Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Staatsministeriums – Gedenkstättenkonzeption für Ba den-Württemberg unter Einbeziehung des Lern- und Er innerungsorts Hotel Silber – Drucksache 15/3148 (geän derte Fassung)
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gedenk- und Erinnerungsstätten sind Teil unserer politi schen Kultur. Sie erinnern an Unterdrückung, an Verfol gung und Ermordung von Menschen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, aber auch an Widerstand und Verweigerung... Die Erinnerung... ist Teil unserer demo kratischen Traditionsbildung. Gedenkstätten erfüllen mit ihrer pädagogischen Arbeit in besonderer Weise den Auf trag nach Artikel 12 der Landesverfassung, „zu freiheit licher demokratischer Gesinnung zu erziehen“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesen Sätzen, die ich auszugsweise aus der Kunstkonzeption zitiert habe, ist al les enthalten, was im Zusammenhang mit den Gedenk- und Erinnerungsstätten in Baden-Württemberg bedeutsam ist. Da mit wird uns eine Aufgabe zugesprochen, nämlich die Aufga be, bildend zu wirken und die Erfahrungen und Erkenntnisse aus unserer deutschen Geschichte immer wieder an die nächs te Generation weiterzugeben.
Diese Aufgabe haben wir in Baden-Württemberg in der Ver gangenheit vorbildlich angenommen und erfüllt. Besonders danken dürfen wir in diesem Zusammenhang den vielen Eh renamtlichen, die die Gedenkstätten in unserem Land aufge baut haben, manchmal auch gegen anfänglichen Widerstand in den betroffenen Gemeinden.
In der Mitte der Neunzigerjahre gab es im Land 17 derartiger Orte, heute sind es ungefähr 70. Weitere Initiativen und Pla nungen sind vorhanden. In dieser Vielfalt liegt die Stärke der Gedenkstättenlandschaft in Baden-Württemberg. Die CDU legt ganz großen Wert darauf, dass es so viele, so unterschied liche und im ganzen Land verteilte Gedenkstätten gibt. Diese dezentrale Struktur ist uns ganz wichtig. So wird Geschichte vor Ort ausgelotet. Dadurch gibt es an vielen verschiedenen Orten – auch in ganz kleinen Gemeinden in unserem Land – ein anspruchsvolles historisches und kulturelles Programm.
Die Landeszentrale für politische Bildung betreut und beglei tet seit 1996 die größte Zahl dieser Gedenkstätten. Die Ge denkstätten haben sich schon vor etwa 20 Jahren in einer ei genen Landesarbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen.
Jetzt gibt es auch den Trend zu raumschaftlichen Verbünden, was wir, die CDU, auch ganz besonders begrüßen. Momen tan läuft ein Modellprojekt, das für drei Jahre durch die Ba den-Württemberg Stiftung finanziert wird. Wir sind der Mei nung, dass solche Verbünde die richtige Antwort auf die He rausforderungen der Zukunft sind. Denn diese Gedenkstätten verzeichnen mittlerweile jährlich ungefähr 250 000 Besucher und Besucherinnen. Das sind vor allem – zu 40 % – junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, die diese außerschuli schen Bildungsorte nutzen.
Man muss sagen, meine Damen und Herren, allein mit den Ehrenamtlichen wird das alles in diesem Umfang in Zukunft nicht mehr zu leisten sein. Wir müssen feststellen: Auch im Bereich der Gedenkstätten braucht das Ehrenamt in Zukunft das Hauptamt, werden zusätzlich professionelle Strukturen benötigt.
Die Landesarbeitsgemeinschaft hat dazu, wie Sie wissen, ein gutes Konzept vorgestellt, wie sie sich die Weiterentwicklung der Gedenkstättenarbeit vorstellt. Ich sage hier für die CDUFraktion ganz deutlich: Wir wollen, dass dieses Konzept wei terverfolgt wird, dass es jetzt sehr gründlich besprochen wird und dass ausgelotet wird, was wie wann und wie schnell um setzbar ist.
