Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Landwirtschaftsminister Bonde das Wort.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Minister für ländli chen Raum! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Minister für ländlichen Raum, Landwirtschaft und Forst!)

Wenn ich alle Titel, die die Minister dieser Regierung ha ben, aufzähle, bleibt nur noch die Hälfte der Zeit für Debat ten. Deswegen verkürze ich es.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Solange sie noch einen Titel haben! – Abg. Volker Schebesta CDU: Wer hat denn den Koalitionsvertrag unter schrieben? Sag mal!)

Bitte, Herr Minister Bonde.

Herzlichen Dank für die Frage, die am Rande mit dem angemeldeten Thema „Wald in Baden-Würt temberg“ zusammenhängt.

(Zurufe)

Die Landesregierung hat das Gesetz für die Einrichtung des Nationalparks Schwarzwald am vergangenen Dienstag zur Anhörung freigegeben. Das heißt, in den nächsten acht Wo chen haben die Verbände, kommunale Gliederungen und die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich zu diesem Ge setzentwurf zu äußern.

Der Gesetzentwurf regelt die konkrete Kulisse des National parks, also die Fläche, auf der ein Nationalpark – wenn das Parlament das Gesetz am Ende des Prozesses verabschiedet – entsteht, und regelt den rechtlichen Rahmen des National parks, also das, was alles in diesem Nationalpark passiert. Es

bekennt sich zu den Aufgabenstellungen, die ein Großschutz gebiet dieser Art hat – im Naturschutz, in der Naturpädago gik, aber auch im Bereich der Forschung und der Regional entwicklung. Der Gesetzentwurf, der all das regelt, liegt jetzt zur Anhörung vor.

Am Ende des Anhörungsprozesses – wie gesagt: ein Prozess von acht Wochen, der über das Beteiligungsportal der Lan desregierung auch allen Bürgerinnen und Bürgern offensteht – stehen dann die Auswertung durch das Ministerium und ei ne erneute Befassung des Kabinetts, bevor der Gesetzentwurf dann Ihnen vorgelegt wird.

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei laufenden Beratun gen über einen Nachtragshaushalt die Klärung so einer Frage in einer genauen Abbildung durch die Beratung des Nach tragshaushalts stattfindet. Wir haben im gesamten Prozess be züglich des Nationalparks immer deutlich gemacht, dass so ein Großschutzgebiet natürlich einer Investition bedarf. Wir sind über zwei Jahre mit der Kostenschätzung immer davon ausgegangen, dass wir im Vergleich zu anderen Nationalpar ken Mehrkosten von etwa 5 bis 8 Millionen € haben. Zum Ver gleich: Diese Mehrkosten lägen dann unterhalb dessen, was für die Landesanstalt für Schweinezucht in Boxberg im Haus halt des Landes Baden-Württemberg veranschlagt ist. Weil Sie eben von einem Großprojekt gesprochen haben, muss man da auch einmal die Dimension genauer im Auge behalten und sich an den Realitäten orientieren.

Selbstverständlich müssen die entsprechenden Kalkulationen vorliegen, wenn Sie, das Parlament und der Haushaltsge setzgeber, über den Gesetzentwurf beraten. Da jetzt die Kulis se feststeht, sind wir in dem Prozess, die Kostenstruktur noch einmal auch in Abstimmung mit dem Finanz- und Wirtschafts ministerium konkret zu fassen.

Aber es gelten die Aufgabenbeschreibung und das klare Be kenntnis der Landesregierung, dass diese Landeseinrichtung Nationalpark vom Land nicht nur finanziert, sondern adäquat finanziert werden muss, dass sie auch das Personal, das zur Verfügung steht, die Aufgabenstellungen, die der National park erfüllt, die im Gesetz beschrieben sind, entsprechend un terlegt. Diese Zusage gilt. Selbstverständlich werden Sie, das Parlament, wenn Ihnen dann nach der Anhörung und der er neuten Befassung des Kabinetts der Entwurf zugeleitet wird, hier auch eine klare Kostenvorstellung und eine entsprechen de Abbildung im Vorschlag für den Nachtragshaushalt haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Vielen Dank, Herr Mi nister. – Damit ist die Regierungsbefragung beendet und Ta gesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Wertigkeit regionaler Dachmarken erforschen und ent wickeln – Drucksache 15/2410 (geänderte Fassung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion darf ich Herrn Abg. Locherer das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl der Antrag schon einige Wochen alt ist, hat er nicht an Aktualität verloren. Ich hätte mir gedacht, sehr geehrter Herr Minister, dass die Re gierung die Zeit seit der Antragstellung im letzten Jahr genutzt hätte, mehr für die Entwicklung regionaler Dachmarken und der Regionalität zu tun. Aber hier herrscht Fehlanzeige; das werde ich Ihnen in meinem Redebeitrag gleich darstellen.

