Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Wir alle wissen, dass das EEG in der Vergangenheit ein er folgreiches Instrument zur Technologieförderung war, in Zu kunft aber immer mehr zu einem effizienten Finanzierungs mechanismus für die erneuerbaren Energien – und damit für einen dominanten Teil der Energieversorgung – werden muss. Denn, Herr Kollege Nemeth – das sollten Sie einfach einmal akzeptieren –, die Erlöse am existierenden Strommarkt wer den auch zukünftig eine Deckungslücke zu den Vollkosten bei Energieerzeugungsanlagen aufweisen. Das gilt für konventi onelle Anlagen genauso wie für Anlagen für erneuerbare Ener

gien, weil sie nun einmal Grenzkosten haben, Kosten, die ge gen null gehen. An der Börse geht es aber nun einmal um die variablen Kosten, und die Börsenpreise werden weiter sinken.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wenn man neue Erzeugungstechnologien will, dann braucht man Finanzierungsmechanismen, die diese neuen Erzeugungs anlagen – das gilt unabhängig davon, ob es um erneuerbare oder konventionelle Energien geht – in den Markt bringen.

Meine Damen und Herren, es ist das Ziel der Landesregie rung, das EEG für die Weiterführung der Energiewende fit zu machen und es zu einem Instrument auszubauen, das länger fristig trägt, das längerfristig tragen muss. Meine Vorstellung dazu ist, dass das EEG zu einer Brücke zwischen zwei Polen weiterentwickelt werden muss, nämlich dem Erreichen der Ausbauziele und der Marktintegration.

Aber auch hier ist es notwendig, dass man ehrlich bleibt. Es gibt hier durchaus Zielkonflikte, die sich nicht bis ins Aller letzte lösen lassen. Eine vollständige – man könnte sagen: bru talstmögliche – Marktintegration bremst den Ausbau und kann zu hohen Kosten führen. Denn hohe Risiken bedeuten letzt lich auch Risikoprämien. Ein Rundum-sorglos-Paket für alle erneuerbaren Energien wird der Tatsache, dass die erneuerba ren Energien bereits jetzt einen Anteil von nahezu 25 % an der Stromerzeugung haben, aber auch nicht mehr gerecht. Wir brauchen mehr Markt, aber mit Augenmaß, damit der weite re Ausbau nicht stockt, und auch aus Gründen der Kostenef fizienz.

Mittel- bis langfristig – das habe ich auch schon einmal be tont – ist ein technologiespezifisches, regional differenziertes Ausschreibungsmodell aus ökonomischer Sicht unseres Er achtens die optimale Variante. Allerdings – auch das gehört zur Wahrheit – sind auf dem Weg hin zu Auktionen noch vie le Probleme zu lösen.

Insofern bin ich sehr zufrieden mit dem, was im Berliner Ko alitionsvertrag steht, nämlich dass man solche Auktionsmo delle in der kommenden Legislaturperiode erst einmal an ein zelnen Beispielen ausprobieren und hier experimentieren will. Ich glaube, dass das ein guter erster Schritt dazu ist, um mit tel- bis langfristig zu Auktionsmodellen zu kommen, die dann auch eine größere Kostenwahrheit zeigen werden.

Ein erster Schritt hin zu einer Reform kann meines Erachtens sehr gut in einem zweigleisigen Modell bestehen. Ich habe es hier schon einmal vorgestellt. Die erste Option ist ein Bürger modell mit der bewährten Einspeisevergütung, wie wir es ken nen, allerdings mit einer nur noch geringen Rendite. Diejeni gen, die das in Anspruch nehmen, hätten geringe Risiken, aber, wie gesagt, als Gegenleistung nur eine geringe Rendite. Das würde vor allem Bürgerinnen und Bürger, aber auch Energie genossenschaften betreffen. Es hätte den Vorteil, dass auch weiterhin eine breite Palette von Akteurinnen und Akteuren bei der Umsetzung der Energiewende gewährleistet wäre.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die zweite Option ist das sogenannte Integrationsmodell. Ad ressat sind hier risikooffenere Investoren. Wer diese Finanzie rungsoption wählt, bekommt keine Einspeisevergütung mehr, sondern eine Prämie, und genießt keinen Einspeisevorrang,

sondern muss direkt vermarkten. Dieses Modell wäre aus mei ner Sicht ein wichtiger Schritt hin zu mehr Markt und Wett bewerb, vor allem vor dem Hintergrund, dass schon heute im Bereich der Windenergie 80 % direkt vermarktet werden. Es ist also nicht so, dass wir hier bei null anfangen. Vielmehr ha ben wir hier gute Erfahrungen.

Jetzt zum Thema Windenergie. Herr Kollege Nemeth, wir ha ben bei null angefangen, als wir diese Regierung übernom men haben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und Sie ste hen immer noch bei null! – Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt sind wir im Minus!)

