Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

dass eine Windkraftanlage einen Abstand zu bewohntem Ge biet von 800 m haben soll, aber zum Rotmilan einen Abstand von 1 000 m? Dass da die Leute Sturm laufen, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Das ist doch ganz normal.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Glück, bitte kommen Sie zum Ende, sonst laufe ich Sturm.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall)

Ich bin zutiefst beeindruckt, Herr Präsident. Ich komme zum Ende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage hier ganz klar: Wir beurteilen Sie nicht anhand Ihrer Worte, egal, wie viele geschrieben sind oder wie viele gesagt sind. Wir werden Sie an Ihren Taten messen. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich das Wort Frau Staatssekretärin Dr. Splett.

Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich in die De tails einsteige, möchte ich noch einmal den Hintergrund be leuchten, auch wenn wir uns – diesen Eindruck hatte ich in der Debatte – da weitgehend einig sind.

Die Menschheit steht angesichts des Klimawandels vor riesi gen Herausforderungen. Die negativen Auswirkungen des Kli mawandels sind in vielen Regionen dieser Erde deutlich spür bar. Unzählige Menschen sind in lebensbedrohlicher Weise betroffen. Deren Zahl wird noch steigen. Verursacher sind die Industrienationen mit ihrem hohen CO2-Ausstoß, insbesonde re in den Bereichen Energieerzeugung und Mobilität.

Klar ist auch: Die Preise für fossile Energieträger werden stei gen, die Vorräte sind endlich, die globale Nachfrage steigt. Es macht deshalb auch ökonomisch Sinn, sich von fossilen Ener gieträgern unabhängig zu machen. Da gibt es die Möglichkeit der Energieeinsparung, und hierüber sollten wir meines Er achtens noch öfter reden. Aber klar ist auch: Wir müssen un seren Energiebedarf auch zukünftig decken können. Insofern brauchen wir einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Ener gien, um CO2-Emissionen zu vermeiden und um wirtschaft lich unabhängiger von Importen fossiler Energieträger zu wer den.

Im Übrigen halte ich es weder für modern noch für zukunfts fähig, wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck in weit ent fernte Regionen exportieren. Wir haben dreckige Produktio nen ins Ausland verlagert und schönen dadurch unsere CO2Bilanzen. Unsere konventionelle Energieversorgung geht mit Umweltschäden in den Förder- und Transportländern einher.

Klar ist – da sind wir uns einig –: Wir müssen umsteuern. Dass wir unsere heimischen Energieerzeugungspotenziale nutzen müssen, liegt auf der Hand. Dass wir beim Wind noch große ungenutzte Potenziale haben, zeigt der Vergleich mit den be nachbarten Bundesländern. Dieser Vergleich macht im Übri gen auch deutlich, Herr Groh, dass es die Vorgängerregierung war, die hier blockiert hat, und zwar über viele Jahre hinweg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dass das Umsteuern und die dazu notwendigen Planungspro zesse Zeit brauchen, ist nicht überraschend. Auch dass nicht überall Windräder gebaut werden können, sondern die Stand ortsuche ein komplexer Prozess ist, dürfte eigentlich nieman den überraschen. Denn es geht eben nicht um ein Entwederoder – Naturschutz oder Windkraftnutzung –, sondern es be darf einer guten und gründlichen Abwägung, um beides mit einander zu verbinden.

(Abg. Manfred Groh CDU: Sie machen aber gerade das Gegenteil!)

Wir haben den Kommunen die Möglichkeit zur Planung ge geben. Wir halten dies weiterhin für richtig. Wir haben den Kommunen auch Hilfestellung gegeben. Es gibt Kompetenz zentren, es gibt Hinweispapiere, es gibt Karten. Diese Instru mente werden von den Kommunen genutzt.

Verzögerungen ergeben sich, weil die Vorgängerregierung es versäumt hat, notwendige Planungsgrundlagen, z. B. im Be reich Artenschutz, zu erstellen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja, ja, die alte Leier, Frau Dr. Splett!)

Der Artenschutz war Ihnen nämlich schon damals nicht wich tig. Sie beklagen Verzögerungen, die Sie selbst produziert ha ben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Zwei Jahre, zwei Vegetati onsperioden haben Sie Zeit gehabt!)

