderen Länder und der Bund gemacht. Das erwar ten wir auch von Ihnen, von der CDU, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich hoffe, dass Sie sich nochmals gut überlegen, wie Sie in dieser Frage weiter verfahren wollen, ob Sie sich tatsächlich

aus dem Konsens von Bund und Ländern und aus dem Kon sens, den es im Bundestag gibt, isolieren wollen,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das hat kein Mensch gesagt! Selektives Hören! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

ob Sie tatsächlich der Ansicht sind, dass Ihre CDU-Bundes umweltminister Röttgen und Altmaier nicht richtig vorgegan gen sind. Ich darf zitieren, was Herr Altmaier nach der Eini gung gesagt hat:

Das ist der Durchbruch. Damit wird das letzte strittige Thema des Atomzeitalters einvernehmlich geregelt.

Ich finde, dieser Aussage sollten Sie endlich beitreten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich möchte noch einmal auf das Altmaier-Zitat nach dem Atomausstieg zurückkommen, der ja letztendlich erst im Früh jahr 2011 zustande kam und der mit 513 : 79 Stimmen im Deutschen Bundestag über Fraktionsgrenzen hinweg – CDU/ CSU, SPD, Grüne und FDP – beschlossen worden ist. Wer diesen Ausstieg ernst nimmt, der muss auch ernst nehmen, dass wir eine Lösung für die Endlagerfrage brauchen, und der kann und muss zu dem Verfahren stehen, das jetzt vereinbart worden ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Kollege Lusche hat vorhin gesagt, zwischen Tür und Angel seien irgendwelche Zusagen gemacht worden. Bei dem Pro zess, der jetzt zwei Jahre gedauert hat, bei dem es intensive und langwierige Verhandlungen gegeben hatte, kann man nun wirklich nicht davon sprechen, dass irgendetwas zwischen Tür und Angel entschieden worden wäre. Nein, im Gegenteil, es war ein gut, lang und intensiv verhandelter Prozess. Deshalb sind wir auch sehr froh, dass er zu diesem Ergebnis geführt hat, meine Damen und Herren.

Wenn es jetzt um die Frage der Zwischenlagerung geht – das ist angesprochen worden –, dann ist natürlich klar – der Mi nisterpräsident hat es gesagt –, dass auch Baden-Württemberg mit seinen Kernkraftwerken, mit dem Atommüll, den BadenWürttemberg produziert hat, eine Verantwortung hat. BadenWürttemberg hat sich deshalb grundsätzlich bereit erklärt, in den bestehenden Zwischenlagern weitere Castoren einzula gern.

Eine Zusage wurde nicht gemacht, aber es gibt ein Angebot. Diesem Beispiel müssen andere Bundesländer – außer Schles wig-Holstein, das dieses Angebot erfreulicherweise auch ge macht hat – folgen; denn sonst ist dieses Problem nicht zu lö sen. Auch hier erwarten wir von Ihnen, dass wir in diesem Haus gemeinsam an einem Strang ziehen,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Dann muss man aber in diesem Prozess die Standorte mitnehmen!)

damit wir diese wichtige Frage einvernehmlich und in einem Verfahren, das Vertrauen schafft, klären können. Nur dann können wir diesen schwierigen Weg, der jetzt mit einem ers ten wichtigen Schritt begonnen wurde, erfolgreich zu Ende

führen. Ich hoffe sehr, dass Sie da mit dabei sind, meine Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Redezeit war bereits beendet. Deshalb konnte ich keine Zwischenfrage mehr zulassen.

Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Winkler.

(Abg. Peter Hauk CDU: Benken lässt grüßen!)

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren!

(Abg. Peter Hauk CDU: Benken lässt grüßen!)

Die Debatte erlaubt mir, auch auf meinen Vorredner, Kolle gen Lusche, einzugehen, der zu Recht z. B. meinen Kollegen mit einer früheren Aussage zitiert hat, wir in Baden-Württem berg hätten nach Ansicht des Landesamts für Geologie, Roh stoffe und Bergbau keine geeignete geologische Formation. Lieber Kollege Lusche, genau dies ist der Punkt. Wenn jedes Land und jedes geologische Landesamt eines Landes die De finition für die Eignung festlegt, dann bekommen wir keine Standorte.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Es ist der Vorteil einer sogenannten weißen Karte, dass alle die gleichen Bedingungen unter den gleichen wissenschaftli chen Vorgaben haben, um Standorte zu finden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber das ist doch Wissenschaft!)

Genau das ist der Fortschritt dieses Endlagersuchgesetzes.

Meine Damen und Herren, durch den Ausstieg aus der Nut zung der Kernenergie ist eigentlich so richtig deutlich gewor den, dass wir das Problem der Endlagerung noch nicht einmal annähernd so gelöst haben, wie es eigentlich der Fall sein soll te. Durch den Ausstiegsbeschluss hat sich eine erschrecken de Offensichtlichkeit ergeben, obwohl das schon 1976 im Atomgesetz verankert wurde.

Aber wir hätten eigentlich schon viel früher handeln müssen. Wir hätten uns nicht erst 1976, sondern schon früher darum kümmern können und müssen. 1956 wurde das Kernfor schungszentrum in Karlsruhe durch den damaligen Atommi nister Strauß eingeweiht. Die Schwerpunkte der Forschung dieses Kernforschungszentrums – wir alle in der Gesellschaft und alle damaligen Parteien waren davon überzeugt, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie eine gute Energienutzung sein wird – waren Grundlagenforschung der Kernenergie, kernphysikalische Forschung und Verfahren zur Wiederauf bereitung. Aber interessanterweise wurde überhaupt nichts zur Frage der Endlagerung gesagt. Das ist so, als ob man ein Flug zeug bauen und zum Starten und Fliegen ausrüsten, aber den Bau der Landeeinrichtung auf später verschieben würde. Man baut einfach weltweit ca. 400 Kernkraftwerke, und über 50 Jahre nach der ersten kommerziellen Nutzung in Deutschland – sie erfolgte im Jahr 1961 – sind wir hinsichtlich der Endla gerung noch nicht viel weiter als am Anfang. Wir starten im mer wieder von Neuem einen Suchlauf.

Inzwischen sind Jahre und Milliarden Euro verflossen, und wir haben keinen geeigneten Platz. Unser Nachbarland Schweiz hingegen hat geeignete Plätze, die allerdings sehr nahe an der Grenze zu Baden-Württemberg liegen. Wenn sie dort beim Hinunterbohren nicht aufpassen, kommen sie auf unsere Sei te. Die Plätze in der Schweiz sind also sehr grenznah und in Gesteinsformationen, die wir in Baden-Württemberg – ich verweise auf Frau Gönner – bisher eigentlich überhaupt nicht akzeptiert haben.

Aber wie sicher soll ein Endlager sein, das 100 000 Jahre hal ten muss?