Dies ist eine große und verantwortungsvolle Aufgabe. Die Entwicklung ist in vielen Orten bereits in Gange, doch dieser Entwicklung fehlen momentan die Rahmenbedingungen. Die se Eckpunkte werden wir Ihnen heute mit der Regierungser klärung mitgeben. Damit können die Schulträger in einen kon struktiven Austausch gehen, bei dem am Ende im besten Fall eine Lösung für die gesamte Raumschaft steht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit wollen wir un serem Ziel, für mehr Bildungsgerechtigkeit in Baden-Würt temberg zu sorgen, trotz der zurückgehenden Schülerzahlen allen Schülerinnen und Schülern ein wohnortnahes Bildungs angebot zu liefern und alle Bildungsabschlüsse weiterhin vor zuhalten, ein Stück näherkommen. Wir wollen die Bildungs landschaft so weiterentwickeln, dass gute Schule Schule macht und pädagogisch auf die Veränderungen eingeht.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Her ren! Kollege Dr. Kern und Kollege Wacker, bei aller Wert schätzung, aber es ist schon eine dreiste Nummer, jahrzehn telang nichts zu tun und dann heute Morgen hier so dick die Backen aufzublasen. Das ist eine dreiste Nummer.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Wie bitte? Wo stehen wir denn in Baden-Württemberg?)
Oder um es mit Molière zu sagen: „Wir sind nicht nur verant wortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ In der Tat geht es heute Morgen um Verantwor tung. Sie haben jahrzehntelang eine bequeme Strategie gefah ren, indem Sie Entwicklungen einfach haben treiben lassen. Ich stelle heute fest: Meine Damen und Herren, wir beendi gen mit dem heutigen Tag in Sachen Schulentwicklung die „Vogel-Strauß-Politik“ der Vorgängerregierung.
Wir eröffnen heute einen Weg zu mehr Planungssicherheit, und wir reagieren auf die dramatischen Rückgänge der Schü lerzahlen. Die Entwicklung kam in der Tat nicht über Nacht, sondern sie hat sich lange angekündigt. Herr Wacker, wenn Sie möchten, können Sie an dieser Stelle gern Ihre Grafik noch einmal hochheben. Spätestens ab 2000 hat sich die Entwick lung so abgezeichnet, insbesondere mit Blick auf die Haupt- und Werkrealschulen. Wir sprechen hier vom PISA-Schock 2000, der nachhaltige Auswirkungen auf das Bildungsverhal ten hatte. Wir reden über die Überschreitung des demografi schen Peaks bei der Anzahl an Schülerinnen und Schülern. Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung hat hier eine gewisse Beschleunigung gebracht, aber die Ur sache der Zangenbewegung liegt viel weiter zurück: geringe
Aber an dieser Stelle kommen andere Fragen auf, gerade vor dem Hintergrund, dass Sie die Chance verpasst haben, in die konstruktive Mitarbeit einzusteigen. Warum haben Sie so lan ge zugesehen? Warum wurde nicht schon viel früher der Schulentwicklungsprozess angestoßen? Warum liegt der letz te Schulentwicklungsplan Ihrer Regierung über 40 Jahre zu rück? Da haben Sie versagt.
Herr Dr. Kern, gerade mit Blick auf die Haupt- und Werkre alschulen bin ich versucht, von unterlassener Hilfeleistung zu reden. Sie haben mit Ihren Reformen doch nur herumgedok tert, ohne Perspektiven aufzuzeigen.
Politik ist auch für das verantwortlich, was nicht getan wird. Keine Politik ist auch Politik. An dieser Stelle war es in der Tat gut, dass wir den Regierungswechsel bekommen haben. Sie haben zugesehen, wie der Karren in Richtung Wand ge fahren ist.
Herr Dr. Kern, lesen Sie es nach: Wir haben auch heute noch die niedrigste Jugendarbeitslosenquote. Wir haben auch heu te noch die geringste Quote von Sitzenbleibern.
Ja, das genau ist Ihre Politik: Angst machen, schlechtreden und den Leuten falsche Fakten einreden. Das genau ist Ihre Politik!
Wir können auch über die Zeit vor 2011 reden, nämlich die Zeit der höchsten Aussortierquote von sozial Schwachen, Mi grantinnen und Migranten und des höchsten Nachhilfesatzes bundesweit. Die Bertelsmann Stiftung hat Ihnen das 2010/2011 um die Ohren geschlagen: Eine Familie in Baden-Württem berg gibt im Durchschnitt 131 € jährlich pro Schulkind für Nachhilfe aus. Das war die Bilanz Ihrer „Spitzenpolitik“.
Deshalb haben wir heute in der Tat wieder einmal einen Wech sel erlebt. Denn der Ansatz des Ministers ist mutig, ist diffe renziert und eröffnet Chancen. Für eine Vielzahl existenziell bedrohter Schulstandorte zeigt er nämlich Entwicklungsper spektiven auf. Die Bedingung lautet, dass die Verantwortli chen zum Dialog bereit sind und ihre Verantwortung wahr nehmen. Das Verfahren bietet Gestaltungsspielraum, der von Schulen, Schulträgern und Kultusverwaltung entsprechend den örtlichen Rahmenbedingungen angewendet werden kann.
Es geht eben nicht um eine Reißbrettplanung aus Stuttgart. Herr Wacker, das haben Sie an dieser Stelle noch nicht ka piert: Freiwilligkeit und Partnerschaft sind zentrale Elemen te des eben vom Minister vorgelegten Ansatzes.