Zum Start unserer Regierung waren alle geeigneten Vorrang gebiete, die es im Land gegeben hat, belegt. Es gab noch 30 Vorranggebiete, Herr Kollege Hauk, in denen nicht eine ein zige Anlage stand,

(Abg. Johannes Stober SPD: Da hat kein Wind ge weht!)

weil die Vorranggebiete hinter dem Berg statt auf dem Berg ausgewiesen waren. Also war es notwendig, die ganze Syste matik von Grund auf zu ändern. Wir haben das Landespla nungsgesetz novelliert. Es ist zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten. Auf der Grundlage des Landesplanungsgeset zes haben sich in diesem Jahr alle – alle! – zwölf Regional verbände und gut zwei Drittel der kommunalen Planungsträ ger intensiv mit dem Thema Standortplanung auseinanderge setzt.

Wenn Sie die Zahlen kennen würden, die im Moment vorlie gen, wüssten Sie, dass diese optimistisch stimmen, dass wir bei dieser kostengünstigsten erneuerbaren Energie, deren Aus bau Sie jahrelang verhindert haben, in den kommenden Jah ren hinsichtlich des Ausbaus zu einer Größenordnung kom men, die andere Länder schon längst aufweisen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Paul Nemeth und Karl Zimmer mann CDU)

Ich nenne einmal eine ganz konkrete Zahl. Sie wissen doch, dass solche Planungsprozesse ihre Zeit dauern.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Bayern hat es schneller ge schafft!)

Man braucht dafür größenordnungsmäßig ein Jahr bis einein halb Jahre. Auf der Grundlage solcher Planungsprozesse gibt es immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für die konkreten Standorte, die auch noch einmal mehrere Mo nate dauern.

Zum Stand 30. September lagen insgesamt 46 Anträge für 123 Windkraftanlagen vor, Tendenz weiter steigend.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein, nein! 60 Anla gen sind gestrichen worden!)

Jetzt geht es darum, diese Anlagen zu realisieren. Ich bin zu versichtlich, dass wir nach dem Jahr des Umbruchs 2012 und dem Jahr der Planung 2013 dann 2014 das erste Jahr haben

werden, in dem die Zahlen in Baden-Württemberg relevant nach oben gehen.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Herr Kollege Nemeth, ich kann Sie insofern beruhigen: Ende des Jahres wird nicht „null“ dastehen. Vielmehr werden wir in diesem Jahr größenordnungsmäßig – ich kann es nicht ge nau sagen – in etwa so viele neue Anlagen haben wie im letz ten Jahr.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was? So viele?)

Im letzten Jahr hatten wir 13 neue Anlagen. Das ist immer noch viel zu wenig.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Oh! Gewal tig! – Abg. Peter Hauk CDU: Zu 1 200 fehlt noch et was!)

Aber noch einmal: An Ihrer Stelle wäre ich bei dieser Frage ein bisschen ruhiger vor dem Hintergrund, dass Sie dafür ge sorgt haben, dass Baden-Württemberg hier auf dem letzten Platz unter den Flächenländern war und ist

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie haben auf Wind gesetzt!)

und dass wir die Probleme haben, hier umzusteuern.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Sie haben 1 200 verspro chen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: 1 200 haben Sie versprochen!)

Vor allem muss man sehen: Wenn man umsteuert, wie wir das getan haben, dann gilt es z. B. auch, sich mit dem Thema „Windkraftrelevante Arten“ auseinanderzusetzen. Auch dies braucht Zeit. Wenn man keine Windkraftanlagen will – das war zu Ihrer Regierungszeit so –,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Abg. Pe ter Hauk CDU: Mehr als bei Ihnen!)

dann braucht man auch keine windkraftrelevanten Arten zu erheben.

(Zurufe von der CDU)

Wir standen praktisch vor einem Nichts, was die Erhebung von Rotmilan, Schwarzmilan, Auerhuhn usw. betrifft.

(Abg. Peter Hauk CDU: Und jetzt sind Sie bei we nig!)

Hier mussten wir von Grund auf neu anfangen.

Daher sage ich noch einmal: Ich finde, Sie sind wirklich der falsche Kritiker, was den Ausbau der Windenergie in BadenWürttemberg betrifft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich nun noch einige wenige Bemerkungen zu dem Thema „Windkraft im Berliner Koalitionsvertrag“ ma

chen. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU fin det sich ein Passus zur Windkraft an Land. Demnach sollen – ich zitiere – „die guten Standorte mit einem Referenzwert von 75 bis 80 % auch zukünftig wirtschaftlich genutzt werden kön nen“.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die gibt es in Baden- Württemberg gar nicht!)

Dieser Wert lässt aus meiner Sicht befürchten, dass viele gu te Standorte in Süddeutschland – nicht nur in Baden-Würt temberg, sondern auch in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz – nicht mehr wirtschaftlich wären,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

darunter Standorte, die aus energiewirtschaftlicher Sicht un bedingt erschlossen werden sollten. Aber – das sage ich aus drücklich dazu – ein Koalitionsvertrag ist Gott sei Dank nicht in Stein gemeißelt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oh!)