Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Meine Damen und Herren, ich will damit anfangen, was sich durch diese Reform nicht ändert. Es ändern sich nicht die Re viere, die Posten, die Versorgung vor Ort, und es ändert sich nichts daran, dass, wenn jemand wie die Oma, die vorhin im Spiel war, die Nummer 110 anruft, genau dieselbe Person in derselben Zeit vor Ort sein wird wie vorher. Das ist unbestrit ten, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dadurch, dass sich an den Revieren und Posten nichts ändert, ist die Basisversorgung im ländlichen Raum so gesichert wie vor der Reform. Basta. Da gibt es nichts zu deuteln.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dann kommen wir zum Zweiten. Wenn man eine große Re form anspricht, die wirklich viel umstülpt, kann man sich doch einmal fragen: Was verbessert sich denn unstreitig durch die

se Reform? Das hat der Kollege Blenke dankenswerterweise an dem einen oder anderen Punkt deutlich gemacht; da hat er vielleicht doch den besseren Einstieg. Was also verbessert sich unstreitig? Es verbessert sich unstreitig, dass wir als Ergebnis dieser Reform pro Revier zwei zusätzliche Polizeibeamte ha ben, eine zusätzliche Streife. Wer wollte bestreiten, dass das nicht eine Verbesserung ist?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Keine zusätzliche Strei fe!)

Eine zusätzliche Streife pro Revier

(Abg. Peter Hauk CDU: Was? Mit zwei Leuten 24 Stunden? Also!)

ist eine Stärkung gegenüber dem Status quo. Wer das bestrei ten will, der kann, mit Verlaub gesagt, nicht rechnen. Es ist unstreitig, dass das eine Verbesserung ist.

(Unruhe bei der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Blenke?

Ja, kurz und knackig, und ich antworte auch kurz und knackig.

Herr Kollege Sakellariou, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass zwei Personen Ver stärkung auf dem Revier nicht eine Streife sind? Denn um ei ne Streife zu haben – es geht rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr; da gibt es Krankheit, da gibt es Urlaub, da gibt es Fort bildung und anderes –, brauchen Sie rechnerisch zehn bis 14 Stellen. Sie haben mit zwei zusätzlichen Personen auf dem Revier keine Streife.

Das räume ich ein. Aber räumen Sie im Umkehrschluss ein, dass zwei zusätzliche Per sonen eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand sind?

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Das habe ich gesagt!)

Gut. – Aber kommen wir zur nächsten Verbesserung, die un streitig ist. Das ist die Leitstellentechnik. Wenn jetzt infolge der Reform diese neuen zwölf Regionalpräsidien eine kom plett neue Leitstellentechnik bekommen, die auch qualitativ besser ist und die besser bei der Aufgabenerfüllung helfen kann, dann ist dies unstreitig eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand. Da kann man nicht dagegen sein, mit Verlaub.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Der nächste Punkt: Eine offensichtliche Verbesserung gegen über dem bisherigen Zustand ist auch die Einrichtung eines Kriminaldauerdienstes. Vorhin ist angedeutet worden, dass dadurch irgendeine Verschlechterung eintreten würde oder Ziele nicht vollständig erreicht würden. Ich kann Ihnen nur sagen: Bislang war es doch so, dass die Zeitspanne bis zum Eintreffen am Tatort völlig vom Zufall abhing, wo der Poli zist wohnt, wo also der Wohnort ist, wo der Dienstort ist und wo der Tatort ist. Das war eine reine Zufälligkeit, ob diese drei

Orte zufällig nah beieinanderliegen, was es ermöglicht, schnell vor Ort zu sein, oder ob sie ganz weit auseinanderlie gen – wie in Flächenwahlkreisen oder Landkreisen –, wo die se Zufälligkeit zu erheblichen Zeitverzögerungen führt. Dies wird jetzt verändert und verbessert. Wir bekommen verlässli che Strukturen, und wir bekommen gegenüber dem bisheri gen Zustand Verbesserungen. Die können Sie nicht infrage stellen und ablehnen.