Ein herzliches Dankeschön richte ich an Herrn Staatssekretär Rust, der gerade im Rahmen der Regierungsbefragung auf ei nes richtigerweise hingewiesen hat. Die Stärke unseres Lan des, meine Damen und Herren, liegt tatsächlich in der Dezen tralität und in der Regionalität. Nehmen wir Regionen unse res Landes: Der Schwarzwald insgesamt, der Bodensee, Ober schwaben, die Schwäbische Alb, Hohenlohe, aber auch die Weinregionen unseres Landes und natürlich auch – das sage ich als Vertreter dieser Region – das württembergische Allgäu sind zu nennen. Jede Region und ihre Landschaft sind einzig artig und verdienen es, in dieser Einzigartigkeit herausgestellt zu werden.

Tatsächlich – das zeigen Beispiele – werden durch die Ent wicklung regionaler Dachmarken zwei Ziele erreicht. Im In neren – das ist sehr wichtig, und das haben wir in der poli tischen Diskussion so miteinander herausgearbeitet – ist es erstens die Orientierung an Nachhaltigkeitskriterien. Sekto renübergreifend sind es Ziele in der Ökonomie, in der Ökolo gie und auch – siehe Dachmarke Allgäu – im Sozialbereich. Es ist also wichtig, zu betonen, dass es sich nicht nur um ei nen Aufkleber fürs Auto handelt – einen „Bäbber“, um es auf Schwäbisch zu sagen –, sondern um ein Instrument, um er folgreich Werbung und Marketing zu betreiben.

Zweitens ist es die beschriebene Außenwirkung. Als Stich worte nenne ich Markenpartnerschaft, Marketing für die Landwirtschaft, Tourismus und – Herr Minister, das wird möglicherweise im Nordschwarzwald eine Rolle spielen – Na turschutz. Diese Sektoren sind übrigens dann je nach Region und Leistung erweiterbar auf Handwerk, Dienstleistungen und Kultur.

Meine Damen und Herren, diese Dachmarken und die Regi onalentwicklung haben zwei wichtige Effekte. Zum einen ist es Sicherheit. Denn Regionalität – das sage ich hier ohne Ein schränkungen – steht auch für Verbraucherschutz und gegen Verbrauchertäuschung.

Zum anderen geht es darum, durch Regionalität etwas für die regionale Erzeugung von Lebensmitteln, für den Tourismus und den Naturschutz zu tun, um den ländlichen Raum insge samt zu stärken. Auch das ist eine Botschaft an die Verbrau cherinnen und Verbraucher. Meine Damen und Herren, neh men Sie zur Kenntnis, dass auch aufgrund von Niedrigpreis politik im Lebensmittelbereich jährlich 1 500 bis 2 000 Le bensmitteleinzelhandelsgeschäfte in Deutschland aufgegeben werden. Das hat teilweise auch damit zu tun, dass Menschen oft Billigangeboten von Discountern nachlaufen und nicht auf Regionalität und Qualität setzen. Deshalb bedeutet Regiona lität Qualität, und Qualität, meine Damen und Herren, hat ih ren Preis.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut!)

Nun, die grün-rote Landesregierung hat sich Nachhaltigkeit und Regionalität auf die Fahne geschrieben. Insofern ist die Frage erlaubt: Was hat sie bisher getan? Ich antworte: nicht besonders viel bis nichts.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nichts! – Abg. Winfried Mack CDU: Gar nichts!)

Außer dem Labeling für das HQZ, also das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg, und dem Labeling für die Verwendung von gentechnikfreiem Futter ist bisher leider nichts geschehen. Ich hatte da andere Hoffnungen, zumal wir uns mit Kollegen des Landwirtschaftsausschusses auf der Grü nen Woche 2012 ausgetauscht haben und uns Fachleute in ei ner Anhörung am guten Beispiel von Südtirol aufgezeigt ha ben, wie regionale Dachmarkenentwicklung erfolgreich be trieben werden kann und wie regionale Dachmarken insge samt wirken.

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zur Landesregierung hat die Bundesregierung Anfang 2013 das Projekt „Regional fenster“ gestartet, das einen vielversprechenden Ansatz ver folgt. Beispielsweise wird mit EDEKA Südwest unter dem Label „Unsere Heimat“ zusammengearbeitet. Eine der fünf Testregionen findet sich, wie gesagt, in Baden-Württemberg.