Die Planungsträger hingegen arbeiten intensiv an der Wind kraftplanung. Auf regionaler Ebene haben sämtliche Regio nalverbände einen Aufstellungsbeschluss gefasst. Derzeit wer den insgesamt 423 Suchräume als potenzielle regionalplane rische Vorranggebiete erwogen; hier hätten schätzungsweise 1 000 Windenergieanlagen Platz. Hinzu kommen die Planun gen auf kommunaler Ebene. 240 von 383 Planungsträgern ha ben Aufstellungsbeschlüsse für Flächennutzungspläne zur Steuerung der Windkraft.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Nemeth?

Ja, gern.

Bitte, Herr Abgeordne ter.

Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass die Vorgängerregierungen keinerlei Vorarbeiten für den Artenschutz geleistet hätten. Erstens einmal stimmt das nicht.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zweitens: Sie sind jetzt seit zwei Jahren im Amt. Wie viele Jahre benötigen Sie noch, damit die Landratsämter die richti gen Vorgaben für den Artenschutz erhalten? Brauchen Sie noch einmal zwei Jahre, oder schaffen Sie es schneller? An ders gefragt: Seit wann arbeiten Sie denn daran?

Wir arbeiten seit zwei Jahren an dieser Thematik. Wir mussten das Landesplanungs gesetz ändern. Wir arbeiten daran, dass Planungsgrundlagen erstellt werden, dass Daten erhoben werden. Das geht logi scherweise nur in bestimmten Jahreszeiten; das geht auch nicht überall und an allen Stellen gleichzeitig. Aber es wird daran gearbeitet, und wir kommen voran. Wir haben Hinweis papiere erstellt.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Röhm?

Ja, ja.

Ich frage nur. Sie ent scheiden es.

Ich lasse die Frage gern am Ende zu, sofern dann noch Zeit ist.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir können es gern am Schluss machen! Ich vergesse meine Frage nicht!)

Also am Ende.

Die Kommunen planen, aber sie müssen nicht planen; sie dürfen planen. Außerdem gibt es Anträge und Voranfragen für insgesamt mehr als 300 Anlagen. Auch die bei der EnBW Regional AG eingegange nen Anfragen und Anträge auf Einspeisung von Windkraft strom stimmen uns bezüglich des Erreichens unserer Ausbau ziele optimistisch.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Notwendigkeit des Windenergieausbaus liegt also klar auf der Hand. Warum gibt es dann Debatten vor Ort? Warum gibt es Bürgerinitiativen gegen Windkraftnutzung?

Erstens: Dass über geeignete Windenergiestandorte und die Energiewende allgemein vor Ort debattiert wird, ist gut und richtig. Es liegt in der Konstruktion unseres Landesplanungs gesetzes, dass die Kommunen selbst planen können. Jetzt wer den dort auch Diskussionen hierüber geführt.

Zweitens: In einem Land, in dem die CDU-geführte Landes regierung über Jahrzehnte hinweg vor der „Verspargelung“ der Landschaft gewarnt hat, ist nicht zu erwarten, dass mit dem Regierungswechsel und der Änderung der rechtlichen Planungsgrundlagen alle Widerstände und Bedenken wegge blasen werden. Es ist klar und war zu erwarten, dass es Wi derstände gibt.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Über zwei Jahre!)

Drittens: Es gibt Befürchtungen bezüglich der von Windrä dern ausgehenden Wirkungen, und es gibt den Wunsch, das Bestehende zu bewahren, inklusive des gewohnten Land schaftsbilds. Befürchtungen kann man mit Argumenten be gegnen. Dazu haben wir Informationen und Argumente zu sammengestellt. Aber es wird auch mit guten Argumenten nicht in jedem Fall und bei jedem gelingen, Befürchtungen auszuräumen. Der Wunsch, Landschaftsbilder zu bewahren, ist nachvollziehbar.

Aber wenn man die Alternative bedenkt – Stichworte Klima wandel und Atomkraft –, ist es eine Frage der Abwägung. Dann muss man bestimmte Veränderungen akzeptieren bzw. mittragen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Im Übrigen treten Akzeptanzprobleme dann auf, wenn es kon kret wird. Das hat mit den Details des Planungsgesetzes we nig zu tun.

(Zurufe von der CDU)

In der Begründung Ihres Antrags heißt es:

Die CDU-Landtagsfraktion bekennt sich zur Energiewen de.

(Zurufe von der CDU: Ja! – Aber sicher!)