(Abg. Klaus Herrmann CDU: Der Minister muss da zu etwas sagen! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Da sieht man, was er unter Rechtsstaat versteht!)
Zum Thema „Gerechtigkeit in der Debatte“ fällt mir noch et was anderes auf. Wir sind die Sache immer mit dem Ansatz angegangen: Auch wenn wir zusammen mit Bayern die bes te Polizei haben, ist das Bessere immer der Feind des Guten. Wir waren und sind immer bereit, über Reformen zu diskutie ren. Ich habe aber umgekehrt den Eindruck, dass man eigent lich mit gar nichts durchdringt. Der Minister hat ja mit einem gewissen Stolz gesagt, er sei keinem einzigen Ratschlag ge folgt.
Jetzt fange ich aber einmal so an, lieber Herr Innenminister: Es hat etwas Paradoxes, wenn man bei dieser Reform fest stellt: Das Beste an der Reform ist das, was sich nicht ändert.
Das Beste daran ist das, was so bleibt, nämlich die Reviere und die Posten. Sie haben es angesprochen. Dort soll ja auch der angebliche Ertrag der Reform – nach ihm wird man ja fra gen dürfen – ankommen, und zwar zunächst, wie es darge stellt wurde, in Gestalt einer zusätzlichen Streife.
Ich möchte nicht „Etikettenschwindel“ sagen, um da keine Schärfe hineinzubringen. Aber Sie wissen auch: Es ist keine Streife. Es ist höchstens eine Streife für eine Schicht, aber es ist auch das nicht. Vielmehr wissen wir mittlerweile, dass es mehr oder weniger eine rechnerische Verbesserung ist. Jedes Revier erhält zwei Bedienstete zusätzlich. Darunter kann na türlich auch ein Bediensteter sein, der nicht mehr schicht diensttauglich ist, dem aber ein Umzug aufgrund der Reform nicht zuzumuten ist. So wird es nach meiner Meinung in vie len Fällen sogar sein.
Aber selbst wenn die Beamten kämen und einsetzbar wären, wäre das im operativen Geschäft eine personelle Verbesse rung im Promillebereich. Es ist sehr viel über die Belastun gen im Streifendienst geredet worden. Die Verbesserung, die dort ankommt, lässt sich am Ende im Grunde nicht in Prozen ten rechnen, sondern höchstens in Promille. Das ist der Ertrag dieser Reform, meine Damen und Herren. Es ist doch erstaun lich, dass man ein solches Rad dreht, dass man eine Reform
macht, von der der Landesvorsitzende der Deutschen Polizei gewerkschaft sagt, dass kein Stein auf dem anderen bleibe,
dass aber bei einer erfolgreichen Polizei alles einmal herum gedreht werde, damit man am Schluss im Streifendienst per sonelle Verbesserungen habe, die unterhalb eines Prozents an Verbesserungen lägen.
Für diese Reform, die außerhalb der Reviere keinen Stein auf dem anderen lässt, nimmt man in Kauf, dass die Polizei auf Jahre hinaus in wesentlichen Teilen mit sich selbst beschäf tigt ist.
Man muss doch sehen, dass kein anderes Thema mehr als die Reform die Polizei beherrscht. Auf Jahre hinaus müssen wir befürchten, eine schlechtere Polizeileistung als bisher zu ha ben, weil sie alle mit der Reform beschäftigt sind, die am En de eigentlich verrückt wenig bringt.
Die guten Ideen, die in dieser Reform stecken, will auch ich nicht leugnen. Sie sind zum Teil schon erwähnt worden. Aber bei mir dominiert der Eindruck, dass diese guten Ideen alle umsetzbar gewesen wären, ohne alles herumzudrehen und auf den Kopf zu stellen. Das ist das Entscheidende.
Ich nenne Ihnen Stichworte, z. B. die Führungs- und Lage zentren. Führungs- und Lagezentren sind eine gute Idee. Aber es hätte uns niemand gehindert, in Baden-Württemberg meh rere Führungs- und Lagezentren einzurichten.
Das hätte am Schluss einen Bruchteil der Kosten bedeutet, de ren Anfall Sie jetzt riskieren und zu denen ich gleich auch noch kommen werde.
