(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Den klei nen Koalitionspartner nicht vergessen! – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Das sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit!)
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich fange einmal mit einer Frage an, die mich bewegt, wenn ich die Beiträge aus der CDU-Fraktion zu diesem Thema hö re: Warum hat eine Volkspartei Angst vor dem Volk?
(Zuruf von der CDU: Hat sie nicht! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Klaus Herr mann CDU: Sie wollen nur, dass die Minderheit re giert!)
Ich darf noch einmal die Worte, die Herr Kollege Sckerl vor hin gesprochen hat, in Erinnerung rufen. Er hat heute sehr deutlich gemacht, dass er eine Einladung an uns, an Sie alle, ausspricht,
Beim Kollegen Mack habe ich manchmal das Gefühl – – Wir waren am vergangenen Freitag beim Verein der Richter und Staatsanwälte. Da hat er wahrscheinlich das falsche Redema nuskript erwischt.
Die Richter und Staatsanwälte um mich herum fragten sich dann: Hat er nicht gemerkt, dass der Wahlkampf schon vor bei ist?
Kollege Mack, mir fällt hierzu immer die Geschichte mit dem Drittklässler, der für die Biologiearbeit lernt, ein. Kennen Sie die?
Dieser Drittklässler lernt ganz intensiv – ich habe vier Kin der; ich bekomme das hautnah mit – über den Regenwurm. Als er am nächsten Tag in die Schule kommt, stellt er aber fest, dass es bei der Biologiearbeit um den Elefanten geht. Dann fängt er an zu schreiben: „Der Elefant ist ein großes Tier. Der Elefant hat einen Rüssel. Der Rüssel sieht aus wie ein Re genwurm. Der Regenwurm...“
Sie kommen doch bei jedem Thema, bei dem Sie thematisch in den Tunnel hineinfahren, garantiert bei Stuttgart 21 wieder heraus.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Ihr solltet doch froh sein! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie einmal Herrn Hermann, wo der Tunnel herauskommt!)
Jetzt kommen wir einmal zum Thema; denn wir wollen ja nicht Redezeit vergeuden. Das Thema, das wir heute bespre chen, ist ein sehr wichtiges Thema, was die Demokratie in un serem Land angeht. Dass immer dann, wenn es hier um Volks abstimmungen geht, gleich in allen Reden – wir können in den Manuskripten gern nachschauen – von Demagogie die Rede ist, lässt doch tief blicken. Wenn Sie vor den Menschen draußen derart Angst haben,
Ich zitiere einmal jemanden, der hier an dieser Stelle Entspre chendes gesagt hat. Ich zitiere aus der Rede von Bundesprä sident Wulff vom 16. Dezember 2010. Ich brauche nicht auf mehrere Jahrzehnte zurückliegende Reden von Herrn Heuss
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit der repräsen tativen Demokratie in 60 Jahren gut gefahren sind, dass sie besser war als alles, was wir jemals zuvor in der Ge schichte hatten, dass sich die repräsentative Demokratie bewährt hat, dass sie uns Sicherheit und sozialen Wohl stand gebracht hat.
Aber wir müssen auch erkennen, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung heute den Wunsch verspürt, an Sachent scheidungen unmittelbar beteiligt zu werden.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Sie haben doch im Januar abgelehnt! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie hatten die Chance im Januar!)
Der vorliegende Gesetzentwurf – er ist wirklich einfach; Sie müssten ihn also verstehen – befasst sich mit der Senkung des Zustimmungsquorums auf 20 %.
Schauen Sie sich bitte einmal die Situation in den anderen Bundesländern an. Es gibt Bundesländer – Herr Kollege Sckerl hat darauf hingewiesen – wie Bayern, die völlig auf ein Quorum verzichten.
Wir haben vorgeschlagen, ein Quorum in Höhe von 20 % in die Landesverfassung aufzunehmen. – Herr Kollege Zimmer mann, hören Sie zu, dann verstehen Sie es besser.
Sie selbst hatten ein Quorum von 25 % vorgeschlagen. Mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Quorum von 25 %, dem auch Städtetag und Gemeindetag damals so zugestimmt hatten, hät ten wir uns nach damaligem Stand vom zweitletzten auf den drittletzten Platz verbessert. Ist es das, was Sie meinen, wenn Sie sagen, dass Baden-Württemberg spitze sein soll?
Wir wollen mit unserem Vorschlag ein deutliches Signal an die Menschen in diesem Land senden, dass sie nicht nur Ob jekt politischer Entscheidungen sind, sondern dass das Volk, der Souverän, an Entscheidungen unmittelbar beteiligt wird. Wir gehen davon aus, dass die Menschen in diesem Land auch das Recht haben, an Entscheidungen beteiligt zu werden.
Deswegen glaube ich: Es ist ein gutes Zeichen, dass sehr früh zeitig in dieser Diskussion auch vonseiten der FDP/DVP ein
Signal kam, dass man sich eine solche Veränderung vorstel len kann. Jetzt reduzieren Sie eine Änderung der Verfassung doch nicht immer auf ein Thema. Das tun Sie hier.
Wir wollen in einem laufenden Prozess – Demokratie ist ein sich ständig wandelnder Prozess – gemeinsam mit Ihnen – das wird nachher auch Frau Erler als Staatsrätin zu diesem The ma ausführen –, gemeinsam mit diesem Haus die Demokra tie weiterentwickeln, nicht indem wir die repräsentative De mokratie infrage stellen, sondern indem wir die Menschen in diesem Land wieder für diese repräsentative Demokratie be geistern, indem wir ihnen nämlich sagen: Wir wollen euch bei Themen, die so wichtig sind, dass ihr da mitentscheiden wollt, beteiligen. Deswegen heute dieser Vorschlag für ein neues Quorum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollte für uns alle ein Weg sein, wie wir den nächsten Schritt in diese Rich tung gehen können.
Wenn Sie sich, wie gesagt, die Vergleichszahlen aus den an deren Bundesländern anschauen, dann werden Sie sehr deut lich erkennen, dass Baden-Württemberg seit der Einführung dieses Instruments in der Landesverfassung davon kein ein ziges Mal Gebrauch gemacht hat. Da muss sich doch jeder, der diese Formulierung in der Landesverfassung liest und die se Realität zur Kenntnis nimmt, fragen: Woran liegt das? Fer ner muss er dann doch daran interessiert sein, dass Instrumen te nicht nur zum Schein in der Landesverfassung stehen, son dern dass wir diese für die Menschen erreichbar machen. Da durch machen wir uns glaubwürdig, und dadurch werden wir zum Teil dessen, was wir zur Entwicklung unserer Demokra tie hin zu einer modernen Gesellschaft brauchen.
Ich appelliere daher heute in dieser ersten Lesung des Gesetz entwurfs an Sie: Springen Sie über Ihren Schatten! Wir brau chen Ihre Zustimmung, um die Verfassung des Landes BadenWürttemberg zu ändern, und das wird nicht zum Schaden die ses Hauses sein.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn na türlich auch den Namen von Uli Noll hier nennen, den wir al le als einen überzeugten Liberalen gekannt haben, der seine Positionen nicht taktischen Überlegungen geopfert hat. Ge nauso halten wir es bei diesem Gesetzentwurf. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, auch wenn er von den Regie rungsfraktionen kommt und wir jetzt in der Opposition sind.