Protokoll der Sitzung vom 10.07.2013

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Die Blutgrätsche der SPD! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Selbst die se Änderung ist Ihnen noch zu viel!)

Ich verweise noch auf die Pressemitteilung des Frauenminis teriums von Frau Altpeter, aus dem der Gleichstellungsatlas kommt, anlässlich der Bilanz zwei Jahre nach der Landtags wahl. In dieser Pressemitteilung ist nicht einmal eine Zwi schenüberschrift der Frauenpolitik gewidmet.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Nun mal ehrlich: Wir wissen – das gestehe ich –, dass die CDU bei der Frauenförderung wahrlich besser werden muss. Aber wir brauchen diese Polemik nicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Fakten, keine Polemik!)

Liebe Kolleginnen, wir haben einen interfraktionellen „Früh stückskreis“, in dem wir vieles vorangebracht haben. Seien Sie ehrlich: In über 30 Anträgen von der CDU zur Frauenpo litik, die konstruktiv waren, haben wir in den letzten beiden Jahren sehr viel im Bereich Frauenpolitik angestoßen. Wir ha ben gemeinsam – auch die Opposition – z. B. Initiativen ge gen Zwangsprostitution getragen. Wir haben uns dem Thema Prostitution und vielen anderen Themen in der Frauenpolitik, bei denen es nicht rundläuft, gewidmet.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Zwangs ehe!)

Deswegen würde ich mir hier mehr Solidarität wünschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir verschließen also nicht die Augen vor der Wahrheit, aber wir wollen eine konstrukti ve Frauenpolitik, die auch von männlichen Entscheidungsträ gern ausgeht und nicht nur von Frauen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Widerspruch! – Gegen ruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kein Wider spruch!)

Dann ist den Frauen in Baden-Württemberg geholfen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Prima, Friedlinde!)

Für die SPD-Fraktion spricht die Kol legin Wölfle.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Chancengleichheit für Frauen und Männer, das muss das Ziel einer modernen Gesellschaft sein. Es wurde hierzu eine spannungsreiche Debatte angekündigt. Der Span nungsbogen ging jetzt leider etwas nach unten, weil von Ih nen, liebe Kollegin Gurr-Hirsch, Polemik hineingekommen ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Widerspruch bei der CDU – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Unglaublich!)

„Die Hälfte der Macht den Frauen“ – das ist eine alte Forde rung – trifft von der Wortwahl her eigentlich nicht den Kern dessen, was Frauen wollen. Frauen geht es nämlich nicht um Macht, Frauen geht es vor allem um Teilhabe, und zwar um gerechte Teilhabe.

Wie erreichen wir das? Wo liegen die Probleme? Was können wir verändern? Wo trifft es Frauen stärker als Männer?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Wahlrecht! Groß an gekündigt, nichts passiert!)

Man muss sehen: Wir reden hier von einem Gleichstellungs atlas. Es betrifft natürlich auch Männer. Man muss auch schau en, wo Männer benachteiligt sind. Wenn man sich die Statis tiken anschaut, wird man feststellen: In den meisten Fällen sind es eben Frauen, die benachteiligt sind.

Eine Bestandsaufnahme, wie sie jetzt in dem Atlas vorgenom men wurde, hilft uns natürlich auch, politische Rahmenbedin gungen zu verändern und auch politisches Handeln zu erwir ken.

Wir haben vor einiger Zeit – ich glaube, im letzten Jahr – den 2. Atlas der Bundesregierung zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland zu lesen bekommen. Beide bis her vorgelegten Berichte der Bundesregierung haben uns die vorhandenen Defizite vor Augen geführt. Vor allem gab es auch klare Handlungsempfehlungen.

Nun haben wir auch in Baden-Württemberg einen solchen At las, der uns die regionalen Unterschiede vor Augen führt und uns damit auch die Chance gibt, zu schauen, wie man regio nal vielleicht das eine oder andere anders sehen kann. Denn wir stellen ein ganz deutliches Gefälle zwischen den Städten und dem ländlichen Raum fest.

Ich möchte mich ganz besonders bei Frau Ministerin Altpeter und ihrem Ministerium für diese Arbeit bedanken. Wir haben damit eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage bekommen. Ich hoffe, dass alle Fraktionen auf die Daten und die Befunde zu rückgreifen, um entsprechend etwas zu tun.

Im Gegensatz zur jetzigen Bundesregierung, die trotz der kla ren Handlungsempfehlungen beider Gleichstellungsberichte der Bundesregierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat und die Handlungsempfehlungen sogar weitestgehend kom plett ignoriert hat, interessieren uns die Zahlen und Befunde sehr stark. Klar ist: Wir werden auf dieser Datenbasis auch handeln.

