Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Salomon.

Sehr geehrter Herr Prä sident, werte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Grimm, sehr geehrter Herr Löffler, Ihre Reden – das hat man heraus gehört – wären im Bundestag besser aufgehoben, wären bei Ihrer eigenen Regierung besser aufgehoben gewesen. Das möchte ich hier feststellen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie versuchen in untauglicher Art und Weise, all das, was Sie in der Vergangenheit im Hinblick auf IT-Sicherheit versäumt haben, auf unsere Landesregierung abzuwälzen. Das geht nicht. Klar ist – darüber müssen wir auch sprechen –, dass die Sicherheit der mittelständischen Industrie und des Mittel stands in Baden-Württemberg nicht erst seit dem 9. Juni 2013, also seit der Veröffentlichung geheimer Dokumente, die von Edward Snowden entwendet worden sind, gefährdet ist, son dern schon viel länger.

An dieser Stelle muss auch gesagt werden: Die Ironie liegt da rin, dass Edward Snowden wahrscheinlich der prominenteste Wirtschaftsspion der Welt ist. Das zeigt aber auch, worum es bei Wirtschaftsspionage geht. Hier geht es nicht um die gro ßen Geheimdienste dieser Welt. Die Angriffe erfolgen viel mehr meist von innen. Weit über 80 % der Angriffe erfolgen von innen. Deswegen müssen wir die Unternehmen eher von innen heraus stärken, um Wirtschaftsspionage entgegenzuwir ken.

Seit Jahrzehnten sind die Gefahren bekannt. Echolon ist ein gutes Beispiel dafür. Wir reden auch nicht erst seit einigen Monaten oder Jahren über dieses Thema, sondern schon seit Jahrzehnten. Deswegen muss man fragen: Wer war damals an der Regierung? Wer hat damals gehandelt? Wer war damals

für die Gewährleistung der Sicherheit zuständig? Hier muss man feststellen: Sie haben nichts getan. Diesen Vorwurf müs sen Sie hinnehmen.

Unsere Landesregierung, speziell das Finanz- und Wirtschafts ministerium und Ministerpräsident Kretschmann, der den en gen Kontakt mit der Wirtschaft und der Industrie pflegt, un ternehmen sehr viel. Es gibt jedoch auch Grenzen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Konkret?)

Sie können in dieser Angelegenheit doch nicht der Landesre gierung die Schuld zuweisen. Vielmehr muss die Bundesre gierung etwas leisten. Sie hat Handlungsdruck und muss vor legen. Auf diese Weise muss Druck aufgebaut werden, und zwar innerhalb der EU auf Großbritannien, aber auch auf die USA, mit dem Ziel, dass die Verträge eingehalten werden. Das ist letztlich Aufgabe der Bundesregierung. Die Versäumnisse müssen Sie Frau Merkel zuschreiben, und Sie dürfen hier kei ne Plenarrede halten, die nicht zielführend ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Es soll ein Anti-Spy-Abkommen – auch No-Spy-Abkommen genannt – initiiert werden. Die Verhandlungen hierzu führt nicht der Kanzleramtsminister, sondern der BND. Ich sage Ih nen jedoch: Wer einmal Gesetze bricht, der wird dies auch wieder tun, und man glaubt ihm nicht. Es ist daher wirklich verfehlt, nur mit den USA ein Abkommen schließen zu wol len, bei dem man genau weiß, dass es umgangen werden wird, weil dann nicht die USA spionieren, sondern die „Big Five“, die fünf großen englischsprachigen Geheimdienste dieser Welt. Dann wird ein anderes Land die Spionage durchführen. Das Abkommen ist wirklich nur eine Nebelkerze, die gewor fen wird. Hier müssen Sie schon etwas anderes vorlegen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Also sind Sie ge gen das Abkommen? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Seit heute habe ich ein abhörsicheres Handy!)

Ein abhörsicheres Handy ist natürlich sehr gut. Das werde ich nachher einmal kontrollieren. – Es geht doch darum, dass es mehr als naiv ist, zu glauben, dass die baden-württember gische Industrie durch ein No-Spy-Abkommen geschützt wer den könnte. Das kann nicht funktionieren. Das ist Realitäts verweigerung und setzt letztlich unseren wirtschaftlichen Er folg aufs Spiel, weil das für die Geheimdienste keine echte Barriere ist. Das Abkommen reicht nicht aus, den weiteren wirtschaftlichen Erfolg zu schützen. Sie müssen hier mehr handeln. Wir haben andere Konzepte hierfür. Diese werden wir auch vorlegen.

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Salomon, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glück?

Nein, jetzt nicht. Sie kön nen ja Ihre noch amtierende Bundesregierung fragen, wenn Sie etwas zu fragen haben, oder Sie fragen am Schluss mei ner Rede.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Hören Sie dann ab? – Abg. Volker Schebesta CDU: Am Schluss?)

Ja, am Schluss.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Prima!)

Ich möchte zuerst die Debatte fortführen. Ich will meine Aus führungen anhand von Zahlen untermauern, damit Sie sehen, wohin die Bundesregierung die Thematik geführt hat. In ei ner neuen Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts wird klar herausgearbeitet, wie zufrieden die baden-württembergi schen Wirtschaftsunternehmen mit der Bundesregierung im Hinblick auf die Aufklärung der NSA-Affäre sind. Nur 9,2 % der Unternehmen geben an, zufrieden zu sein. Das ist doch ei ne klare Aussage, die zeigt, dass Sie letztlich ein Versagen der Bundesregierung eingestehen müssen, dass Sie zugeben müs sen, dass die Bundesregierung nichts unternimmt und dass dies auch die Wirtschaft sieht.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das haben Sie jetzt zehnmal gesagt!)