(Beifall des Abg. Alfred Winkler SPD)

Der nächste Punkt, meine Damen und Herren: Die ungleiche Verteilung der früheren Polizeidirektionen hat dazu geführt, dass Spezialistenwissen nicht im ländlichen Raum einsortiert war, sondern bei den Polizeipräsidien oder beim LKA. Durch die Verschmelzung und die Gleichförmigkeit wird es dazu kommen, dass Spezialistenwissen auch in die zuständigen Prä sidien kommt.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Dies wird zur Folge haben, dass diese neuen Einheiten viel eigenständiger und selbstständiger Kriminalität bekämpfen können, was den Menschen vor Ort zugutekommt. Es tut mir leid, Sie hatten doch genau eine solche Reform im Blick. Herr Kollege Goll hat ja schon angedeutet, dass er sich das mit der Erweiterung der Zahl von zwölf auf 16 durchaus vorstellen könnte. Aber das Prinzip ist richtig, die Einheiten gleich groß zu gestalten und das Expertenwissen den jeweiligen Präsidi en zu überlassen, die im Vergleich zwischen Ballungszentrum und ländlichem Raum besser gestellt werden als vorher.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Vor einem Jahr wa ren Sie noch dagegen!)

Gegen diese Verbesserung kann man nicht sein, weil es eine Verbesserung der Polizei im Land Baden-Württemberg ist. Das ist, mit Verlaub, alles unstreitig. Ich habe bisher nur von Verbesserungen gesprochen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Jetzt ist es natürlich so: Es gibt Einzelpersonen, die ein Prob lem mit dieser Reform haben, weil sie betroffen sind. Am schlimmsten betroffen sind Landräte, die ihren Polizeidirek tor verloren haben

(Unruhe bei der CDU – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

und dies als tatsächlichen Verlust empfinden.

Wenn Sie da drüben auf der vormaligen Regierungsparteibank ehrlich sind, müssten Sie einräumen: Sie haben immer davor zurückgeschreckt, die Modelle, die Sie jetzt im Grunde ak zeptieren, durchzusetzen, weil Sie Angst vor den Landräten und den politischen Folgen hatten, die Ihnen das beschert hät te.

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Es kann doch nicht sein, dass die Angleichung der Präsidien größe so lange in den Schubladen lag und genau diese Perso nengruppe dagegen war.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist aber weit hergeholt! Die Landräte haben keine Weisungsbefug nis gegenüber der Polizei!)

Herr Kollege Blenke, Sie haben mit der Chronologie dieser Polizeireform im Jahr 2011 angefangen.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Das war der falsche Anfang. Die Chronologie beginnt im Jahr 2006, als die damalige Landesregierung aus CDU und FDP/ DVP beschlossen hatte, die 41-Stunden-Woche für die Poli zeibeamten einzuführen und dann den Gegenwert an Mehrar beit mit 1 000 Polizeistellen verrechnet hat und diese abge baut hat. Da begann das Elend, das gelöst werden musste,

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Es ist schön, wenn Sie sagen: „begann das Elend“!)

und diese Entscheidung hat ausgelöst, dass ohne Aufgaben kritik neue Strukturen erforderlich geworden sind. Denn es ist doch klar: Diese Ungleichbehandlung, diese ungleich großen Präsidien oder Polizeidirektionen haben doch dazu geführt, dass wir auf der einen Seite einen relativ hohen Führungs- und Leitungsaufwand hatten. Ferner gab es einen relativ hohen Aufwand dafür, die unterschiedlichen Spezialkenntnisse un ter den jeweiligen Direktionen zu verteilen. Dieser Verwal tungsaufwand hätte mit der Streichung von 1 000 Stellen na türlich verrechnet werden müssen. Dann hätte das System wieder gepasst.