Wir hatten deswegen dazu auch einen Beschlussantrag einge reicht. Ich freue mich, dass wir dazu beigetragen haben, dass Ihnen jetzt ein gemeinsamer Beschlussantrag aller Fraktionen vorliegt und dass es sogar darum gehen kann, im Nachtrags haushalt zusätzliche Mittel bereitzustellen.
Wir können damit an unsere gemeinsame Haltung anknüpfen, die wir in der Vergangenheit gegenüber der Gedenkstättenar beit schon mehrfach an den Tag gelegt haben. Aber – das muss ich auch ganz ehrlich sagen – wir hatten den Eindruck, in letz ter Zeit war Ihnen von den Regierungsfraktionen die Gedenk stättenarbeit nicht mehr so wichtig und keine größere Diskus sion mehr wert.
Dass Sie erst heute Morgen diesen Vorschlag für den gemein samen Entschließungsantrag vorlegten, spricht eigentlich auch Bände. Dieser Antrag scheint mir doch etwas mit heißer Na del gestrickt zu sein. Sie hätten eigentlich, wenn Sie ehrlich sind, schon längst Gelegenheit gehabt, diese Mittelaufsto ckung in Ihren Entwurf zum Nachtragshaushalt aufzunehmen. Aber es ist natürlich ganz klar: Wir stimmen dem Antrag zu, denn es geht um unsere gemeinsame Sache.
Eines muss auch ganz klar sein: Es geht hier jetzt nicht nur um eine kurzfristige Mittelaufstockung; das kann nur ein ers ter Schritt sein. Es geht um mehr. Es geht wirklich um eine grundsätzliche Überarbeitung der Förderrichtlinien. Es geht um mehr institutionelle Förderung, die Einrichtung von mehr Verbünden und vieles Weitere.
Der Vorschlag der Landesarbeitsgemeinschaft liegt seit dem vergangenen Dezember auf dem Tisch. Ich weiß nicht, wie stark Sie sich intern damit befasst haben. Man hatte ein biss chen den Eindruck, er ruht ganz gut in irgendeiner Schubla de. Jedenfalls ist nicht mehr in einer öffentlich wahrnehmba ren Weise besonders viel darüber diskutiert und nachgedacht worden.
In der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, hat immer das Projekt „Hotel Silber“ dominiert. Davon konnten wir le sen und hören. Das liegt und lag Ihnen besonders am Herzen; das ist Ihr Leuchtturmprojekt.
Zugegeben: Das „Hotel Silber“ ist tatsächlich ein Ort, an dem man die Erinnerungskultur in Baden-Württemberg weiter vo rantreiben könnte. Für das „Hotel Silber“ haben sich auch wirklich viele ehrenamtliche Initiativen eingesetzt und dabei eine enorme Vorarbeit geleistet.
Aber einmal ehrlich: Was hat die Landesregierung dazu bei getragen? Was hat die Landesregierung hier gemacht? Sie ha ben viel versprochen und wenig gehalten. Sie sind gestartet wie ein Tiger und gelandet wie ein Bettvorleger, wenn Sie ein mal ganz ehrlich sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Verschlafen! – Abg. Claus Schmie del SPD: Was ist das jetzt für ein Genörgel? Was ist da los? Das ist das letzte Mal, dass wir einen gemein samen Antrag gemacht haben!)
Jetzt herrschen doch in diesem Umfeld überall im Land Ent täuschung und Frustration, an allen Ecken und Enden. Natür lich hatten Sie zwei runde Tische eingerichtet. Die Entschei dung über das Konzept ist aber hinter verschlossenen Türen in einem ganz kleinen Kreis gefällt worden. Da haben Sie die ses Projekt erst einmal richtig abgespeckt –
das wissen Sie selbst –; von 1 300 m² sind Sie auf 1 000 m² heruntergegangen. Die Betriebskosten wurden in etwa hal biert. Bezüglich der Kosten, was die Ausstellungseinrichtung und auch die Miete für das Gebäude angeht, ist noch gar nichts klar. Dabei treten Sie auf der Stelle und kommen mit der Stadt Stuttgart einfach nicht zu einer Einigung.