Ja, ich sage es auch noch ein elftes Mal, weil es einfach stimmt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Machen Sie doch einmal eigene Vorschläge!)

Sie müssen sich letztlich an die von Ihnen gestellte Bundes regierung wenden und dürfen nicht nur sagen, die Landesre gierung müsse etwas tun. Es geht darum, dass auch die Un ternehmen sehen, wer letztlich für die IT-Sicherheit verant wortlich ist. Das sind die Bundesregierung, die Bundeskanz lerin und der Bundeskanzleramtsminister. Diese haben nichts unternommen.

(Beifall bei den Grünen)

Wichtig ist auch – das müssen Sie auch eingestehen –, dass es erst eines Hans-Christian Ströbele bedurfte, der die Bun desregierung etwas angetrieben hat.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Diet rich Birk CDU)

Ihr Bundesinnenminister flog nach Washington. Dort wurde er mit ein paar Gesprächen abgespeist. Dann flog er zurück. Hans-Christian Ströbele dagegen flog nach Moskau zu Ed ward Snowden, redete mit ihm,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was hat Herr Ströbele erreicht? Wie das Hornberger Schie ßen! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Eine Show hat er abgezogen!)

während Ihre Bundesregierung und auch Ihre Bundesjustiz ministerin nichts unternommen haben.

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Kollege Salomon, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zimmermann?

Ja, er guckt so lieb.

Herr Kollege, wie bewerten Sie die Aussage der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Frau Sitzmann, die den baden-württembergischen Verfassungs schutz überprüfen lassen will und vor wenigen Wochen sag te, 50 % des Personals könnten eingespart werden?

(Abg. Wilhelm Halder GRÜNE: Sehr kreativer Vor schlag!)

Das ist eine sehr gute Frage. Es ist auch wichtig, darüber zu reden, wie die Struktu ren des Landesamts für Verfassungsschutz aufgebaut sind. Herr Grimm hat bereits gesagt, dass wir mehr darauf achten müssen, wo die Wirtschaftsspionage stattfindet, und weniger darauf, wo öffentlich zugängliche Quellen ausgelesen werden und wo etwas hineingeschrieben wird. Ich denke schon, dass man über das Landesamt für Verfassungsschutz reden muss. Über die Höhe von Einsparungen kann man noch sprechen. Es ist jedoch der richtige Tenor, auch über die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz zu sprechen und eine Auf gabenkritik durchzuführen. Da stimme ich meiner Fraktions vorsitzenden völlig zu.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Diese Fragen sind schon lange bekannt!)

Herr Zimmermann, das werden wir nachher noch klären. Ich will jedoch noch einmal andeuten, dass die SPD-Bundes tagsfraktion eine Kleine Anfrage mit 115 Fragen gestellt hat. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Klei ne Anfrage mit „nur“ 104 Fragen gestellt. Das ist etwas we niger.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir sind ja auch mehr im Bundestag!)

Unsere Fragen wurden dafür beantwortet, während die Fra gen der SPD-Bundestagsfraktion nicht beantwortet wurden. Jetzt muss man fragen: Was hat Ihr Bundeswirtschaftsminis ter Rösler

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wer?)

in der noch amtierenden Bundesregierung unternommen? Nichts. Er ist in der Debatte untergetaucht und hat die deut sche Wirtschaft nicht gestärkt. Er hat nicht gesagt: Wir müs sen darüber reden, wie die IT-Sicherheit der deutschen Wirt schaft erhöht werden kann. Dabei vertritt er eine Partei, die die Bürgerrechte und die Wirtschaft hochhalten will. Es ist doch letztendlich Heuchelei, dass Sie von der FDP/DVP hier behaupten, sich im Kampf gegen Spionage einsetzen zu wol len, wenn doch Ihr Bundeswirtschaftsminister nichts in die ser Richtung unternimmt.

(Beifall bei den Grünen)

Unsere Landesregierung zeigt mit dem Projekt „Forward IT“, dass es auch anders geht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nämlich?)

Dort wird gebündelt und ein Projekt „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ ausgearbeitet. Das ist der richtige Weg, weil es darum geht, für die KMUs – um diese geht es im Wesentli chen – nicht nur einen Grundstock an Sicherheit, sondern ste tige Unterstützung, Kooperation und Hilfe im Verfahren für mehr Sicherheit zu gewährleisten. Da gibt es dann auch Initi ativen wie die Open Source Business Alliance mit der Taskforce „Security“ – lange Worte, aber eine ganz gute Idee. Solche Ideen müssen wir unterstützen, weiterverfolgen, und die müssen wir im Auge behalten. Die müssen wir auch wei ter unterstützen. So etwas lebt in Baden-Württemberg, und ich glaube, wir sind da auf dem richtigen Weg, und in diesem Be reich müssen wir weitergehen.

Aber auch unsere eigene Landesregierung kann etwas tun.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nämlich?)

Ich will ja nicht nur Lobeshymnen aussprechen. Es ist mir klar, man kann immer ein Stück obendrauf setzen. Wir müs sen auch unsere Informations- und Kommunikationstechno logieverträge überprüfen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Vodafone!)