Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der CDU: Schade!)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Bullinger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier wurde so viel Richtiges gesagt, dass ich die Dinge nicht wiederholen will. Ich möchte vielmehr ein paar kritische Anmerkungen machen und einiges noch hinterfragen.

Zunächst einmal ist es völlig richtig: Natürlich vertraue auch ich den Bürgermeistern, den Aktiven vor Ort. Aber ich ver traue vor allem unseren Unternehmern, unseren Bauern, un seren Gastronomen vor Ort,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau!)

die diese Regionalität in die Praxis umsetzen. Diese wissen sehr genau, wie es geht. Wenn man Beispiele braucht, kann man sich hier vor allem die Weinlandschaft in Baden-Würt temberg anschauen. Da zeigt sich, wie man Regionen und Pro dukte vermarktet und verbindet.

Ich warne allerdings davor, zu kleinräumig zu denken. Des halb lautet die erste Frage: Für welche Zielgruppe mache ich welches Marketing, und was will ich mit einer regionalen Dachmarke? Welche Verbrauer oder Verbraucherinnen und vor allem welche Marktsegmente möchte ich damit erreichen?

Es ist, glaube ich, ganz wichtig, das mit dem Tourismus in Verbindung zu bringen. Es ist ein sehr großer Unterschied, ob ich eine Werbung mache für Regionalität, Produkt plus Land schaft, was eine völlig richtige und gute Strategie ist, die wir alle hier im Haus, glaube ich, unterstützen. Da sind Sie jetzt mit der neuen Konstruktion, bei der Tourismus, Landwirt schaft, ländlicher Raum

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ideal!)

unter einem Dach sind, durchaus auf dem richtigen Weg. Bloß muss man mehr machen, und man muss es richtig machen. Das heißt für mich: Wenn ich den Tourismus betrachte, muss ich sehr wohl differenzieren. Die Touristen, die aus den USA, aus Japan, aus China kommen, interessiert diese Kleinräumig keit nicht. Die wollen größere Ansprechthemen haben. An ders ist es im innerdeutschen Tourismus, im regionalen Tou rismus, im Wochenendtourismus. Da, glaube ich, steht das Dachmarkenthema viel stärker im Vordergrund.

Deshalb fordere ich Sie auf, vor allem die Werbemaßnahmen des Landes hierfür zu verstärken. Ich denke hier an Ausstel lungen wie die ITB oder die Ausstellung bei uns oben auf den Fildern – das läuft schon ganz gut –, aber vor allem an die Grüne Woche.

Da muss ich einfach darauf hinweisen, wie es die Bayern schon seit Jahrzehnten machen. Ich habe es immer bedauert, auch als wir in der Regierung waren, dass wir es nicht genau so machen, denn man muss hier die Region mit dem Touris mus viel stärker verbinden. Das sieht man an dem Engage ment Bayerns in Berlin. Da ist auf der Grünen Woche in ei ner Halle das Produkt der Rhön mit der Landschaft Rhön, Nie derbayern mit dem Produkt, das Allgäu mit dem Produkt oder Franken mit dem Produkt verbunden. Diese Verbindung soll te, glaube ich, auch mit dem Thema Dachmarke viel stärker erfolgen, um in diesem gesamten Bereich vorwärtszukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren, ist sicherlich auch die Vermarktung. Natürlich ist Selbstvermarktung im Be reich Dachmarken auch ganz gut, aber ich gehe weiter. Wir kommen nicht daran vorbei, auch verstärkt die größeren Un ternehmen mit einzubinden. Es gibt gute Ansätze;

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: EDEKA!)

beispielsweise EDEKA ist ein solcher Ansatz. Ich sage auch: Hier kann man mit der Vor-Ort-Marke sehr wohl in der Lis tung vor Ort etwas heraushandeln.

Herr Minister, Sie waren ja mit mir auch beim 25-Jahr-Jubi läum der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Ich komme ja von dort. „Schwäbisch Hällisches Schwein“, „Boeuf de Hohenlohe“ hat sich durch Marketing etabliert. Dort wird jetzt allerdings auch versucht, beim Einzelhandel eine größere Listung hinzubekommen, meine Damen und Her ren. Deshalb halte ich es für wichtig, dass man in diesem Be reich noch viel mehr macht.

Allerdings braucht man auch Unterstützung – Unterstützung im Rahmenbereich, nicht im Tagesgeschäft. Im Tagesgeschäft wissen die Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Verbände sehr wohl, was wichtig ist, um entsprechende Marktanteile zu sichern oder auch auszubauen.

Meine Damen und Herren, es ist auch noch zu sagen: Bitte nicht – auch das wird immer wieder einmal versucht – zwi schen konventionelle und Bioprodukte in der Landwirtschaft einen Keil treiben. Sowohl konventionelle als auch Biopro dukte sind hervorragend und können unter der gleichen Dach marke sehr wohl als regionales Produkt für eine Region bes tens beworben werden.