Herr Minister Bonde, mit Ihrer Kollegin Höfken aus Rhein land-Pfalz beschreiben Sie die Vorgehensweise der Bundes regierung als halbherzigen Schritt in die richtige Richtung. Ja wenn Sie das schon als richtungweisend ansehen, warum tun Sie dann keinen Schritt in diese richtige Richtung? Da kön nen Sie sich wirklich noch mehr anstrengen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Ein Beispiel für eine erfolgreiche regionale Dachmarke ist, wie schon erwähnt, „Südtirol“, ein Label für Tourismus und Vermarktung. Meine Damen und Herren, ich nehme an, die meisten von Ihnen waren schon einmal in Südtirol. Wir haben Südtirol mit dem Landwirtschaftsausschuss besucht. Uns ist dabei aufgezeigt worden, dass die Regionaldachmarke „Süd tirol“ ein ganz entscheidendes, gutes und wirkungsvolles Wer bemittel ist. Sie finden es auf jeder Apfelkiste aus dieser Re gion, auf den Prospekten für den Tourismus für diese Region und, und, und. Das ist sehr erfolgreich. Das wurde uns übri gens auch in Berlin vorgestellt.

Oder denken Sie an die Regionalmarke „Eifel“. Oder denken Sie an die länderübergreifende Dachmarke „Allgäu“. Das bay erische und das württembergische Allgäu haben sich 200 Jah re nach ihrer Trennung durch Napoleon gefunden und sind auf diesem Weg des gemeinsamen Marketings sehr erfolgreich.

Oder denken Sie an die Entwicklung der Marke „Schwarz wald – herz.erfrischend.echt.“. Seit ihrer Einführung 2009 werden darunter Maßnahmen im Tourismus, in der Wirtschaft und in der Politik gebündelt. Mit den Verbänden wurde 2009 ein erster Markengipfel mit dem damaligen Freiburger Regie rungspräsidenten Julian Würtenberger veranstaltet und ein Lo go entwickelt. Im Übrigen hat die damalige Landesregierung, die schwarz-gelbe Landesregierung, für diese Entwicklung ei nen Zuschuss von 350 000 € gegeben. Herr Minister Bonde,

Sie können sich ein Beispiel daran nehmen, wie wir dies un terstützt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie untersuchen in einer Studie die Dachmarke „Vierländer region Bodensee“. Auch da könnte mehr gehen. Aus einer Stu die kommt eben keine Förderung oder Unterstützung. Des halb wollen wir, dass Sie hier mehr tun.

Interessant sind Ihre Antwort auf unsere Kleine Anfrage Drucksache 15/2382 zum Thema „Dachmarke Allgäu“ vom September 2012 sowie Ihre Stellungnahme zum vorliegenden Antrag Drucksache 15/2410. In der Stellungnahme heißt es:

Die Landesregierung versteht unter einer regionalen Dachmarke eine Marke für eine definierte Region mit ho hem Wiedererkennungswert, die sektorenübergreifend aufgebaut... Vonseiten der Landesregierung gibt es... in dieser Definition in Baden-Württemberg keine speziellen Untersuchungen.

Dann untersuchen Sie mal bitte.

Zweitens – ich zitiere aus der Antwort auf die Kleine Anfrage –:

Mit Blick auf die regionale Entwicklung hat das regiona le Marketing mittlerweile große Bedeutung für die Posi tionierung im Wettbewerb der Standorte.

Wie unterstützen Sie diese Entwicklung? Fehlanzeige, meine Damen und Herren.

Drittens – ich zitiere wieder aus der Stellungnahme zum An trag –:

Eine erfolgreiche Positionierung einer Region mit einer regionalen Dachmarke... kann die Vermarktbarkeit der Region und insbesondere ihrer Dienstleistungen und Pro dukte fördern,...

Beantworten Sie mir doch bitte gleich am Rednerpult folgen de Frage: Was machen Sie ganz konkret, um die Regionalmar ken besser in den Vordergrund zu rücken und diese insgesamt zu unterstützen?

Es ist schade, dass das Finanz- und Wirtschaftsministerium auf unsere Kleine Anfrage nach dem Motto „Wir geben nichts“ antwortet. Ich frage mich: Wo findet überhaupt Wirtschafts politik in unserem Land statt, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das Wirtschaftsministerium gibt es doch gar nicht mehr!)

Nach dem Prinzip „Minima – Maxima“ wäre hier schon ein kleiner Beitrag für die regionale Entwicklung mit einem ho hen Wertschöpfungsgrad erreichbar – für Arbeitsplätze im ländlichen Raum, für Ressourcenschonung mit hohem Refi nanzierungsanteil.