Zur Etablierung von gezielten Strategien individueller Förderung ist ein Ganztagsbetrieb zu entwickeln, der die erweiterten Lerngelegenheiten integriert und mit dem Fachunterricht verbindet; Ganztagsangebote dürfen nicht nur neben dem Unterricht herlaufen.
Dies sagt ganz klar aus, dass ein gutes Ganztagsschulangebot am Ende eben in einen rhythmisierten Unterrichtsablauf mün den muss, damit auch die Erfolge erzielt werden, die man mit einer Ganztagsschule verbinden kann, damit nämlich die Chance besteht, dass es am Ende zu mehr Bildungsgerechtig keit führt und dass Förder- und Stützangebote sowie die Ein beziehung von außerschulischen Partnern ein Teil des norma len Unterrichts und ein Teil der Schule werden.
Wir sind klar davon überzeugt, dass ein rhythmisierter Ablauf des Ganztagsangebots am Ende die größtmögliche Unterstüt zung für Schülerinnen und Schüler bietet. Dies findet sich im vorliegenden Gesetzentwurf leider nicht.
Darüber hinaus sind wir davon überzeugt: Wenn man eine breite Akzeptanz für das Ganztagsschulangebot in BadenWürttemberg schaffen will, werden auch gute Angebote be nötigt, die von Eltern sowie Schülerinnen und Schülern ak zeptiert werden, und zwar unabhängig davon, ob am Ende die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden soll oder ob die Ganztagsangebote einen Beitrag dazu leisten sol len, dass Fördermöglichkeiten gewährleistet werden.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wesentliches Ziel des Ganztagsschulausbaus. Aber darüber hinaus müssen eine Bildungsqualität und eine Qualität im Unterricht gege ben sein, die ein reines Betreuungsangebot übertreffen.
Gerade wenn man das Elternwahlrecht in den Vordergrund stellt – so möchte es die FDP/DVP auch –, müssen die Ange bote, die am Ende für die Gesellschaft die meisten Vorteile bringen, auch die sein, die den Schulen vor Ort das beste An gebot mit auf den Weg geben.
Wir wollen klar das Elternwahlrecht in den Vordergrund stel len. Das haben wir, die Fraktion GRÜNE, immer betont. Wir wollen auch ein breites Angebot in den Ganztagsschulbereich mit aufnehmen, das heißt, dass gebundene Angebote und of fene Angebote vorhanden sind. Aber wenn ein rhythmisiertes Angebot zu mehr Bildungsgerechtigkeit für die Schülerinnen und Schüler führen soll, dann müssen diese Angebote entspre chend unterstützt werden, um auch die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Bildungsweg breit zu unterstützen.
Wie schon angesprochen wurde, sind wir derzeit mit einem eigenen Gesetzentwurf befasst. Ich finde es immer wieder amüsant, wenn hier von der Opposition davon gesprochen wird, dass mit dem Gesetzentwurf der FDP/DVP der Druck auf die Regierungsfraktionen vergrößert worden sei, dass es nur aufgrund der Arbeit der Opposition gelungen sei, dass hier tatsächlich ein Ganztagsschulgesetz auf den Weg gebracht
Wir wollen ein gutes Ganztagsschulgesetz auf den Weg brin gen, das alle Beteiligten mit integriert. Wenn man die Anhö rungsergebnisse zu Ihrem Gesetzentwurf liest, hat man nicht das Gefühl, dass Sie bei der Erarbeitung Ihres Gesetzentwurfs eine breite Basis beteiligt haben. Vielmehr zeigen Aussagen der Anhörungsergebnisse, dass Sie sich damit selbst befasst haben und eben die Beteiligten, die Verbände nicht einbezo gen haben.
Wir wollen alle Beteiligten im Vorfeld einbeziehen, damit es am Ende einen Gesetzentwurf gibt, der auf eine breite Zustim mung trifft. Daran arbeiten wir.