Auch einen Kriminaldauerdienst als Ansprechpartner rund um die Uhr kann man für gut halten. Aber wer würde denn sagen, dass es in der bisherigen Struktur nicht machbar gewesen wä re, einige Kriminaldauerdienste im Land einzurichten?
Ich sage auch hier wieder: Es wäre wahrscheinlich zehnmal billiger als das gewesen, was Sie jetzt insgesamt an Kosten mit dieser Reform riskieren.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf: Sehr richtig! – Zuruf von der SPD: Dann hätten Sie es in der letzten Periode machen können!)
Es gibt weitere ordentliche Ideen, z. B. die professionalisier te Unfallaufnahme. Dass man hier zu einer anderen Qualität kommt und keine Sachverständigen mehr braucht – darüber sind ja mittlerweile, worauf ich gleich noch einmal zu spre chen komme, alle informiert worden, wofür ich mich bedan ke –, ist keine schlechte Idee. Das hätte man machen und um setzen können, aber doch bitte nicht in der Weise, wie es jetzt
geschieht, dass man zuerst die gesamte Verkehrszuständigkeit nach Kirchberg an der Jagst verlegt und anschließend – das ist ja Realsatire –, weil sie von Kirchberg an der Jagst natür lich nicht in einer überschaubaren Zeit zum Ort des Gesche hens kommen, ein, zwei Außenstellen braucht. Heraus kommt dann am Schluss nur, dass alle einmal im Kreis herumgezo gen sind, dass niemand mehr dort ist, wo er vorher war, und dass sich die Aufgabenerfüllung nicht wesentlich verbessert hat, jedenfalls nicht so, dass es dieser Reform bedurft hätte, um zu den konkreten Verbesserungen zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich muss sagen: Mir tun die Leu te leid, die diese Reform in ihren unsinnigen Teilen – das sind leider sehr viele – umsetzen müssen.
Ich möchte ausdrücklich positiv hervorheben – weil Sie of fensichtlich den Koordinatoren der künftigen Präsidien an heimgestellt haben, die Abgeordneten in ihrem jeweiligen Be reich zu informieren –, dass diese Information jetzt erfolgt ist. Ich habe davon auch Gebrauch gemacht. Das war eine hoch interessante Informationsveranstaltung in Aalen, bei der auch der Kollege Sakellariou dabei war. Ich bin aber ein bisschen ratlos, denn ich weiß zwar mehr als vorher, verstehe es aber im Grunde genommen noch weniger als vorher.
Jeder darf hier mit seinem bescheidenen Sachverstand ein schätzen, ob die Dinge sinnvoll sind oder nicht.
Ich gebe hier nur eine Kostprobe: In Waiblingen besteht ein Führungs- und Lagezentrum, das mit als das modernste in Ba den-Württemberg gilt. Dieses Führungs- und Lagezentrum wird übrigens in den nächsten zwei, drei Jahren auch noch ausgebaut, um mit der Technik weiter Schritt zu halten. Es wird erst ausgebaut – und dann wird es „ausgebaut“. Es soll nämlich nach Aalen verlagert werden. Aber in Aalen gibt es dummerweise kein Gebäude dafür. Das Gebäude, in das dann das Führungs- und Lagezentrum einzieht, wird mindestens 4 Millionen € kosten.
Jetzt könnte man dem noch etwas abgewinnen, wenn es in Aa len besser untergebracht wäre als am jetzigen Standort. Aber jeder, der etwas von Polizeifachlichkeit versteht, wird Ihnen sagen, dass die Lagen, für die ein Lagezentrum benötigt wird, statistisch gesehen viel eher im Bereich des Rems-Murr-Krei ses eintreten werden als im Bereich Aalen. Das ist klar.
Das steht am Ende im Grun de dafür, dass viel Geld an der falschen Stelle eingesetzt wird. Dazu muss ich sagen: Das ist für mich schon fast ein Fall für den Rechnungshof.
Ich bin ein bisschen ge spannt, ob der Rechnungshof da genauso interessiert und auf geschlossen ist wie beispielsweise im Fall der Bewertung der EnBW-Anteile. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.