Über die Unterrepräsentanz von Frauen in Kreistagen und Ge meinderäten haben wir uns an dieser Stelle schon öfter aus getauscht. Ich hatte immer den Eindruck, das Haus ist sich weitestgehend darin einig, dass wir hier mehr tun müssen. Es gibt allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, wie wir das angehen sollten. Während die Opposition „tolle“ Ak tionen wie „Frauen im Fokus“ durchführt und sehr wortrei che Kommentare zur wichtigen Beteiligung von Frauen ab gibt, lässt das reale Handeln doch leider zu wünschen übrig. Frau Kollegin Gurr-Hirsch, ich empfehle Ihnen, Ihre Hand lungsempfehlungen, die Sie gerade ausgeführt haben – davon kann man ja einiges umsetzen –, einmal Ihrer Familienminis terin nach Berlin zu schicken, denn noch regieren Sie ja dort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Sabine Kurtz CDU: Das wird auch so bleiben, da wir eine Frau an der Spitze haben! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Erst im März dieses Jahres hat sich die geschätzte Kollegin Gurr-Hirsch anlässlich eines SPD-Antrags hier im Plenum klar hinter unsere Forderung „Mehr Frauen in die Parlamen te“ gestellt. Leider kann man aber auch hier wieder beobach ten, dass dies eine Einzelmeinung ist. Denn wenn die CDU eine Chance hat, real zu handeln, läuft es eben doch anders.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Bei der Aufstellung der Landesliste zum Europaparlament – ich habe sie dabei – findet man unter 20 Kandidaten gerade einmal acht Frauen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben nicht einmal eine Landesliste!)

Unter den ersten elf Listenplätzen – – Das brauchen wir nicht. Wir haben das anders geregelt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben eine Bundesliste!)

Wir haben aber eine Spitzenkandidatin, die ganz klar wieder ins Parlament einziehen wird – im Gegensatz zu der Situati on bei Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Wir haben eine Spitzenkan didatin bei der Bundestagswahl! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wir reden jetzt aber über die Liste für die Europawahl. Blei ben wir einmal beim Thema.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Auf den ersten elf Plätzen findet sich dort eine einzige Frau; die anderen sieben Frauen tummeln sich irgendwo ganz hin ten.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Im Abseits halt!)

Aktuell hat die CDU in ihrer Fraktion im Europaparlament zwei Frauen aus Baden-Württemberg. Bleibt es auch nach der kommenden Wahl zum Europaparlament bei den derzeit sechs Sitzen für Abgeordnete aus Baden-Württemberg, dann wird sie nach dieser Liste ihren Frauenanteil halbiert haben. Sieht so die Umsetzung Ihrer Forderung „Mehr Frauen in die Par lamente“ aus? Das ist ja wohl zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zur Kandidatur von Frau Schäuble am letzten Samstag bei der CDU Nordbaden enthalte ich mich jeglichen Kommentars.

(Zurufe von der CDU: Das ist auch besser! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie waren ja auch gar nicht dabei!)

Die Zeitungen haben dazu schon genug geschrieben. Ich möch te aber meinen Respekt Frau Kollegin Schütz gegenüber aus sprechen, die sich dabei sehr mutig für die Sache der Frauen eingesetzt hat, und ich weiß, dass auch Sie, Frau Gurr-Hirsch, eine Vorreiterin für die Sache der Frauen sind. Ich wünsche Ihnen beiden sowie auch den Frauen in der Frauenunion Stär ke, um sich gegen diese Männerdominanz in der Partei durch zusetzen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

SPD und Grüne haben innerparteilich schon lange ihre Haus aufgaben gemacht. Auch die Landesregierung hat im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten durch die Sollregelung, bei der Listenaufstellung im Reißverschlussverfahren vorzuge hen, einen ersten wichtigen Schritt getan. Denn es kann uns nicht zufriedenstellen, dass in den Gemeinderäten in BadenWürttemberg durchschnittlich nur 22 % und in den Kreista gen nur 16 % Frauen sind.

Neben der Mandatsverteilung ist der vorliegende Atlas aber auch in einem weiteren Bereich höchst interessant: Was das Thema Bildung betrifft, wird wieder einmal bestätigt, dass prozentual mehr Frauen höhere Bildungsabschlüsse haben. Wir wissen aber, dass Frauen trotz der besseren Bildungsab schlüsse im Nachteil sind. Sie sind länger arbeitslos, sie sind insbesondere von Langzeitarbeitslosigkeit überproportional betroffen, sie sind bei den Minijobs vorn, sie sind beim Be zug von Grundsicherung vorn; sie sind in allen Bereichen, sie sind überall benachteiligt.

Wir haben vor allem etwas im Bereich der Kitas getan. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein ganz wichtiges

Thema. Schauen wir uns einmal den neuesten Expertenbericht eines Instituts aus Mannheim an, der von Familienministerin Kristina Schröder unter dem Teppich gehalten wird. Darin steht, dass die finanzielle Förderung nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt, sondern dass dies vielmehr durch die Strukturen bei den Kitas und bei der Ganztagsbe treuung geleistet wird. Das ist aktive Familienpolitik.

In Bezug auf den demografischen Wandel empfehle ich Ihnen einmal einen Blick nach Skandinavien. Dort wurde früh in In frastruktur investiert, und dort gibt es heute kein demografi sches Problem. So sieht aktive Familienpolitik aus.