Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Von Ihrer Seite kommt immer wieder die Forderung – Sie, Herr Nemeth, haben es gebracht, Sie, Herr Zimmermann, ha ben es gebracht –, man müsste die erneuerbaren Energien mehr am Markt ausrichten. Das ist richtig. Nur: Wenn Sie ei nen Markt haben, der von einer Strombörse geprägt ist, die nur Grenzkosten abbildet, dann werden Sie an diesem Markt keine erneuerbaren Energien ausrichten können, weil sie prak tisch keine Grenzkosten haben.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Deswegen muss man das ganze Marktdesign überdenken und kann nicht einfach sagen: „Die erneuerbaren Energien müs sen sich jetzt diesem Markt anpassen.“ Denn diesem Markt werden sie sich nicht anpassen können. Übrigens besteht in zwischen schon bei den konventionellen Kraftwerken das Pro blem, dass ihre Kosten über die Grenzkostensteuerung der Strombörse nicht mehr abgedeckt werden. Das ist doch ein Problem der Wirtschaftlichkeit. Deswegen werden wir nicht einfach sagen können: „Orientiert euch an diesem Markt.“

Wir müssen nicht bis in die Zukunft warten, Herr Abg. Glück, bis es sich wendet und die Kohle Vorrang vor dem Gas hat. Schon jetzt ist es so. Die besten Kraftwerke, die wirtschaft lichsten Kraftwerke sind im Moment die Braunkohlekraftwer ke. Die Gaskraftwerke sind es nicht. Da müssen wir nicht bis in die Zukunft warten.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Leider ist die Situation jetzt so. Deswegen werden wir uns – damit komme ich zu dem nächsten Punkt, den ich vorab noch ansprechen möchte – über den angesprochenen Emissions handel richtig Gedanken machen müssen. Mir kommen Be denken hinsichtlich Ihrer Äußerungen. Natürlich muss man die Energiewende im Endeffekt europaweit oder weltweit ge stalten, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Nur: Sie meinen, dass wir erst einmal langsam machen sollten, bis Europa entsprechend mitzieht. Ich bin gerade angesichts der Entscheidung des EU-Parlaments zum Emissionshandel ein bisschen skeptisch, ob das eine gute Strategie ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Damit Herr Untersteller – ich bin sicher, dass er zuhört – merkt, dass ich seine Rede verlese – das ist mein Auftrag –, gehe ich jetzt zum Manuskript über

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen)

und komme zur eigentlichen Rede.

Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, der vor allem durch die fluktuierenden Energien Wind und Fotovoltaik be stimmt ist, werden zukünftig die Flexibilitätsanforderungen an den konventionellen Kraftwerkspark, also auch an die Koh lekraftwerke, deutlich ansteigen. Derzeit sind in Baden-Würt temberg ca. 3 800 MW Leistung auf Steinkohlebasis instal liert. In der Regel wird bei der zu erwartenden Laufleistung von Bestandskraftwerken mit Kohlefeuerung von einer Lauf zeit von pauschal 45 Jahren ausgegangen. Das ist allerdings keine in Stein gemeißelte Größe. Die Laufzeit wird letztlich von regelmäßigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen und tech nischen Untersuchungen zum Weiterbetrieb bestimmt.

Mit „Erhöhung der Flexibilität“ ist bei einem Kraftwerk z. B. gemeint, dass die Mindestlast abgesenkt und die Lastände rungsgeschwindigkeit erhöht werden kann. In Baden-Würt temberg betrifft dies im Wesentlichen die Kraftwerke der EnBW und das GKM. Bei diesen wurden laut Aussage der Betreiber in der Vergangenheit bereits umfangreiche Instand haltungs- und Retrofitmaßnahmen durchgeführt. Hierzu ge hört beispielsweise das Absenken der Mindestlast bei Heil bronn 7 auf ca. 15 % der installierten Leistung. Die Anlagen sind aber grundsätzlich für weitere die Flexibilisierung stei gernde Nachrüstungen geeignet. Mittelfristig können Stein kohlekraftwerke somit auch weiterhin einen Beitrag zum Aus gleich der fluktuierenden Einspeisungen leisten.

Wir werden auch zukünftig immer mehr Situationen haben, in denen Kraftwerke schnell aus dem Kaltzustand angefahren werden müssen. Bei diesen sogenannten Kaltstarts sind selbst modernste Kohlekraftwerke gegenüber GuD-Anlagen oder Gasturbinen im Nachteil. Deshalb benötigen wir zukünftig deutlich mehr gasbefeuerte Anlagen. Den Bau neuer Kohle kraftwerke, außer den bereits im Bau befindlichen, lehnt die Landesregierung hingegen ab.

