Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Im angefragten Zeitraum, Herr Kollege Dr. Bullinger, wurde, auch öffentlich, immer wieder und zum Teil ausführlich über die Aktivitäten der „European White Knights of the Ku Klux Klan“ – EWK KKK – berichtet, die Ende des Jahres 2000 un ter Führung einer damals in Schwäbisch Hall wohnhaften Per son gegründet worden ist. Dieser Ableger bestand aus etwa 20 Mitgliedern, die aus Baden-Württemberg, aber auch aus sieben weiteren Bundesländern stammten. Wir haben es dis kutiert: Es waren leider auch zwei Polizeibeamte aus BadenWürttemberg darunter. Aber diese Sachverhalte haben wir, wie ich meine, umfänglich aufgeklärt und den zuständigen Ausschüssen zur Kenntnis gebracht. Wir haben aber auch ge genüber der Öffentlichkeit transparent über den Sachverhalt berichtet.

Die Zusammenhänge mit den EWK KKK waren bzw. sind auch noch Gegenstand des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zur Terrorgruppe Nationalsozialisti scher Untergrund und des bekannten Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof gegen Be ate Zschäpe und andere.

Hierzu ist festzustellen, dass nach den aktuell vorliegenden Informationen keine Bezüge des Nationalsozialistischen Un tergrunds zu den EWK KKK festgestellt werden konnten. Fer ner ist auch anzumerken, dass seit Ende des Jahres 2003 kei ne Aktivitäten der EWK KKK festgestellt werden konnten.

Es ist für die Sicherheitsbehörden unseres Landes aber auch nichts Ungewöhnliches, dass es immer wieder einmal Ver dachtshinweise gibt, sei es zu angeblichen Strukturen des KuKlux-Klan oder zu Personen, die mit dem Ku-Klux-Klan, et wa über einen entsprechenden Schriftzug als Tätowierung, in Verbindung gebracht werden. Diesen Hinweisen – so wie wir

sie denn haben und sie bei uns eingehen – gehen sowohl das Landesamt für Verfassungsschutz als auch das Landeskrimi nalamt im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten konse quent nach.

Als aktueller Hinweis kann verstanden werden, was in den zu rückliegenden Wochen berichtet worden ist, dass es beispiels weise eine Neuformierung des Ku-Klux-Klan im Raum Schwä bisch Hall geben solle. Der angeblich oberste Klan-Mann des deutschen Ablegers der UNSK KKK, der unter dem klangspe zifischen Pseudonym „Didi White“ fungiert, ist – das habe ich aber auch öffentlich wiederholt gesagt – den Sicherheitsbe hörden kein Unbekannter und steht in ihrem Fokus.

Im Zuge der intensiven Aufbereitung einzelner Prüfkomple xe im Zusammenhang mit dem Nationalsozialistischen Un tergrund im Land wird durch die Ermittlungsgruppe „Umfeld“ des Landeskriminalamts in enger Abstimmung mit dem Lan desamt für Verfassungsschutz auf polizeirechtlicher Basis jeg lichen Hinweisen auf rechtsextremistisches Potenzial konse quent nachgegangen – so auch diesem Hinweis.

Aus ermittlungstaktischen Gründen sind die Ermittler der Er mittlungsgruppe „Umfeld“ mit Blick auf den vorliegenden Prüfkomplex „Didi White“ im April dieses Jahres dann auf die genannte Person offen zugegangen und haben diese poli zeirechtlich befragt. Hieraus ergaben sich unspezifische Hin weise, wonach die Person namens „Didi White“ nach eigener Einlassung „unter zehn Personen“ zu seinem Klan-Ableger zählt. Inwieweit dieser Klan-Ableger mit dem genannten Per sonenpotenzial tatsächlich existiert, konnte bislang von den Sicherheitsbehörden noch nicht durch weitere Fakten bestä tigt oder belegt werden. Daher sollte auch nicht vorschnell von einer neuen Existenz ausgegangen werden. Ferner gab der Befragte auch an, zu keiner Zeit Verbindungen zu den EWK KKK – also zwölf bis 13 Jahre zurück – gehabt zu ha ben.

Aktuell liegen den Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse über zurechenbare einschlägige Aktivitäten in der Öffentlich keit bzw. entsprechende Straftaten von vermeintlichen Mit gliedern des in Rede stehenden vermeintlichen Klan-Ablegers vor.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen: Das Landes kriminalamt und das Landesamt für Verfassungsschutz arbei ten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten intensiv an der weiteren Erhellung dieses Sachverhalts.

Herr Kollege Bullinger, auf Ihre Frage, wie der umfassende Schutz der Bevölkerung bei möglichen Aktionen gewährleis tet werden könne, kann ich nur sagen, dass wir diesbezüglich keinen Grund zur Sorge sehen.

Eine Zusatzfrage. – Bit te schön, Herr Kollege.

Zunächst herzli chen Dank, Herr Minister, für die umfangreiche Antwort.

Herr Minister, habe ich Ihrer Antwort richtig entnommen, dass sowohl die Landesbehörden in Baden-Württemberg als auch die Behörden vor Ort gute und dienstlich korrekte Arbeit ge leistet haben?