Ich glaube, wenn man das entsprechend berücksichtigt – – Das hat die Landesregierung in der Vergangenheit sehr wohl gemacht. Ein Beispiel ist das Programm PLENUM; auch hier haben wir gezeigt, dass man regionale Vermarktung unterstüt zen kann – nicht für immer, sondern wie bei jeder Subventi on muss es einen Anreiz geben, eine Anfangsunterstützung, und dann muss es ein Selbstläufer werden. Das darf – völlig richtig – nicht von oben übergestülpt werden, sondern es muss von unten wachsen. Aber die Unterstützung und der Rahmen müssen von der Politik kommen. Da gibt es noch sehr viel zu verbessern.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Minister Bonde das Wort.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Regionalität ist ein Megatrend. Das gilt für Lebensmittel, aber auch für andere Wirtschaftsbereiche.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Kulinarisches Heimatgefühl und Landschaftserlebnis stehen bei den Menschen immer höher im Kurs. Gerade in einer Zeit, in der Globalisierung und internationale Verflechtungen im mer stärker das Leben bestimmen, gibt es unterhalb des Trends der Globalisierung auch einen Gegentrend, der immer stärker auf Authentizität, Unverwechselbarkeit von Produkten, Räu men und kulturellen Angeboten setzt. So wird mit Herkunft und Ursprung von angebotenen Produkten immer breiter ge worben. Das ist klar. Denn damit wird vermittelt: Regionale Produkte sind authentisch, sind nachvollziehbar und sichern regionale Wertschöpfungsketten; man kann also noch erken nen, wie die Bedingungen der Lebensmittelerzeugung auch zum Erhalt der Kulturlandschaften beitragen.

Herr Abg. Locherer, wenn Sie in diesem Zusammenhang das Konzept des „Regionalfensters“ der Bundesregierung loben, sind wir an einem Dissenspunkt. Denn das „Regionalfenster“ der Bundesregierung untergräbt an vielen Stellen das, was wir heute schon an Angeboten, an Regionalität haben, eher als es voranzubringen. Denn das „Regionalfenster“ der Bundesre gierung definiert alles als regional, was einen Anteil regiona ler Produkte von mehr als 50 % hat. Da sage ich Ihnen: Wir liegen mit dem Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Würt temberg bereits weit darüber; viele regionale Initiativen, die Sie auch genannt haben, liegen weit darüber und fühlen sich mit einer echten, breiten Regionalität ein Stück weit nicht be achtet, wenn bereits ein Anteil von 50 % von der Bundesre gierung als Regionalität gewertet wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Locherer?

Bitte.

Bitte, Herr Abgeordne ter.

Herr Minister, zu dem Thema, das Sie gerade ansprechen: Ich weiß nicht, ob Sie das Label „Von hier“ der Firma Feneberg kennen.

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Das ist aber 100 %!)

Nicht 100 %. Eben nicht. Ich weiß es. – Hier wird durch ei nen hohen Anteil von Regionalität – im Gesamtangebot von Feneberg aber nicht zu 100 % – genau dieses regionale Mar keting erfolgreich gefördert. Insofern ist es nicht ganz richtig, wenn Sie sagen, da liege die Bundesregierung daneben. Ins besondere die Firma EDEKA – ich habe es erwähnt – geht hier vorbildlich voran, natürlich auch als Leuchtturmprojekt – davon reden wir ja die ganze Zeit – für andere. Es geht da rum, verstärkt regionale Produkte anzubieten und diese stär ker zu positionieren. Das sind, denke ich, doch gute Beispie le.

Herr Abgeordneter, wir sind uns einig, dass die Frage „Wie erkennt der Verbraucher Regionalität?“ ganz wichtig ist. Aber die Auseinandersetzung zwischen mir, meiner Kollegin Höfken und Bundesministerin Aigner besteht hinsichtlich der Frage: Welchen Anspruch stelle ich an die Re

gionalität? Da glaube ich, dass der Bund mit der Schwelle von 50 % tatsächlich zu kurz gesprungen ist.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Martin Hahn GRÜ NE: Eindeutig!)

Das muss man einfach in dieser Deutlichkeit sagen.

Jetzt erwartet niemand, dass wir bei der Frage der Regionali tät auf Pfeffer verzichten, weil wir hier auf Dauer keinen Pfef fer anbauen werden.

(Abg. Paul Locherer CDU: Auch keinen Kaffee!)

Vielmehr geht es darum, einen möglichst hohen Anteil der Grundprodukte zu haben, bei dem vieles, was zum täglichen Genießen dazugehört, was Errungenschaften des Weltmarkts sind – wie Pfeffer, Kakao und vieles andere –, trotzdem dabei sein darf. Bei Regionalität geht es nicht um Genussverzicht und Purismus, sondern darum, dass ein Großteil der Produk te wirklich regional ist.

Da, muss ich Ihnen sagen, habe ich Zweifel, dass man diesem Anspruch mit einer Schwelle von 50 % gerecht wird. Das ist die Kritik, weshalb ich festhalte: Das Modell der Bundesre gierung springt nicht weit genug und erfüllt nicht das, was die Verbraucherinnen und Verbraucher hier eigentlich erwarten. Andere Modelle sind da schon weiter, und Baden-Württem berg ist da insgesamt mit dem Qualitätszeichen schon weiter.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Hahn?

Jawohl.

Herr Minister, ich bin etwas verunsichert

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist aber neu!)

durch die Feststellung von Herrn Locherer, dass die Regio nalmarke „Von hier“ nicht 100 % Regionalität bedeutet. Ich weiß nun zufällig, dass wirklich jedes Produkt, welches das „Von hier“-Label trägt, 100 % – –

(Zuruf des Abg. Paul Locherer CDU)

Nicht das Angebot von Feneberg, aber die Marke „Von hier“ und damit die regionale Dachmarke „Von hier“ hat ein 100-%-Label. Können Sie mir da zustimmen, Herr Minister?