Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Ja, schreien ist auch eine Möglichkeit, um abzulenken. Aber es wird Ihnen hier nicht gelingen.

Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Kultusministeriums bezüglich der Vereinbarung mit den kommunalen Landesver bänden:

Über die Finanzierung und Bereitstellung der notwendi gen Ressourcen durch das Land wird im Rahmen der je weiligen Haushaltsaufstellungsverfahren entschieden. Dabei ist auch die weitere Konkretisierung der im Koali tionsvertrag des Bundes zugesagten Entlastung der Län der in diesem Bereich zu berücksichtigen.

Weiter schreibt der Städtetag Baden-Württemberg in seinem Rundschreiben an die Mitgliedsstädte – ich zitiere sinngemäß aus dem letzten und vorletzten Rundschreiben –:

„Von seinem Vorhaben einer Quotierung der Genehmi gung rückt das Land nicht ab.“ Die Frage des Haushalts vorbehalts ist nach wie vor ungeklärt.

Meine Damen und Herren, Sie stellen hier Ressourcen in den Raum, wissen aber nicht, wie Sie es finanzieren können. Ihr Konzept ist nicht durchfinanziert, Herr Kollege.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber 100 %!)

Es gab noch eine Zwischenfrage, die ich jetzt gern zulasse, wenn gewünscht.

Herr Kollege Schwarz, bitte schön.

Herr Kollege Wacker, wir waren alle irritiert, dass Sie in den Raum gestellt haben, die Vorgängerregierung hätte gute Arbeitsgrundlagen geschaffen. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie gern fragen, ob Sie bemerkt haben, dass die jetzige Regierung mit den kommu nalen Landesverbänden eine Lösung für das Mittagessen und die Mittagsaufsicht gefunden hat, und ob Sie wissen, dass das der Punkt war, den die Vorgängerregierung nie gelöst hat, der jetzt aber gelöst wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, warum haben Sie das eigentlich nicht gemacht?)

Lieber Herr Kollege Schwarz, das war in der Tat ein Knackpunkt. Da haben wir übrigens – Frau Kollegin Boser, Sie wissen das – im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf der FDP/DVP gesagt, dass diese Frage heikel ist. Denn wenn es um die Betreuung des Mittagessens geht, dann haben wir es originär mit einer kommunalen Aufgabe zu tun. Deswegen hatte ich auch Verständnis für die ursprüngli che Position des Kultusministeriums, hier nicht sofort in eine Landesfinanzierung einzusteigen.

Sie haben sich hier auf einen Kompromiss verständigt, der auch in Ordnung ist. Doch dieser Kompromiss kostet natür lich zusätzliche Ressourcen. Die entscheidende Frage im Zu ge des Ausbaus der nächsten neun Jahre ist, ob Sie tatsächlich in der Lage sind, die über 200 Unterrichtsdeputate, die übri gens auch in die teilweise Betreuung gemäß diesem Kompro miss hineinfließen, durchzufinanzieren. Wenn es Ihnen ge lingt, dies seriös zu finanzieren, ist der Kompromiss in Ord nung. Doch ich sage in diesem Zusammenhang deutlich: Die Finanzierungsfrage bleibt vor dem Hintergrund der notwen digen Bewältigung der Gesamtunterrichtsversorgung offen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist geklärt! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wir arbeiten anders als die CDU! Das ist seriös!)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die jetzige Oppo sition es in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat, die Ganztagsschule ausgehend von einem Modellversuch im Schul gesetz zu verankern, schaffen wir nach den Gemeinschafts schulen nun für die Grundschulen die gesetzliche Grundlage dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Ich bin es langsam leid, im mer die gleiche Leier zu hören!)

Nach der regionalen Schulentwicklungsplanung, dem Ausbau der Kleinkindbetreuung und dem Abbau des strukturellen De fizits an den beruflichen Schulen sind das weitere Punkte, die die frühere Landesregierung versäumt hat und die wir jetzt aufholen, sehr geehrter Herr Kollege Wacker.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Sie bemängeln, dass wir den Ausbau an den weiterführenden Schulen nicht weiter berücksichtigt haben. Sie sprachen in den vergangenen Wochen und Monaten nur noch von den Real schulen. Wir, die grüne Fraktion, halten jedoch den Ausbau an den Gymnasien ebenfalls für wichtig und wünschenswert.

(Zuruf des Abg. Georg Wacker CDU)

Wir werden es jedoch aus finanziellen Gründen im Moment nicht schaffen, dort die Angebote weiter auszubauen, als wir sie momentan haben. Aber es ist sicherlich wichtig, dass man in den kommenden Jahren auch an die weiterführenden Schu len denkt und schaut, wie man den Ausbau dort voranbringt.

In Baden-Württemberg besuchen derzeit gerade einmal 12 % der Grundschülerinnen und Grundschüler eine Ganztagsgrund schule – in Sachsen und Thüringen liegt der Anteil bei 85 % –, 2011, nach der Regierungsübernahme, waren es in BadenWürttemberg 9 %. Damit bildet Baden-Württemberg zusam men mit Bayern und Hamburg nach wie vor das Schlusslicht.

