Meine Damen und Herren, Sie sehen also: Spionage ist ein großes Problem auch für die Wirtschaft unseres Landes.
Es mag für die Bundesregierung nicht existenziell wichtig sein, wenn das Handy der Kanzlerin abgehört wird. Wenn aber Spionagetätigkeiten der NSA und anderer ausländischer Ge heimdienste in Deutschland nicht als hochbrisant eingestuft werden, muss dies der hiesigen Wirtschaft sehr zu denken ge ben.
Deshalb stellt die Fraktion der FDP/DVP drei zentrale Forde rungen zur Weiterentwicklung der Abwehr von Wirtschafts spionage.
Erstens: Wir fordern die Einrichtung eines nationalen Abwehr zentrums für Wirtschaftsspionage analog zum Nationalen Cy ber-Abwehrzentrum.
Zweitens: Wir fordern die Stärkung des Bundeamts für Si cherheit in der Informationstechnik und eine Verknüpfung mit den zuständigen Stellen der vorhandenen Dienste.
Drittens: Wir fordern die Einführung einer Zertifizierung „Wirtschaftsspionageabwehr“ für Unternehmen in Zusam menarbeit mit den zuständigen Diensten und den Kammern im Rahmen der Selbstverwaltung der Wirtschaft.
Wir bitten die Landesregierung im Interesse des Schutzes des Mittelstands und der Industrie gegen Wirtschaftsspionage, die se Forderungen zu unterstützen. Ich denke, die aktuellen Be richte zeigen, dass wir besser heute als morgen beginnen soll ten.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! 3 000 Netzangriffe muss SAP jeden Monat abwehren. Darunter sind nicht nur freundliche Angrif fe. Deutschlandweit geht die Zahl der Attacken pro Tag in die Hunderttausende. Unser Land ist ein Tummelplatz für Indus triespione.
Waren in der analogen Welt die Mittel noch überschaubar, bringt heute auf einem globalen Markt die Cyberspionage ei ne wesentlich höhere Effizienzrendite. Den ökonomischen Schaden für die Unternehmen in unserem Land durch Wirt schaftsspionage beziffert das Bundesinnenministerium auf 50 Milliarden € jährlich. Baden-Württemberg mit seinen vie len Weltmarktführern und mit der europaweit höchsten Inno vationskraft ist besonders gefährdet.
SAP kann sich gegen freundliche und unfreundliche Attacken wehren. Die baden-württembergischen Mittelständler haben es da deutlich schwerer. Von der Landesregierung haben sie wenig Hilfe zu erwarten. Es ist schon resignativer Zynismus,
die Landesregierung überhaupt noch nach dem Schutz des Mittelstands in unserem Land zu fragen. Das Land hat nicht einmal seine eigene IT-Struktur im Griff. Der Rechnungshof mahnt sich die Finger wund.
Frankreichs Handelsministerin Nicole Bricq fordert freund lich ungeniert: Wir müssen bei der Wirtschaftsspionage die USA übertrumpfen; das Sammeln von Informationen in der Wirtschaft ist Teil der Handelskämpfe.
Baden-Württemberg bleibt in der Rolle des Opfers. Unsere Landesregierung verhält sich wie eine wachsende Mohrrübe: Man sieht nichts, und man hört nichts.
Industriespionage kennen wir seit der industriellen Revoluti on. Auf dem globalen Markt hat sich das Ausspähen in den digitalen Raum verlagert, dies aber nicht erst seit PRISM und Tempora. Die Unternehmen im Land haben zwar vielfältige Verteidigungsstrategien aufgebaut, sie entwickeln Sicherheits konzepte, analysieren IT-Schwachstellen, bauen ComplianceStrukturen auf, schützen sich mit Firewalls und Virenscan nern; dennoch geraten wir beim digitalen Wettrüsten mehr und mehr ins Hintertreffen. Denn Europa hat technologisch abge rüstet.