Sie haben sich nicht getraut. Sie hatten Angst vor den Land räten, vor dem Landkreistag.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ihr habt eine „Landratphobie“!)

Wir hatten bzw. der Innenminister hat den Mut gehabt – ge stützt von den beiden Regierungsfraktionen –, diese Geschich te umzusetzen. Darauf, dass es jetzt gemacht wurde, können wir letztlich stolz sein, aber für die schmerzhaften Prozesse – mit Verlaub – sind Sie verantwortlich. Denn wenn wir es so lassen würden wie bisher, brauchten wir weiterhin diese Po lizeibeamten. Es handelt sich um 662 Vollzeitäquivalente im Polizeivollzugsdienst und 240 Vollzeitäquivalente im Nicht vollzugsdienst. Das kostet 70 Millionen € pro Jahr. Nehmen wir einmal den Zeitraum von 15 Jahren, den man für diese Reform im Blick hat, für die Finanzierung, zu der Herr Kol lege Blenke zu Recht die bisherige Zahl von 123 Millionen € in den Raum gestellt hat, stellen daneben diese Stellen im Wert von 70 Millionen € pro Jahr, multiplizieren diese Zahl mit 15 und bilden dann den Wert, dann haben wir die Differenz, um Ihre Schulden in 15 Jahren zurückzuzahlen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine erhebliche und erkleckliche Summe.

Ich möchte Ihnen aber noch etwas zum Verfahren sagen: Wie ist diese Reform letztlich umgesetzt worden? Das ist das ei gentliche Highlight. Wir alle, die wir hier sitzen, wissen doch, dass wir auch zukünftig noch viel reformieren müssen, wenn wir dieses Gemeinwesen modern halten wollen. In jedem Be reich, den wir angehen, wird es bei den Betroffenen Unzufrie denheit geben. Insofern war diese Reform mustergültig.

(Beifall des Abg. Wolfgang Drexler SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Denn wir können von Anfang an die Beteiligung der jeweils Betroffenen wie eine Blaupause übernehmen. Wir können als Blaupause die Frage übernehmen: Was machen wir über haupt? Wir ziehen uns auf die Fachlichkeit zurück und setzen nicht wie Sie früher auf politische Lösungen. Wir stellen viel mehr die Fachlichkeit in den Mittelpunkt, weil die Dinge, die fachlich vernünftig sind, nachher von den Beschäftigten mit getragen werden, weil sie nicht aus diesem Haus heraus ent wickelt worden sind, sondern von denen, die mit diesen Kon zepten nachher auch tatsächlich leben und arbeiten müssen.

Das war schon einmal der erste weise Schritt. Diesen kann man auch auf andere Reformprozesse übertragen. Es ist je doch ein absolutes Novum, wie der Prozess dann weiterging: Jeder einzelne Betroffene hatte die Möglichkeit, dieses Kon zept direkt vom „Verursacher“ vorgestellt zu bekommen, mit ihm Kontakt aufzunehmen und Bedenken vortragen zu kön nen. Dieses Verfahren ist vorbildlich. Ich kann diese Vorge hensweise auch für weitere Verfahren nur empfehlen.

Es geht aber noch weiter: Da wir uns gerade die Sorgen der Teilzeitbeschäftigten, die äußerst betroffen waren – Nichtvoll zugsdienst, Teilzeitbeschäftigung, lange Fahrtstrecken zum Dienst –, natürlich zu Herzen genommen haben, haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, den Beschäftigten so weit wie möglich entgegenzukommen und dieses Interessenbekun dungsverfahren für die Beamten durchzuführen – wohlge merkt für die Beamten. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir sind nicht in der freien Wirtschaft. Im Beamtenrecht gibt es nämlich die Möglichkeit, solche Planungen völlig an den Systemen vorbei zu machen.

Die gewählte Vorgehensweise ist wirklich absolut vorbildlich. Der Minister hat es angedeutet,

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)