Zweitens frage ich Sie, was die Presseberichterstattung an geht: Sind Sie mit mir der Meinung, dass überhaupt keine Not wendigkeit bestand, an die Öffentlichkeit zu gehen, wie es teilweise in Presseberichten deutlich wurde?

Davon, dass unsere Ermitt lungsbehörden – sowohl die des Verfassungsschutzes als auch die des Staatsschutzes unseres Landeskriminalamts, ebenso die vor Ort – gute Arbeit leisten, bin ich überzeugt.

Zu der Bemerkung, was Presseveröffentlichungen anbelangt: Ich habe angesichts der Tatsachen, die wir zur Kenntnis neh men mussten, tatsächlich auch Verständnis dafür. Ich will aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Es ist – insbe sondere bei Ermittlungen – nicht immer dienlich, aber dafür, dass veröffentlicht wird und auch Transparenz eingefordert wird, habe ich Verständnis. Die Landesregierung hat ja auch zugesagt, dass ein Höchstmaß an Transparenz bei der Aufklä rung gewährleistet werden soll. Wir werden Sachverhalte, so sie denn in irgendeiner Form vertretbar transparent gemacht werden können, auch transparent machen, wie man an der Un tersuchung beispielsweise der Mitwirkung von Polizeibeam ten an den damaligen EWK KKK deutlich sehen kann. Wir klären Sachverhalte auf und machen sie transparent, um in der Tat verloren gegangenes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zurückzugewinnen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Vielen Dank!)

Herzlichen Dank. Damit ist diese Mündliche Anfrage erledigt.

Somit ist auch Tagesordnungspunkt 5 – Fragestunde – erle digt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Unterbringungsgesetzes und des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg – Drucksache 15/3408

Das Wort zur Begründung erteile ich Frau Ministerin Altpe ter.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Ich bin froh, dass ich Ihnen heute nach einem intensiven Prozess der Anhörung von Bürgerinnen und Bürgern, von Experten und von Betroffenen den Entwurf zur Neuregelung einer notwendigen Zwangsbehandlung im Un terbringungsrecht vorstellen kann. Diese neue gesetzliche Re gelung musste geschaffen werden, nachdem das Bundesver fassungsgericht im Oktober 2011 die bisherige Rechtsgrund lage in § 8 des Unterbringungsgesetzes für verfassungswid rig erklärt hat.

Bereits zuvor hatte es im März 2011 die Rechtsgrundlage zur Zwangsbehandlung in Rheinland-Pfalz für verfassungswidrig erklärt und mittlerweile im Februar 2013 auch die sächsische Rechtsgrundlage.

Dies bedeutet, dass es sich nicht um eine rein baden-württem bergische Problematik handelt, sondern dass inzwischen vie le Bundesländer an entsprechenden Regelungen arbeiten. Ba

den-Württemberg ist jedoch das erste Bundesland, das heute eine entsprechende Regelung in den Landtag einbringt.

Nachdem die bisherige Regelung für verfassungswidrig er klärt worden ist, gibt es für die psychiatrischen Krankenhäu ser, in denen die gerichtlichen Unterbringungen und auch der Maßregelvollzug vollzogen werden, keine ausdrückliche ge setzliche Möglichkeit, Patienten zwangsweise zu behandeln. Nur in ganz schwerwiegenden Fällen, in denen tatsächlich das Leben des Patienten auf dem Spiel steht, kann derzeit gege benenfalls unter den Voraussetzungen eines gesetzlichen Not stands behandelt werden.

Dies stellt für Ärzte eine große Belastung dar und stellt im mer auch eine rechtliche Grauzone dar. Die Folge davon ist, dass im Moment Fixierungen und Isolierungen, wenn sie un vermeidbar werden, ohne begleitende medikamentöse Be handlung durchgeführt werden und oft von den Betroffenen als unerträglich empfunden werden. Das stellt auch für den behandelnden oder, besser gesagt, den nicht behandelnden Arzt eine Situation am Rande des Erträglichen dar. Ich den ke, aus dieser Schilderung wird klar, wie dringend der Hand lungsbedarf war, dem wir jetzt mit dem Gesetzentwurf nach kommen.

Die vorgelegte Neuregelung des § 8 orientiert sich ganz eng an den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulassung einer Zwangsmedikation aufgestellt hat. Demnach ist eine Behandlung grundsätzlich nur mit der Einwilligung des untergebrachten Patienten möglich.

Eine Zwangsbehandlung gegen den Willen des Untergebrach ten gibt es nur in Ausnahmefällen. Dem Patienten muss krank heitsbedingt die Fähigkeit zur Einsicht in seine Krankheit und in ihre Behandlungsmöglichkeiten fehlen. Hinzu kommen muss eine Selbstgefährdung des Patienten oder die Unmög lichkeit, ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung ohne Behandlung zu führen. Die Regelung unterstreicht die Frei heit und das Selbstbestimmungsrecht des untergebrachten Pa tienten.

Bei akuter Fremdgefährdung bedarf es nicht des krankheits bedingten Fehlens der Einsichtsfähigkeit.