Im Übrigen: Was Sie vorhin als „offene Bildungsziele“ be zeichnet haben, sind genau die Punkte, die Sie während der Zeit, in der Sie die Landesregierung stellten, leider vernach lässigt haben. Wir arbeiten Ihre Versäumnisse sukzessive auf. Ich kann es leider jedes Mal nur wiederholen. Wir werden am Ende genau die Ergebnisse liefern, die Sie 57 Jahre lang nicht geliefert haben.
Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Minister Stoch und dem Kultusministerium sowie dem Staatsministe rium bedanken, die in der vergangenen Woche eine entschei dende Grundlage für unseren Gesetzentwurf auf den Weg ge bracht haben, nämlich die Vereinbarung mit den kommuna len Landesverbänden zum Ganztagsschulgesetz.
Dies war und ist ein wichtiger Schritt, um eine gemeinsame Grundlage mit den kommunalen Vertretern für den Ausbau der Ganztagsschulangebote an den Grundschulen zu schaffen. Mit dieser Vereinbarung konnten wichtige Fragen geklärt wer den, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf beispielsweise anders geklärt hätten. Ich finde es richtig, wie die Vereinbarung zur Mittagspause mit den kommunalen Landesverbänden gere gelt wurde. Es wird eine gemeinsame Beteiligung ins Spiel gebracht. Dies zeigt, dass wir die gemeinsame Aufgabe ha ben, die gesellschaftliche Aufgabe, die Ganztagsschule in Ba den-Württemberg zu verankern, und dass wir unseren Gesetz entwurf auf einer breiten Grundlage aufbauen.
Wir, die Fraktion GRÜNE, werden hierbei gemeinsam mit der SPD-Fraktion ansetzen, um noch in diesem Jahr ein Ganztags schulgesetz auf den Weg zu bringen. Ich hoffe, dass sich die sem Ganztagsschulgesetz am Ende auch die Opposition an schließt, wenn die Möglichkeit zur Wahlfreiheit gegeben ist,
Ich finde es schade, dass wir hier nicht mit der Unterstützung des Bundes rechnen können; so war es letzte Woche zu hören. Denn gerade nachdem sich das Land und die Kommunen ge meinsam dafür ausgesprochen haben, hier die finanzielle Un terstützung zu gestalten, wäre es dringend notwendig gewe sen, dass der Bund seine Verantwortung ebenfalls zeigt. Aber
vielleicht können die im Landtag vertretenen Fraktionen, de ren Parteien in der Koalition im Bund regieren, nochmals da rauf hinwirken, dass der Bund doch noch einen Ganztags schulausbau auf den Weg bringt, damit wir hier im Land in diesem Bereich finanziell unterstützt werden.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Frau Boser, wir ha ben doch 6 Milliarden €!)
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch gar nicht so lan ge her, dass man vonseiten der damaligen Landesregierung zum Thema Ganztagsschulen hören konnte, die SPD wolle den Familien die Kinder wegnehmen und sie sozialistisch in doktrinieren.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! Frau Schavan war das! – Abg. Georg Wacker CDU: Das liegt 50 Jahre zurück!)
Das liegt nicht 50 Jahre zurück; das war während meiner ersten Legislaturperiode in diesem Hohen Haus, also in den Jahren zwischen 2001 und 2006.
Damals hat Rot-Grün im Bund regiert und den Ländern Mit tel zum Ausbau der Ganztagsbetreuung zur Verfügung gestellt.
Herr Wacker, darauf beruhen Ihre Zahlen. Am liebsten hätte die damalige Landesregierung das Geld gar nicht angenom men. Es handelt sich immerhin um den stolzen Betrag von rund 500 Millionen €. Widerwillig, meine Damen und Herren von der Opposition, hat Ihre damalige Kultusministerin, Frau Schavan,
nicht aber ohne sich selbst daran zu bedienen. Mit dem Geld wurde auch das Landesgymnasium für Hochbegabte in Schwä bisch Gmünd – es ist seit 2004 Modellschule in Baden-Würt temberg – finanziert.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sinnvolle Einrich tung! Wir wollen doch auch die Begabten fördern! – Abg. Volker Schebesta CDU: Hätte man das Geld ab lehnen sollen? – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)
Heute nun scheinen Sie zumindest die politische Notwendig keit des Ganztagsschulausbaus erkannt zu haben. Jedenfalls hat Herr Rülke via Zeitungsinterview verkündet, dass man das Thema verschlafen habe. Daher wäre nun eigentlich der Zeit punkt gekommen, zu dem Sie sich für die damaligen Diffa mierungen entschuldigen könnten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Gute Gelegenheit!)
Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf, liebe Kollegen der FDP/DVP-Fraktion, zeigt jedoch, wie heuchlerisch diese ver meintliche Einsicht ist.
Ihnen geht es offenkundig nur darum, Kinder „aufzubewah ren“. Natürlich ist es e i n wichtiger Aspekt, die gute Be treuung im vorschulischen Bereich weiterzuführen. Wir dür fen berufstätige Eltern mit Schuleintritt ihrer Kinder nicht ins Leere laufen lassen. Aber hierin darf sich Ganztagsschule nicht erschöpfen. Wer tatsächlich möchte, dass an den hiesi gen Schulen mehr Bildungsgerechtigkeit herrscht, der kommt ohne pädagogisches Konzept nicht aus. Dazu gehören ganz selbstverständlich die Hausaufgabenbetreuung und die För derung schwächerer Kinder, aber auch Zeiten zum Ausatmen, in denen die Kinder Kraft tanken können, ohne dass sie dabei alleingelassen wären – also Rhythmisierung.
Wenn man Ihren Entwurf liest, könnte man jedoch glauben, dass Sie an den Schulen eigentlich nichts ändern möchten: weiter im 45-Minuten-Takt, bis zu zehn Unterrichtsstunden an manchen Tagen und ein bisschen Betreuung.
Überhaupt glänzt Ihr Gesetzentwurf vor allem im Bereich des Ungefähren. Das, was Sie uns immer vorwerfen, vollführen Sie hier par excellence:
Jeder darf alles, es gibt keine Vorgaben, keine Grenzen. Und vor allem: Es ist nichts durchfinanziert. Sie machen eine Rech nung mit mehreren Unbekannten auf, wenn Sie beispielswei se keine Einschränkung im Sinne eines Haushaltsvorbehalts vorsehen. Für alle Schulen und Schularten besteht laut Ihrem Entwurf ein Anspruch auf Genehmigung. Konkrete Zahlen, was dies kosten wird und vor allem wie dies finanziert wer den soll, sucht man vergebens. Sie argumentieren einzig und allein mit der demografischen Rendite.
Das Ganztagsprogramm wird vorbehaltlich der entsprechen den Mittel im Staatshaushaltsplan realisiert. Wir fahren auf Sicht, und Sie fahren im Nebel.
Noch weitere Oberflächlichkeiten finden sich in Ihrem Ge setzentwurf; Herr Wacker hat es auch schon angesprochen. Dass die Aufsicht beim Mittagessen der Schule, also dem Land, obliegt, wird ohne Ressourcenauswirkung dargestellt. Sie wollen weitere Mittel für zusätzliches Personal, also das bereits erwähnte – auch ehrenamtliche – Personal zur Verfü gung stellen. Auch das ist nicht in der Ressourcenberechnung dargestellt. Ferner verweisen Sie auf Professor Klemm, der von einem 15- bis 20-prozentigen Ausbau der Ganztagsschu len ausgeht. Schwarz-Gelb ging aber von einem Ausbau von 40 % der Schulen aus. Sie fallen in Ihrem Gesetzentwurf al so deutlich hinter Ihre eigene Position zurück.
Im Gegensatz dazu werden wir den Schulversuch, unter dem einige Schulen schon seit 45 Jahren gelaufen sind, beenden. Vor diesem Hintergrund kann man schon ungeniert von einem historischen Schritt sprechen. Städtetagspräsidentin Barbara Bosch nannte es gar einen Meilenstein in der Bildungspolitik. Selbst der Gemeindetagspräsident und Christdemokrat Roger Kehle hat festgestellt, dass die Einigung des Landes mit den kommunalen Landesverbänden mit der schwarz-gelben Vor gängerregierung nicht zustande gekommen wäre.