Wir bauen keine Computer, keine Server, keine Smartphones und keine Mikrochips mehr. Auf dem Markt der Telekommu nikationsgeräte und der IT-Infrastruktur sind wir nicht mehr präsent. Das hat nicht nur, aber auch etwas mit den Arbeits kosten zu tun.
Bei der IT-Sicherheit vertrauen wir auf Anbieter aus anderen Ländern. Selbst das Virenschutzprogramm auf unserem PC wird vom amerikanischen Norton oder vom russischen Kas persky gemanagt. Wie naiv wir in Sachen IT-Sicherheit sind,
Das Land schiebt die Verantwortung dem Bund zu. Niemand kann sagen, wer bei einer Hackerattacke auf der anderen Sei te an der Tastatur sitzt. Offenbar lähmt das unsere Regierung wie Mehltau.
Dabei könnten wir uns schützen. In unserem Land, in dem Hollerith die Datenverarbeitung und Zuse den ersten Compu ter entwickelt haben, können unsere Hochschulen und For schungsinstitute das verlorene Terrain zurückgewinnen. In un serem Land arbeiten hervorragende Softwareentwickler, Pro grammierer und Wissenschaftler. Die Landesregierung muss über den Bundesrat hinsichtlich des EU-Forschungsrahmen programms 2020 Cybersicherheit zur Schlüsseltechnologie erklären.
Wir müssen aufschließen, damit wir auf Augenhöhe mit an deren Nationen sind, und Mittel hierfür bereitstellen.
Beim Cloud-Computing, einer Zukunftstechnologie, gibt es keinen europäischen Anbieter. Wir wissen nicht, wem wir un sere Daten anvertrauen. Wir haben kein Sicherheitskonzept und kein Risikomanagement. Es ist so, als würden wir unser Auto parken, jedoch die Türen geöffnet und den Zündschlüs sel stecken lassen.
Ich erwarte weiter, dass die Landesregierung eine Melde pflicht für Spy-Angriffe gesetzlich verankert. Das Landesamt für Verfassungsschutz, dem die Grünen das Wasser abgraben wollen, kann diese Angriffe sammeln, analysieren, Strategi en entwickeln, sie zu bekämpfen, und den Unternehmen Schutzmechanismen anbieten. Die für Wirtschaftskriminali tät zuständige Polizei ist allein überfordert. Zudem werden die wenigsten Verstöße gemeldet.
Wenn die Landesregierung weiter in Untätigkeit verharrt, ist es so, als ob wir künftig auf dem Hockenheimring mit einem Bobbycar gegen einen Formel-1-Boliden fahren.
Nur rechtmäßig erworbenes Wissen ist schützenswert. Für die Grünen gilt das nicht. Die Grünen haben in Europa ACTA zu Fall gebracht und so verhindert, dass es einen Mindeststan dard für den Schutz geistigen Eigentums gibt.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE)
Ärgerlich ist auch, dass die Türkei, die Beitrittsverhandlun gen mit der EU führt, Markenpiraterie – wenn überhaupt – wie Falschparken verfolgt. Bei den häufigen Delegationsrei sen des Finanz- und Wirtschaftsministers wird das Problem nie thematisiert. In Asien ist Produktpiraterie ein Geschäfts modell.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was macht Frau Mer kel dagegen? Was macht Frau Merkel bei ihren Rei sen?)
Es ist zwar löblich, dass der Finanzminister in China die Trep pe eines Buddha-Tempels mit einem Kärcher-Hochdruckrei niger putzt, aber es reicht nicht, Handelsvertreter der schwä bischen Kehrwoche zu sein.
Vielmehr erwarte ich, dass die Landesregierung das geistige Eigentum unserer Wirtschaft, unseres Mittelstands weltweit aktiv verteidigt. Das tut sie nicht.
Ich erwarte auch, dass sich die Landesregierung für ein be zahlbares, einheitliches und rechtssicheres Patentverfahren in Europa starkmacht und die weltweite Durchsetzung des geis tigen Eigentums des baden-württembergischen Mittelstands garantiert. Da sehe ich Nachholbedarf und Fehlanzeige bei ei ner Strategie.