Ich muss wirklich sagen: Ein echter Erfolg kann das Engage ment der alten Landesregierung in diesem Bereich nicht ge wesen sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Hätten Sie sich in den vergangenen Jahren mit dem Ausbau der Ganztagsschule den anderen Bundesländern angeschlos sen, würden wir jetzt nicht an der Stelle stehen, an der wir mo mentan stehen, sondern würden wir ebenfalls bereits positive Ergebnisse beim Ausbau zu verzeichnen haben. Doch Sie, die Opposition, haben die Ganztagsschule jahrelang immer schlechtgeredet. Sie tun es im Zusammenhang mit der Ge meinschaftsschule heute noch.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

Sie haben diese Ganztagsschule immer wieder als notwendi ges Übel anstatt als eine echte Chance für Bildungsgerechtig keit begriffen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Wenn man manche Aussagen von Ihnen zum Thema Bildungs gerechtigkeit hört, wird es einem wirklich ganz anders. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten einen Satz aus der Be gründung eines Antrags des Kollegen Wacker zitieren:

Die Feststellung, dass die soziale Herkunft und der sozi ale Status der Eltern den schulischen Erfolg eines Kindes prägen, ist in demokratischen und freien Ländern mehr als logisch und selbstverständlich.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Peinlich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir halten das we der für selbstverständlich noch für logisch, sondern wir wol len das Bildungssystem in Baden-Württemberg von seiner so zialen Abhängigkeit entkoppeln und echte Bildungsgerechtig keit für die Kinder bieten. Denn Bildung darf kein Privileg sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das geht nur mit Gemeinschaftsschule! – Glocke des Präsidenten)

Kollegin Boser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Eyb?

Im Anschluss.

Wir setzen daher auf den Ausbau der individuellen Förderung und auf ein Schulsystem, das längeres gemeinsames Lernen als Chance sieht und damit den bestmöglichen Bildungserfolg für alle bietet. Dabei spielt die Ganztagsschule eine enorme Rolle. Denn hier kann die Unterstützung gewährleistet wer den, die von den Elternhäusern eben nicht immer, nicht in al len Fällen mitgegeben werden kann. Dass wir nun mit der Ver einbarung mit den kommunalen Vertretern eine gemeinsame Grundlage geschaffen haben und hier einen gemeinsamen Weg angehen können, ist ein wichtiger Erfolg der grün-roten Landesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Nach dem Pakt mit den Kommunen für Kleinkindbetreuung – Herr Kollege Fulst-Blei hat es schon ausgeführt – ist dies bereits der zweite wichtige Pakt, den wir mit den Kommunen in Baden-Württemberg geschlossen haben. Dies zeigt wieder einmal: Wir sind nah dran an den Städten und Gemeinden, und wir wollen gemeinsam mit den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg die Bildung weiter voranbringen.

Dass wir diesen Pakt geschlossen haben, ist ein Novum in der Geschichte der Landesregierungen. In den vergangenen Jah ren wurde Bildung von oben nach unten herunterdiktiert. Ich nehme einmal das Beispiel der Werkrealschulen; dabei gab es keine Beteiligung der Kommunen in großem Stil.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

Wir schaffen es, gemeinsam mit den Kommunen die wichti gen Bildungsziele voranzubringen. Das ist ein Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Völlig richtig!)

Dabei ist für uns die Qualität der Ganztagsschule ein ganz ent scheidender Faktor. Ich möchte da nochmals auf ein paar Punkte hinweisen, die uns beispielsweise der Aktionsrat Bil dung im vergangenen Jahr dazu mitgegeben hat, was eine Grundlage für einen Erfolg der Ganztagsschule bildet. Dem nach soll ein rhythmisierter Ganztag mit sieben Zeitstunden an vier Tagen pro Woche angeboten werden. Wir liegen mit vier Tagen mit acht bis zwölf Zeitstunden darüber.

Die StEG-Studie zur Ganztagsschule hat darüber hinaus emp fohlen, dass Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingeführt werden und eine echte Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Aktivitäten erfolgt. Wir wollen diese Emp fehlung aufgreifen und die Ganztagsschule auch an pädago gische Konzepte koppeln, die genau diese Empfehlung wider spiegeln.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Wir wissen aber, dass wir in Baden-Württemberg – auch das aufgrund der Versäumnisse der vergangenen Jahre – zunächst in vielen Bereichen eine Akzeptanz für die Ganztagsschule schaffen müssen. Wir wollen die Eltern dabei mitnehmen und

auch flexible Lösungen vor Ort bieten. Wir wollen, dass die Schulen, die Regionen vor Ort entscheiden, welches Angebot für sie das beste ist. Wir sind davon überzeugt, dass die Ganz tagsschule aber mehr sein muss als ein Betreuungsangebot, damit sie am Ende die Qualität erreicht und damit sie am En de auch Bildungsgerechtigkeit schafft. Denn Ganztagsschule ist mehr als eine Voraussetzung für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Ganztagsschule ist ein Bildungs ort, ein Betreuungsort. Hierfür müssen gute Konzepte vor Ort geschaffen werden.