Zunächst muss der Arzt, der eine Zwangsbehandlung als not wendig erachtet, alle Anforderungen des Verhältnismäßig keitsprinzips beachten. Hier spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob nicht auch ein milderes Mittel als eine Zwangsme dikation zum Einsatz kommen könnte. Dies muss zuerst ge prüft werden. Außerdem muss der Wille des Patienten beach tet werden, wenn er eine wirksame Patientenverfügung nie dergelegt hat.

Hat er in seiner Patientenverfügung verfügt, dass im Falle sei ner krankheitsbedingten Einsichtsunfähigkeit keine Zwangs medikation erfolgen darf, ist die Einrichtung hieran gebun den. Dann darf eine Zwangsmedikation nicht erfolgen. Der Patient erfährt dann nur Schutz durch etwaige Fixierungs- und Isolierungsmaßnahmen.

Ist die Zwangsmedikation jedoch nicht durch eine Patienten verfügung ausgeschlossen und ist sie verhältnismäßig, so hat der Arzt den Patienten als weitere Voraussetzung für die Be handlung entsprechend aufzuklären. Bleibt der Patient bei sei

ner Weigerung, hat die Einrichtung, also das psychiatrische Krankenhaus, bei Gericht einen Antrag auf Zustimmung zur Zwangsbehandlung zu stellen. Das Gericht hat dann zwingend ein Gutachten bei einem psychiatrischen Sachverständigen einzuholen. Damit wird deutlich, dass die Zwangsbehandlung von vornherein unter richterlicher Aufsicht steht.

Diesen Richtervorbehalt, der mir persönlich auch sehr wich tig war, haben wir gewählt, da er unserer Meinung nach dem hohen Rechtsgut des Selbstbestimmungsrechts psychisch kran ker Menschen angemessen ist, denn wir greifen hier nicht zu letzt in wichtige Rechtsgüter ein. In den gesetzlich geregelten Fällen ist der Eingriff zwar nicht zu vermeiden, aber er muss dann unter strengen Voraussetzungen erfolgen.

Ich denke, die Einschaltung von unabhängigen Gerichten si chert hier eine größtmögliche Neutralität. Diesen Weg hat auch der Bund im Bundesrecht gewählt. Es ist nur gut und richtig, im Landesrecht das gleiche Verfahren zu wählen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben es heute mit der Änderung eines Paragrafen im Unterbringungsrecht zu tun. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen noch einen kurzen Ausblick geben. Zurzeit arbeiten wir an einem neuen Gesetz, dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, um die Rech te und die Hilfen für psychisch kranke Menschen umfassend zu regeln.

Die Regelung zur Zwangsbehandlung wird schlussendlich in dieses neue Gesetz eingebettet sein und nicht isoliert im Raum stehen. Denn im neuen Gesetz sind vielfältige Hilfen vorge sehen, die dann von konkreten Stellen vor Ort geleistet wer den. Als Beispiel nenne ich die gemeindenahe Versorgung durch Sozialpsychiatrische Dienste, deren Arbeit wir gestärkt haben. Sie tragen dazu bei, Krisen im Vorfeld zu entschärfen und mit Krisen entsprechend umzugehen.

Ich bin mir sicher, dass die heute vorgelegte Regelung in § 8 des Unterbringungsgesetzes damit zweierlei bewirkt. Zum ei nen wird in Zukunft angesichts der hohen Hürden des Geset zes von der Zwangsbehandlung in weitaus geringerem Um fang als bisher Gebrauch gemacht werden. Zum anderen stellt das Gesetz sicher, dass eine Zwangsbehandlung, wenn sie not wendig werden sollte, nur unter größtmöglicher Wahrung der Patientenautonomie durchgeführt werden kann.

Ich bitte Sie, dem Gesetz im Gesetzgebungsverfahren zuzu stimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Teufel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfas sungsgericht hat die bisherige Grundlage für Zwangsbehand lungen in Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt. Nach anderthalb Jahren ist es der Landesregierung nun gelun gen, eine Neuregelung einzubringen.

Zwangsmedikation ist ein grundlegender Eingriff in die Per sönlichkeitsrechte der Patienten. Deshalb darf die Zwangsme dikation nur in engen Grenzen und unter Einhaltung der ver fassungsrechtlichen Vorgaben durchgeführt werden. Die vom Bundesverfassungsgericht kritisierten Mängel sind bei der Neuregelung berücksichtigt worden.

Für die CDU-Landtagsfraktion sind in dieser gesetzlichen Neuregelung fünf Punkte wichtig: erstens die Verhältnismä ßigkeitsprüfung, zweitens die Aufklärungs- und Informations pflicht gegenüber den Patienten, drittens die umfassende Do kumentationspflicht, viertens die Konkretisierung der Voraus setzungen für die Zwangsbehandlung – insbesondere die Ab wehr der Gefahren für die betroffene Person, die Wiederher stellung der Fähigkeit, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu führen, und die Abwehr von Gefahren gegenüber Dritten – und fünftens der Richtervorbehalt zur Gewährleistung einer unabhängigen Instanz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU-Landtags fraktion wird diesem Gesetz zustimmen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)