Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

sei nicht hinnehmbar, dass die Lebensqualität in den Städ ten stark eingeschränkt und das Problem mit herkömmli chen Mitteln nicht mehr in den Griff zu bekommen sei.

Ich bin bekanntlich nicht oft einer Meinung mit Boris Palmer. Aber in diesem Fall hat er schlicht und einfach recht.

Ihre Fraktionsvorsitzende Frau Sitzmann hat es erfreulicher weise auch so gesehen. Sie hat nach dem Urteil des Verwal tungsgerichtshofs im Jahr 2009 ausdrücklich erklärt:

Der Landesgesetzgeber muss nun reagieren..., damit Kommunen... in städtischen Brennpunkten mit einem Al koholverbot der Gewalt aufgrund übermäßigen Alkohol konsums begegnen können.

Ich schlage vor, verehrte Frau Sitzmann: Wir machen das so. Das sieht nach einer breiten Mehrheit aus. Der Gesetzentwurf liegt vor.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir machen nichts oh ne die FDP/DVP! – Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Bitte ins Proto koll!)

Da könnten Sie jetzt von uns lernen. Bei uns hat sich etwas geändert.

Der Gesetzentwurf der CDU ist die richtige, die angemesse ne Antwort, um den Bürgerinnen und Bürgern in den Städten in Baden-Württemberg an lauen Sommerabenden – vielleicht auch an kühleren – wieder mehr Lebensqualität zu verschaf fen und das Wohnen und Leben in baden-württembergischen Innenstädten wieder attraktiver zu gestalten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit in der ersten Run de.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Herr Blenke, Sie sind mir schon ein lustiger Kollege. Sie hatten alle Zeit der Welt, dieses Problem anzugehen. Auch wenn man sich in einer Koalition über eine Änderung des Po lizeigesetzes nicht einigt, hat man ein breites Feld von Mög lichkeiten, um den Kommunen zu helfen. Nichts haben Sie in den zwei Jahren seit dem Urteil des VGH gemacht: Fehlan zeige! Ich glaube, das sind schlechte Voraussetzungen, um sich als besorgter Abgeordneter hier hinzustellen und die neue Landesregierung aufzufordern, dies jetzt endlich einmal zu regeln, was man selbst nicht hatte regeln können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Wir handeln im Unterschied zu Ihnen!)

Sie handeln mit einem erbärmlich schlechten Gesetzentwurf. Ich werde Ihnen noch sagen, warum das so ist.

Über das Alkoholproblem brauchen wir nicht zu streiten; wir haben es. Wir haben es selbstverständlich in den Kommunen, wenn auch nicht in allen. Herr Blenke, wenn Sie redlich sind, müssen Sie zugeben, dass es nicht ganz so dramatisch ist, wie Sie es beschrieben haben, nämlich dass die Städte quasi an den Wochenenden allnächtlich, wenn die Temperaturen mit machen, am Rande des Bürgerkriegs oder der Unregierbarkeit stünden. So ist es nicht.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das hat er auch nicht gesagt!)

Wir haben sehr unterschiedliche Situationen. Es gibt auch kommunale Initiativen, wo Deeskalation betrieben wird, wo Prävention stattfindet, wo mit jungen Menschen, die in erster Linie davon betroffen sind, geredet wird, auf sie eingewirkt wird. Auch Freiburg mit einer ganz sicher zugespitzten inner städtischen Situation am berühmt-berüchtigten „Bermuda dreieck“ vermeldet in diesem Zusammenhang immer wieder Entspannung durch rechtzeitiges Einwirken.

(Beifall bei den Grünen)

Machen wir uns nichts vor: Die öffentlichen Treffen mit Mas senbesäufnissen, Komasaufen und was auch immer sehen auch wir nicht gern. Das ist überhaupt keine Frage. Da gibt es keine Toleranz, auch wenn es eine neue Jugendkultur ist. Wenn daraus Gesundheitsschädigungen gegenüber sich selbst oder Körperverletzung und Bedrohung gegenüber anderen er folgen, ist das nicht akzeptabel. Darin sind wir uns restlos ei nig.

Aber wir müssen eine ehrliche Debatte führen. Gerade jetzt in den Sommermonaten findet das Gleiche im offiziellen Rah men statt, auf den Volksfesten. Auch da wird bis zur Besin nungslosigkeit getrunken.

