Protokoll der Sitzung vom 19.02.2014

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Diese Möglichkeit der Kooperation wollen wir auch zwischen Hochschulen und zwischen Hochschulen und Forschungsein richtungen stärker unterstützen; denn wir setzen auf die Fä higkeit zur Kooperation. Künftig können sich Einrichtungen zu rechtsfähigen Verbänden zusammenschließen – etwa Schools of Education oder gemeinsam betriebene Rechenzentren.

Ein weiterer Aspekt: Der Fortschritt der Wissenschaft beruht darauf, dass wissenschaftliche Arbeit rezipiert wird, dass sie kritisiert wird und dass sie weiterentwickelt wird. Deswegen ist die freie und ungehinderte Verfügbarkeit wissenschaftli cher Forschungsergebnisse ein erfolgskritischer Faktor. Des halb stärkt das Gesetz den Open Access.

Wir sehen in dem neuen Landeshochschulgesetz vor, nach ei ner Karenzfrist von einem Jahr Wissenschaftler darin zu be stärken, ihr Zweitveröffentlichungsrecht wahrzunehmen. Wir geben den Hochschulen die Möglichkeit, dies verpflichtend vorzusehen. Dabei ist auch vorgesehen, Ausnahmefälle zu re geln, Fälle, in denen von der Erfüllung dieser Pflicht abgese hen werden kann. Es gab einige Presseberichte zu diesem The ma. Deswegen möchte ich hier ausdrücklich unterstreichen: Wir werden mit der Regelung, die wir vorsehen, niemanden in seiner Freiheit zu publizieren einschränken.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir werden durch all diese Weiterentwicklungen des Lan deshochschulgesetzes aber neue Spielräume für exzellente Forschung schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Das ist wichtig!)

Drittes Stichwort zum Thema Qualität ist die Qualität des Stu diums selbst. Wir werden die Qualität des Studiums weiter entwickeln. Dazu mussten wir zunächst einmal das bestehen de Landeshochschulgesetz ein Stück weit entrümpeln. Denn viele der Regelungen im alten Landeshochschulgesetz haben nicht mehr zu den heutigen Verhältnissen gepasst. Wir haben im Gesetzentwurf beispielsweise Zwischenprüfungen gestri chen und die Vorgaben damit an die Realität der gestuften Stu diengänge angepasst.

Wir haben darüber hinaus die verpflichtende Orientierungs prüfung aus dem Gesetz gestrichen. Damit bauen wir den ge setzlich verpflichtenden Prüfungsdruck ab, über den viele Stu dierende zu Recht klagen, und wir legen die richtige Dimen sionierung und Ausgestaltung von Prüfungsfragen in die Hän de der Hochschulen; sie sollen dies entlang ihrer Fächer und Fachkulturen selbst gestalten können.

Wir tragen damit dazu bei, dass Studiengänge in der vorgese henen Zeit absolviert werden können, und schaffen den allzu engen Rahmen von Prüfungsvorgaben durch den Gesetzgeber ab.

Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang: Wir schaf fen neue attraktive Studienangebote. Insbesondere durch den neuen weiterbildenden Bachelor adressieren wir erstmals Stu dierende mit Berufsausbildung im sekundären Bereich, ein grundständiges Weiterbildungsstudium neben dem Beruf zu absolvieren.

Das ist eine Konsequenz aus den Erfordernissen der Wissens gesellschaft insgesamt. Wir wollen, dass unsere Hochschulen erste Adressen sind, um den Prozess des lebenslangen Ler nens zu begleiten und qualitativ hochwertige Angebote zu un terbreiten. Ich bin überzeugt: Dieser weiterbildende Bachelor wird die Durchlässigkeit der Bildungssysteme weiter erhöhen.

Es geht uns um Qualität, aber wir wissen sehr genau: Gute Wissenschaft kann die Politik nicht verordnen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Es ist Aufgabe der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu setzen, dass sich gute Wissenschaft entwickeln kann. Das ist der Geist, den das neue Hochschulgesetz atmet. Wir haben deswegen an vielen Stellen auch die Detailregelungen des Gesetzes zurückgenommen und den Hochschulen Gestal tungsfreiräume gegeben, Möglichkeiten, eigene, passgenaue Lösungen zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Beispielsweise die Zahl der Wahlmitglieder im Senat, die Amtszeitenregelungen, die Regelungen zur Frage der Öffent lichkeit von Sitzungen, zur Zahl der hauptamtlichen Rekto ratsmitglieder – das alles kann man je nach Hochschulart, je nach eigener Tradition in der Grundordnung künftig selbst festlegen.

Es gibt andere Stellen im Gesetzentwurf, an denen wir Regel modelle vorsehen, aber den Hochschulen explizit die Mög lichkeit einräumen, davon abzuweichen, für sich eine andere Lösung zu erarbeiten und in der Grundordnung festzulegen. Auch das ist ein Instrument, mit dem es ermöglicht werden soll, Lösungen zu erarbeiten, die vor Ort am besten passen – beispielsweise in Bezug auf den Hochschulrat oder in Bezug auf Gleichstellungsbeauftragte; in diesem Zusammenhang steht auch mit das Instrument einer allgemeinen Weiterent wicklungsklausel.

