Aber ich versuche jetzt einmal, das, was der eine oder ande re gesagt hat, mit gesundem Menschenverstand zu analysie ren: Was ist passiert? Die Bürger in der Region haben gespro chen. Das Votum ist unmissverständlich. Das jetzt zu relati vieren und daran herumzudeuteln ist ein Armutszeugnis für alle, die sich Demokraten nennen.
Ich weiß, dass es schwierig ist, wenn es um den Begriff des Naturschutzes geht. Denn Naturschutz ist nichts monetär Be wertbares. Das ist kein Gebäude; man kann nichts messen. Vielmehr ist der Naturschutz in unserer Wahrnehmung zu nächst einmal etwas Immaterielles.
Aber es ist für den Naturschutz wenig hilfreich, wenn Argu mente angeführt werden wie das, das der Ministerpräsidenten genannt hat: Es liege an der ästhetischen Wahrnehmung des Waldes, dass der Nationalpark von der „Restminderheit“, wie sie Frau Erler bezeichnet, abgelehnt werde. Das bringt nichts.
Man muss sich dann auch die Frage stellen, ob der National park abgelehnt wurde, weil der eine oder andere, für den der Naturschutz wichtig ist, ihn sich nicht überstülpen lässt oder weil er sich nicht ernst genommen fühlt. Ich meine, darum geht es.
Da ist es auch wenig hilfreich, wenn von Frau Erler bzw. Herrn Kretschmann gesagt wird: „Wir leiten die Legitimati on aus dem Koalitionsvertrag ab.“
Das wäre etwa vergleichbar mit folgendem Fall: Eine junge Familie mit einem Kind plant, ein Haus zu bauen. Später kommt ein zweites Kind hinzu, das dann auf dem Gang schla fen muss, weil in der ursprünglichen Planung kein zweites Kinderzimmer vorgesehen war. Das ist doch keine Logik.
Was darüber hinaus die Ableitung der Legitimation aus dem Gutachten anbelangt, bin ich, Herr Bonde, dankbar, dass wir den Prozess über zwei Jahre hatten und das Gutachten auf dem Tisch liegt. Jetzt sollte man sich aber auch die Zeit nehmen, dieses Gutachten zu diskutieren und zu besprechen, und das Gutachten nicht als Legitimation für eine Entscheidung in die sem Haus nehmen.
Wir können hier reden, wie wir wollen. Sie sind in einem Di lemma. Das Dilemma ist das Bürgervotum vor Ort. Es stellt sich die Frage: Wie geht man damit um? Herr Schmiedel – jetzt ist er nicht da, zumindest sehe ich ihn nicht – hält den Tourismus hoch; auch Sie, Herr Minister, machen das. War um haben Sie dann nicht im Herbst 2012 in Berlin für den Er halt des Mehrwertsteuersatzes von 7 % gekämpft? Warum ma chen Sie hier nicht den ersten Schritt?
Ein weiterer Punkt zum Schluss: Wir wurden aufgefordert, verantwortlich an das Thema heranzugehen. Das möchte ich tun. Ich möchte nicht irgendwann gezwungen sein, hier ein Nationalparkgesetz ablehnen zu müssen, weil ich weiß, dass ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, Bürge rinnen und Bürgern vor Ort gegen ihren Willen etwas aufzu drücken, was sie nicht wollen. Ich möchte – das wäre auch meine Erwartung an Sie –, dass wir mit Kompromissen arbei ten.
Wir sollten versuchen, die Dinge, die machbar sind, umzuset zen. Meine letzte Bitte ist, dass wir uns damit Zeit lassen, sonst gibt es nämlich im September eine Wahlkampfschlacht. Das hat der Naturschutz in Baden-Württemberg nicht verdient.
Vielen Dank, Herr Dr. Rapp. – Wie würden Sie aus forstfachlicher Sicht die Borkenkäferpro blematik sehen? Das ist ja eine der großen Ängste, die vor Ort herrschen.
Wenn ich das Gutachten zura te ziehe und berücksichtige, wie die entsprechenden Waldty pen nach dem Umbau aussehen sollen, dann sehe ich die Bor kenkäferproblematik nicht mit der Brisanz, wie sie oftmals dargestellt wird.
Frau Präsiden tin, meine Damen und Herren! Ich möchte eine kurze, vorläu fige Bilanz dieser Debatte ziehen.
Erstens: Es besteht zwischen den Oppositionsfraktionen ei nerseits und den Regierungsfraktionen und der Landesregie rung andererseits eine erhebliche Differenz in einer wichtigen Frage von nationaler Bedeutung, die nach unserer Kompetenz ordnung den Ländern zufällt. Hier räumen die Oppositions fraktionen regionalen Bürgerbefragungen ein Vetorecht ein. Das ist ganz eindeutig.
So, wie Sie es darstellen, haben Bürgervoten vor Ort das letz te Wort und entscheiden über den Prozess.
Gehen Sie nachher ans Rednerpult, und sagen Sie etwas an deres. Das war mein Ergebnis Ihrer Argumentation.
Die Regierungsfraktionen und die Landesregierung teilen die se Auffassung nicht. Wir räumen Bürgerumfragen vor Ort bei Entscheidungen, die wir zu fällen haben, keine Vetofunktion ein.
Zweitens: Meiner Auffassung nach ergibt sich dieser Unter schied aus Differenzen in der Sache. Wir messen einem Na tionalpark in einer nationalen, internationalen Naturschutz strategie eine große Bedeutung zu. Sie messen dem offensicht lich nicht diese Bedeutung zu.
Am deutlichsten hat dies der Kollege Rülke formuliert. Er hat gesagt: „Baden-Württemberg hat auch ohne Nationalpark gut geblüht.“
Das kann man nicht bestreiten. – Sie messen eben Natur schutzfragen gegenüber anderen Fragen eine höchst geringe Bedeutung zu. Anders kann man zu diesem Ergebnis gar nicht kommen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Mar kus Rösler GRÜNE: Antiumweltpartei! – Lebhafter Widerspruch bei der CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist unsäglich!)
Nationalparks, also großflächige Naturschutzgebiete, schüt zen bestimmte Artenspektren, die nur dort geschützt werden können.
(Abg. Peter Hauk und Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Ja! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU, auf Abg. Pe ter Hauk CDU zeigend: Er hat das Totholzkonzept eingeführt!)
Ob diese Arten für den wirtschaftlichen Erfolg von BadenWürttemberg bedeutend sind – etwa Totholz bewohnende In sekten –, kann man füglich in Zweifel ziehen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das Totholzkon zept gibt es schon! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU, auf Abg. Peter Hauk CDU zeigend: Das war er!)
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das Totholzkon zept gibt es schon lange im Wirtschaftswald!)
(Widerspruch bei der CDU – Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Was? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wo waren Sie die letzten Stunden? – Abg. Claus Schmie del SPD: Doch, vor Ort dagegen!)
Sie haben nicht klar erkennen lassen, ob Sie das in der Sache für richtig halten oder nicht. Sie haben sich lediglich auf die Position zurückgezogen: „Da das vor Ort abgelehnt wird, ma chen wir es nicht.“