(Beifall bei den Grünen)

Auch da gibt es diese Exzesse. Da gibt es Schlägereien. Da muss die Polizei kommen. Aber kulturell ist das bisher ein ak zeptiertes Ritual. Wenn es aber Jugendliche machen, ist es ein Verbrechen und ist es höchst bekämpfungswürdig.

Wenn wir also sagen, massenhafter Alkoholkonsum müsse eingedämmt werden, dann haben wir eine gemeinsame Ver pflichtung, dies in der ganzen Breite durchzusetzen. Dazu möchte ich Sie ausdrücklich einladen. Wir werden uns dem Problem stellen. Wir wollen den Kommunen helfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Wir wollen keine Links- oder Rechtskoalition: Wer ist dafür, wer ist dagegen? Die FDP/DVP hatte in der letzten Legisla turperiode gute Gründe, sich dem weit über das Ziel hinaus schießenden Ansinnen der CDU zu widersetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Deshalb werden wir den Kommunen ganz pragmatisch hel fen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Sie dürfen von uns erwarten, dass wir die Präventionsbemü hungen verstärken. Das gehört dazu und ist ganz wichtig. Wir müssen mit der Landesregierung darüber reden, wie wir ein umfassendes Präventionsprogramm gerade für junge Men schen finanziell realisieren können. Wir müssen auch schau en, welche Kommunen sich dafür anbieten. Wir wollen, dass in den Szenetreffs Streetworker und andere unterwegs sind, die mit jungen Leuten über die Gefahren dieses massiven Al koholkonsums reden und sie möglichst davon abhalten.

Wir wollen die Erwerbbarkeit von Alkohol deutlich einschrän ken. Neuestes Beispiel – daran sieht man, wie es funktioniert – ist: In der Stadt Mannheim wurden im städtischen Auftrag Testkäufe durchgeführt. Die Stadt Mannheim stellt im Ergeb nis fest, dass 51 % der Jugendlichen unter 16 Jahren völlig problemlos in Supermärkten und über andere Bezugsquellen an härteste Alkoholika gekommen sind. Da haben wir ein Pro blem. Dieses Problem müssen wir angehen, und wir wollen es angehen.

Zum Schluss geht es um die Orte, wo dies stattfindet. Da hat die Polizei mitunter Probleme; überhaupt gar keine Frage. Wir werden uns das polizeiliche Instrumentarium sehr genau an schauen und schauen, wie wir es verbessern können, damit es unter Umständen niedrigere Eingriffsschwellen und bessere Möglichkeiten gibt, um Exzesse, Körperverletzungen, öffent liche Ruhestörungen und Ähnliches zu unterbinden.

Das wollen wir machen. Wir werden daraus ein Programm machen, das wirken soll. Wir werden es dann auswerten und schauen, was es im Ergebnis gebracht hat. Je nachdem, wie dieses Ergebnis aussehen wird, muss und kann entschieden

werden, welche Rolle Prävention spielt und welche Rolle Re pression spielt. Repression wird von unserer Seite nicht aus geschlossen, aber sie steht nicht im Zentrum der Bemühun gen, den Alkoholismus bei Jugendlichen einzudämmen. Im Zentrum steht vielmehr ausdrücklich die Prävention.

Herr Blenke, wenn Sie anderer Meinung sind, dann müsste wenigstens Ihr Gesetzentwurf konkret sein. Er müsste wenigs tens den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofs BadenWürttemberg genügen. Das tut er nicht. Die Verhältnismäßig keit haben Sie nicht geprüft. Die Eingriffe in die Freiheit, die Sie vornehmen wollen, sind sehr weitreichend und entspre chen nicht den Grundsätzen, die der Verwaltungsgerichtshof aufgestellt hat. Da haben Sie einfach handwerklich schlecht gearbeitet.

Ihr Gesetzentwurf atmet nur den Geist, Zwietracht in die Ko alition zu bringen. Das ist das einzige Motiv, das Sie haben. Das wird Ihnen aber nicht gelingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Abg. Sakellariou.

(Zurufe der Abg. Volker Schebesta und Karl Zimmer mann CDU)

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Es ist beschrieben worden, dass es ein ernsthaftes Pro blem gibt, und zwar nicht nur was den Alkoholkonsum an geht, sondern auch was Straftaten betrifft. Wir reden hier von ernsthaften Straftaten.