Es geht nämlich um eine gute Balance zwischen der Wahrung der Interessen bestehender Standorte einerseits und den Hand lungsanforderungen hinsichtlich Schülerzahl und pädagogi scher Qualität andererseits. Wir haben vorhin darüber disku tiert: Auch Kleinschulen machen pädagogisch unterhalb einer bestimmten Größe nur noch bedingt Sinn; sie bringen Quali tätseinbußen mit sich. Es geht darum, ein breit gefächertes Schulangebot sicherzustellen und die Qualität dabei hochzu halten. Der Herr Minister hat das ausgeführt.
Wir müssen Schulen zukunftssicher aufstellen. Da geht es auch um die Frage, wie stabile Zweizügigkeit zu definieren ist. Ist sie ab einer Zahl von 40 Schülern pro Jahrgang gege ben? Wie weit wollen Sie denn hinsichtlich der Mindestzahl nach unten? Gibt es auch mit 32 Schülern – gerade über dem Klassenteiler – noch eine stabile Zweizügigkeit? Sie müssen also eine gewisse Richtgröße setzen, und wir glauben, dass unsere Zahl die Orientierung bietet, um Schulen auch dauer haft sicher aufzustellen, damit wir nicht in fünf Jahren in die nächste Runde gehen müssen. Das ist nämlich das Ziel der re gionalen Schulentwicklungsplanung: eine möglichst große Zahl von zukunftsfähigen Schulstandorten, damit die Lehre rinnen und Lehrer vor allem wieder aus der Angstsituation he rauskommen und sich auf ihre pädagogische Aufgabe konzen trieren können.
Ich bin Ihnen dankbar. – Wir haben an einer Stelle viel über die Zahl 40 gesprochen. Wir sollten auch noch einmal ausdrücklich über die Zahl 16 reden. Die Zahl 16 bedeutet nämlich – das ist der SPD-Fraktion sehr wichtig –, dass bei einer Mindestzahl von 16 Schülerinnen und Schülern in einer Eingangsklasse die Schulen weiterar beiten können. Ich habe es an anderer Stelle schon ausdrück lich gesagt: Mit der SPD wird es insbesondere im ländlichen Raum keinen Kahlschlag von Schulstandorten geben. Sozia le Gerechtigkeit heißt, dass Schulabschlüsse unabhängig vom Geldbeutel der Eltern und in zumutbarer Entfernung erreich bar sein müssen.
Herr Wacker, eben deshalb haben wir uns gerade mit Blick auf den ländlichen Raum für Ausnahmeregelungen eingesetzt. Gleichwohl – das ist, glaube ich, rational nachvollziehbar –
gilt es zu handeln, sobald die Zahl 16 unterschritten wird. Dann müssen auch diese Standorte in eine regionale Schul entwicklungsplanung eingebunden werden.
Machen wir uns nichts vor: Wir werden nicht alle Standorte halten können. Das zeigen die Schülerzahlen, das zeigt die einfache Mathematik. Insbesondere die Haupt- und Werkre alschulen stehen hier besonders unter Druck. Aufgabe der Schulträger wird es dann übrigens auch sein, zu überlegen, wie vorhandener Schulraum möglicherweise alternativ ge nutzt werden kann.
Wir haben also eine Menge Fragen. Das ist übrigens auch der Grund, Herr Wacker, warum wir die beruflichen Schulen an dieser Stelle ausgeklammert haben. Die sind in einer Teilbe trachtung enthalten, was die beruflichen Gymnasien angeht.
Das ist nicht unverantwortlich, sondern der Komplexität ge schuldet. Wir werden auch hier zentral insbesondere mit der Wirtschaft, aber auch mit den Kolleginnen und Kollegen in den Dialog treten.
Meine Damen und Herren, vor uns liegt eine schwierige Auf gabe. Der Minister hat es skizziert. Diese Aufgabe gilt es zum Wohl unserer Kinder zu lösen; das verlangt eine partnerschaft liche Herangehensweise. Herr Minister, ich darf Ihnen an die ser Stelle ausdrücklich das Kompliment der SPD-Fraktion aussprechen. Es ist Ihnen gelungen, systematisch und struk turiert die Verhandlungen mit den kommunalen Verbänden zu einem guten Ergebnis zu führen. Es ist vielleicht nicht so, dass jeder alles unterschreiben kann, aber die Rückmeldungen zei gen, dass man Ihre Positionen nachvollziehen konnte und dass die Verhandlungen auf Augenhöhe und sehr lösungsorientiert verliefen. Dafür unseren herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Glauben Sie das selbst?)
Ich fasse also zusammen: Geburtenrückgang und Bildungs wünsche haben zu deutlichen Veränderungen in der Schul landschaft geführt. Zahlreiche Schulen sind heute nicht mehr in der Lage, eine Eingangsklasse zu bilden.
Die Entwicklung war lange absehbar. Trotzdem wurde von FDP/DVP und CDU lange nichts unternommen. Die neue Landesregierung legt nun einen Vorschlag vor, der auf Ver handlungen mit den kommunalen Landesverbänden beruht. Dieser Vorschlag stellt eine gute Balance zwischen Bestands schutz und Zukunftssicherheit dar. Die klar formulierten Min dest- und Zielgrößen geben eine deutliche Orientierungsmar ke ab. Die nun folgenden Prozesse werden nicht problemlos verlaufen, können aber partnerschaftlich gelingen.
Es gilt: Probleme sind Chancen, die in einem Arbeitsanzug daherkommen. Der Arbeitsanzug liegt jetzt bereit. Lassen Sie uns ihn gemeinsam – ich appelliere zumindest an die konst ruktiven Kräfte hier im Hause – anziehen und unser Schulsys tem zukunftssicher aufstellen.
Ich stelle fest, dass die Opposition heute die Chance verpasst hat, von ihrer Panikpolitik wegzukommen. Sie haben heute gezeigt: Sie arbeiten mit Lügen, Unterstellungen,