Aus Sicht der Vertreter der interessierten Initiativen haben Sie jetzt an einer sehr, sehr empfindlichen Stelle gespart. Sie wol len das Projekt nämlich ohne die zweite Halbetage verwirkli chen. Der Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.“ weist in einer Resolution vom August darauf hin, dass dort – ich zitiere –
in den weitgehend noch erhaltenen Räumlichkeiten die Zentrale der Gestapo war und jene Schreibtischtäter sa ßen, die für den Terror in Stuttgart und dem ganzen Land Baden-Württemberg verantwortlich waren.
Auch die „Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V.“ beklagt sich bitter in einem Brief an den Herrn Ministerprä sidenten persönlich, dass in der „Sparversion“ des Projekts ausgerechnet die „Chefetage“ gestrichen worden und damit das Potenzial des authentischen Ortes für die Ausstellung ver loren gegangen sei.
Die Fachleute stehen jetzt vor der komplizierten Aufgabe, ei ne Ausstellung für das „Hotel Silber“ zu konzipieren, die oh ne die zweite Halbetage und damit ohne den eigentlich au thentischen Ort auskommen muss. Wenn ich es richtig ver standen habe, dann gehen sie davon aus, dass sie an das En
de der Ausstellung das Schild „Fortsetzung folgt“ setzen, weil sie die Hoffnung haben, irgendwann später vielleicht die zwei te Etage mit einbeziehen und dann das ganze Haus bespielen zu können. Fachlich ist es die Quadratur des Kreises, die hier gefordert wird. Wir sind wirklich gespannt auf die Ausstel lungskonzeption, die momentan im Haus der Geschichte er arbeitet wird. Aber wir hoffen auch, dass es eine gute Lösung gibt.
Schlimm aber finden wir Folgendes: Sie haben gern den Sach verstand der ehrenamtlichen Experten in Anspruch genom men, dann aber auf der Basis völlig anderer Kriterien und oh ne Bürgerbeteiligung entschieden. Im Gegenteil, die Ehren amtlichen fühlten sich anschließend, nachdem der Beschluss hinter verschlossenen Türen gefallen war, ins Ministerium zi tiert. Das können Sie nicht ernst meinen. So sieht doch nicht Bürgerbeteiligung aus, meine Damen und Herren.
Für die CDU-Fraktion sage ich ganz deutlich: Wir sind ent setzt darüber, wie unsensibel Sie dieses Thema behandeln. Ein weiteres Mal erlebt das Land ein Geschachere, das Unruhe stiftet und die Atmosphäre vergiftet. Angesichts des histori schen Themas ist das in diesem Fall wirklich besonders un würdig. Das kann ich Ihnen nicht ersparen. Das Leuchtturm projekt „Hotel Silber“ wirft tiefe Schatten ins ganze Land, be vor es überhaupt realisiert wird.
Wir sind auch beunruhigt darüber, wie Sie diese Politik des Gehörtwerdens praktizieren. Wir, die CDU, können es eigent lich nicht hinnehmen, dass sich jetzt eine derart schlechte Stimmung im Land breitmacht, denn das schadet der gesam ten politischen Kultur.
Was die Gedenkstättenlandschaft betrifft, haben wir heute ei nen ersten Schritt gemacht. Weitere müssen folgen. Ich sage noch einmal: Wir legen großen Wert darauf, dass die dezent rale Struktur dieser Gedenkstättenlandschaft gestärkt wird. Wir wollen eine weitere Vernetzung und Kooperation. Wir wollen, dass das „Hotel Silber“ sich in dieses Konzept ein fügt. Es soll kein Solitär sein, sondern es soll sich in unsere bundesweit vorbildliche Gedenkstättenlandschaft einfügen. Bei der Finanzierung wollen wir keine Benachteiligung der kleinen Gemeinden, der kleinen Projekte, der ländlichen Räu me