Mich hat eine Zahl geschockt. Dies war auch der Anlass, wa rum ich mich diesem Thema letztlich intensiv gewidmet ha be. Während im Jahr 1996 in Freiburg und schwerpunktmä ßig in diesem „Bermudadreieck“ noch 1 002 Delikte der schweren Körperverletzung begangen wurden, waren es im Jahr 2008 schon 2 740. Es gab also nahezu eine Verdreifa chung der Zahl schwerster Gewalttaten. Das zeigt, dass wir es hier wirklich mit einem ernsthaften Problem zu tun haben.

Es geht nicht nur um Gewalt. Es geht auch um sexuelle Über griffe.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist auch Gewalt!)

Es geht auch um schwerste Beleidigungen. Immer sind die Täter auch Opfer, nämlich Opfer von massivem Alkoholkon sum. Es gibt auch – ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass wir gestern über die Situation der Polizeibeamten gespro chen haben – erhebliche Widerstandshandlungen gegen Poli zeibeamte. Das ist die Ausgangslage, deretwegen wir uns hier mit diesem Thema befassen müssen.

Eine Studie der Suchthilfe Freiburg weist den Zusammenhang auf. Demnach waren 90 % der Beteiligten an einer Schläge rei – sowohl Täter als auch Opfer – massiv alkoholisiert. 90 %! Ein Zusammenhang zwischen Gewalt, sexuellen Über griffen und Widerstandshandlungen einerseits und Alkohol konsum andererseits ist also gegeben. Alkohol ist in dieser Si tuation der „Brandbeschleuniger“.

Jetzt gibt es zwei Lösungsansätze. Der eine Lösungsansatz ist die Prävention, ist der Jugendschutz. Der Jugendschutz, also Maßnahmen, die verhindern, dass Jugendliche an Alkohol kommen, ist ein Teil, wohl wahr. Die Mitglieder der Haupt gruppe sind jedoch über 16 Jahre alt, sind zwischen 18 und 20 Jahre alt. Das heißt, diese Personen werden durch solche Maßnahmen wie Platzverweise und Hausverbote gar nicht er reicht.

Die zweite Lösungsmöglichkeit ist die, die Sie vorschlagen, nämlich darauf mit einem Alkoholkonsumverbot auf öffent lichen Plätzen zu reagieren. Die SPD-Fraktion war in der ver gangenen Legislaturperiode der Meinung, dass dieses Instru ment das richtige sei. Auch in Gesprächen, die ich geführt ha be, haben sich – das räume ich ein – alle Polizeibeamten, Po lizeigewerkschaften und Kommunen ein solches zusätzliches Instrument gewünscht. Das muss ich konstatieren.

(Zurufe der Abg. Karl Zimmermann und Dieter Hil lebrand CDU – Gegenruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Ich stelle aber fest, dass wir uns in der Koalition einen ande ren Fahrplan gegeben haben. Wir haben uns den Fahrplan ge geben, zunächst einmal all das, was wir an zusätzlichen Mög lichkeiten im bestehenden gesetzlichen Rahmen haben, aus zunutzen und auch in einem Pilotprogramm zu überprüfen. Allerdings müssen diese Maßnahmen dann auch den Ergeb nissen standhalten, die in Freiburg zu konstatieren waren, nachdem dort eine gewisse Zeit lang ein Alkoholverbot ge golten hat.

Ich möchte auch wissen: Erzielen diese Maßnahmen, die dort neben dem Alkoholkonsumverbot ergriffen wurden, auch die selben Effekte? In Freiburg hatte das Alkoholkonsumverbot dazu geführt, dass die Anzahl von Straftaten immerhin um 16 bis 25 % gesenkt worden ist. Wenn es mit einem Verbot ge lingt, ist es umso besser.

Nun ganz konkret zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. Es ist gesagt worden: Aus unserer Sicht geht dieser Gesetzent wurf zu weit, weil er schon das bloße Mitführen von Alkohol sanktioniert. Aber er kommt auch zum falschen Zeitpunkt. Herr Blenke, ich darf einmal – mit Erlaubnis des Präsidenten – zitieren...