Im Übrigen kommt angesichts der gegenwärtigen wirtschaftli chen Rahmenbedingungen und der Gegebenheiten des Markt designs – ich habe es vorhin ausgeführt – im Moment kein Betreiber auf die Idee, ein neues Kohlekraftwerk zu bauen.

Der im Antrag angesprochene Fernwärmespeicher von GKM 9, der derzeit im Bau ist, erhöht die Flexibilität dieses Kraft werks. Im Falle eines notwendigen zusätzlichen Strombedarfs können bei gefülltem Wärmespeicher die Fernwärmemaschi nen für mehrere Stunden in ihrer Leistung reduziert werden. Dadurch können ca. 50 MW zusätzliche Leistung für die Stromgewinnung bereitgestellt werden. Der Fernwärmespei cher leistet damit einen positiven Beitrag zur Versorgungssi cherheit.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: 50 MW? Das ist ja gar nichts!)

Die Landesregierung begrüßt daher die Einrichtung des Fern wärmespeichers.

Die Auswirkungen auf die Laufzeit des Kraftwerks und die CO2-Emissionen sind ohne vorliegende Betriebserfahrungen in diesem neuen Umfeld schwer abzuschätzen. Allerdings liegt es unseres Erachtens auf der Hand, dass es aufgrund der optimierten Fahrweise innerhalb komplexer Anlagen zu Wir kungsgradsteigerungen und damit zu nicht unerheblichen CO2-Einsparungen kommen wird.

Laut Aussage aller Betreiber ist derzeit aber das Hauptprob lem – damit kommen wir zum schon angesprochenen Thema Kapazitätsmarkt –, dass der Strommarkt weitere Flexibilitäts steigerungen schlicht und einfach nicht honoriert. Technisch ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht, man stößt aber im Moment auf ökonomische Grenzen bei der Steigerung der Flexibilität.

Auch deshalb tritt die Landesregierung für eine Weiterent wicklung des Marktes hin zu mehr leistungsabhängigen Kom ponenten oder eben Kapazitätsmechanismen ein. Die Bundes regierung – um das auch noch einmal auf die vorherigen Bei träge zu beziehen – ist bei der Frage, ob ein Kapazitätsmarkt eingerichtet werden muss, nicht mehr unentschieden. Sie ist eigentlich dafür. Im Moment finden die Debatten darüber statt, wie ein Kapazitätsmarkt ausgestaltet werden muss. Richtig gestaltet kann diese Weiterentwicklung die Investitionssicher heit für dringend benötigte Neubauten bei Gaskraftwerken er höhen, aber auch für flexibilitätssteigernde Maßnahmen im Bestand der Steinkohlekraftwerke genutzt werden.

Wir sind davon überzeugt, dass wir einen Kapazitätsmecha nismus brauchen, der eine Form der Leistungsvergütung vor sieht. Er muss technologieoffen gestaltet sein und neben neu en Erzeugungsanlagen auch der Nachfrageseite, also der Ein beziehung des Potenzials abschaltbarer Lasten, sowie Spei chern offenstehen. Gerade bei den abschaltbaren Lasten hat ein gemeinsam mit dem bayerischen Umweltministerium in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben, dass für einen Zeit raum von zwei Stunden in Bayern und in Baden-Württemberg 850 MW abgeschaltet und auf einen späteren Zeitpunkt ver schoben werden können.

Ein Kapazitätsmechanismus wäre daher ein wirtschaftlich ver tretbarer Weg, langfristig die Versorgungssicherheit unter den Rahmenbedingungen der Energiewende zu sichern. BadenWürttemberg hat diese Alternative bereits vor anderthalb Jah ren präsentiert. Der Ball liegt nun bei der Bundesregierung, hier tätig zu werden. Bayern und Baden-Württemberg werden jedenfalls nicht nachlassen, hier auf eine Lösung zu drängen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zum Abschluss erteile ich Herrn Abg. Stober das Wort.

Frau Präsidentin, ich habe mich gemeldet, weil Herr Glück eine Aussage getroffen hat, die ich richtig und überlegenswert finde, bei der ich richtig gezuckt habe.

Wir diskutieren ja über das Thema Kapazitätsmechanismen und über Anreize für entsprechende Investitionen, egal, ob nun in Speicher- oder in neue Kraftwerke. Was wir, glaube

ich, auch überlegen müssen – das haben Sie angesprochen –, ist, wie wir bei bestehenden Regelungen wieder Anreize schaf fen, die Netznutzungsentgelte nicht nur am Arbeitspreis, son dern auch am Leistungspreis festzumachen.

Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, wenn wir hier eine Diskussion darüber führen, wie wir das schaffen, was wir wol len, nämlich einen Kapazitätsmarkt, bei dem wir zu einem möglichst geringen Preis letztlich die Investitionen anreizen. Ich weiß, dass es dazu auch entsprechende Überlegungen im Ministerium gibt. Leider ist das Thema noch ein bisschen in der Warteschleife.

Den Betrag, den wir heute in bestimmten Bereichen – z. B. in den Bereichen der Netznutzungsentgelte – als Abgabe zahlen, sollten wir auch nutzen, um da möglicherweise zu differen zieren zwischen Arbeitspreisen – soundso viele Kilowattstun den, deswegen muss man soundso viel an Netznutzungsge bühren bezahlen, bzw. das, was man an Maximallast zieht – – Denn danach muss man auch die Netze auslegen. Damit ver ursacht man da auch entsprechende Kosten. Das muss man dann auch zurückgeben. Daher kann ich diesen Vorschlag durchaus – er ist nicht neu; wir haben über ihn schon vorher diskutiert – begrüßen.

Was ich aber wieder nicht so ganz verstanden habe, Herr Glück, ist das, was Sie zum Thema EEG gesagt haben. Denn selbst wenn man das EEG abschaffen würde, wenn man den Marktmechanismus, nämlich die Merit-Order, und die Grenz kosten dort begreifen würde, wüsste man – ich glaube, die Frau Staatssekretärin hatte es auch angesprochen –, dass die Grenzkosten bei der Windkraft, bei der Fotovoltaik, bei den erneuerbaren Energien mit Ausnahme der Biomasse null sind. Damit würde sich gar nichts ändern.

Das Einzige, was man machen würde, ist, dass man den Aus bau der erneuerbaren Energien abwürgen würde.

Wir brauchen in allen Bereichen die Anreize, die es interes sant machen und dazu führen, dass sich die Investitionen, die wir brauchen, auch rechnen. Das brauchen wir im Bereich der Kapazitäten, das brauchen wir im Bereich der erneuerbaren Energien, das brauchen wir auch im Bereich der Energieein sparung.

Deswegen ist es gut, dass der Markt so viel regelt, wie er re geln kann. Aber an den Stellen, wo er das nicht von sich aus tut, müssen wir die Regeln vom Markt her auch so setzen, dass er es tun kann.

Wenn wir darüber eine gemeinsame Diskussion führen – er freulicherweise ist es ja auch so, dass es auf Initiative von Ba den-Württemberg auf Bundesebene einen entsprechenden Be schluss gibt; Frau Krebs hat es auch zu Recht angesprochen –, können wir auch an dieser Stelle gemeinsam weiterkom men. Das wäre auf jeden Fall mein Wunsch.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/2688. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men der Erledigterklärung zu.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des

Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren – Aktueller Sachstand zum Ar muts- und Reichtumsbericht – Drucksache 15/2825 (ge änderte Fassung)

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren – Maßnahmen zur Armutsprä vention und Armutsüberwindung in Baden-Württem berg – Drucksache 15/2886

Meine Damen und Herren, für diesen Tagesordnungspunkt hat das Präsidium folgende Redezeiten festgelegt: für die Begrün dung zu a und b je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Mi nuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort zur Begründung des Antrags Drucksache 15/2825 (geänderte Fassung) erteile ich Herrn Abg. Kunzmann für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 21. Dezember 2012 fanden sich in den „Stuttgarter Nachrichten“ drei Schlagzeilen zu die sem Thema. Die erste lautete: „Im Südwesten leben am we nigsten Arme“. Die zweite Schlagzeile lautete: „Deutschland ist reich an Armutsberichten“, und die dritte Schlagzeile lau tete: „Die Armuts-Propheten“.

Im Südwesten leben also am wenigsten Arme. Das ist das, Frau Ministerin Altpeter, was wir Ihnen nach 58-jähriger Re gierungszeit hinterlassen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! Da gibt es etwas zu erhalten!)

Die Menschen sind bei uns am sichersten vor Armut. Warum ist das bei uns so? Weil wir Acht gegeben haben auf eine gu te Wirtschaftsstruktur und auf einen gesunden Mittelstand, den wir stets gepflegt haben, weil wir unser Bildungssystem zum besten in Deutschland und übrigens auch in Europa aus gebaut haben