Ich bin überzeugt: Stark sind unsere Hochschulen nur dann, wenn sie sich als eine gemeinsame Unternehmung von allen Beteiligten begreifen. Diese Überzeugung durchzieht die No velle. Denn die Neujustierung der Leitungsstrukturen an den

Hochschulen spricht dafür, dass gute Hochschule nur dann ge lingen wird, wenn die Leitungsstrukturen von Rektorat, Hoch schulrat und Senat von einer klaren Abgrenzung ihrer Rollen und ihrer Zuständigkeiten geprägt sind und die Beteiligten dennoch gut miteinander kooperieren und harmonieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir wollen, dass Rektorat, Hochschulrat und Senat in ihrer Verantwortlichkeit gestärkt – durch klare Abgrenzung vonei nander und die Notwendigkeit zur Kooperation – aus dieser Novelle hervorgehen: der Hochschulrat in seiner Verantwor tung für strategische Entwicklungsplanung und Entscheidung, der Senat als Ort der akademischen Selbstbestimmung, der neue Rechte erhält, z. B. Auskunftsrechte, und das Rektorat, das entscheidungsfähig bleiben muss, um eine so komplexe Einrichtung wie eine Hochschule steuern zu können.

Die Neujustierung der Leitungsstrukturen führt zu einem Mo dell von Gremien mit klaren Zuständigkeiten auf der einen Seite, aber mit der Notwendigkeit auf der anderen Seite, zu sammenzuwirken. Am stärksten kommt das in der Wahl des Rektors oder der Rektorin zum Ausdruck, die künftig in ei nem gemeinsam getragenen und verantworteten Gremium auf Augenhöhe zu leisten sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir legen heute den Entwurf einer neuen Verfassung für unsere Hochschulen vor. Er wurde intensiv mit allen Beteiligten erarbeitet. Wir haben passgenaue und wissenschaftsadäquate Regelungen erarbei tet und setzen nicht auf mehr staatliche Steuerung, sondern auf mehr Handlungsfähigkeit. Hochschulen brauchen Freiräu me, um kreativ und innovativ sein zu können, und diese ge währt ihnen das neue Landeshochschulgesetz.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Kurtz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerin hat eine Novelle zum Landeshoch schulgesetz vorgelegt, und für die CDU-Fraktion kann ich ei gentlich gleich vorweg sagen: Wir halten sie für völlig über flüssig.

(Beifall bei der CDU)

Unserer Ansicht nach ist diese Gesetzesänderung nicht nötig. Das meiste von dem, was Sie vorlegen, ließe sich unterhalb einer Gesetzesänderung regeln, und was darüber hinausgeht, ist überflüssig und teuer. Im Prinzip geht es wieder einmal nur darum, ein grün-rotes Füllhorn auszugießen.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Oh Jes ses!)

Kosten soll das Ganze überhaupt nichts. Alle Neuerungen sol len von den Hochschulen kostenneutral umgesetzt werden.

Sie sind nicht bereit, den Hochschulen für die zusätzlichen Aufgaben, die Sie vorsehen, auch die entsprechenden Mittel zu geben. Wir finden, das wirft ein schlechtes Licht auf die Verhandlungen zum Solidarpakt III. Wir können für die CDU nur sagen, dass wir Wert darauf legen, dass Sie diese Neue rungen, die Sie einführen, auch in den Solidarpakt einbringen und sauber ausfinanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktio nen, wirtschaftliches Denken ist Ihnen ja fremd.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD)

Dies zeigt sich ganz eindeutig an der grundsätzlichen und tief greifenden Änderung, die Sie an diesem Landeshochschulge setz vornehmen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)

Zuerst einmal verabschieden Sie sich nämlich von dem Leit bild der unternehmerischen Hochschule, Herr Dr. SchmidtEisenlohr. Ich darf einmal an das Leitbild der unternehmeri schen Hochschule erinnern. Dabei ging es uns darum, die Au tonomie der Hochschule zu stärken, in den Hochschulen un ternehmerisches und strategisches Denken zu verankern und sie für den Wettbewerb zu stärken, den die Frau Ministerin gerade ansprach. Genau davon wollen Sie sich jetzt verab schieden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Richtig! – Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Was sagen die Hochschulen dazu?)

Dass die Hochschulen bei unserer Wirtschaft wirklich viel Vertrauen genossen haben, sehen Sie z. B. an der Höhe der Drittmittel, die eingeworben wurden. Sie sind in den letzten Jahren eklatant gestiegen, und in Baden-Württemberg rühmen wir uns, dass 5,1 % des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung fließen. Sie wissen ganz genau, wer diese Mittel investiert: Das sind die Unternehmen im Land. Wenn Sie im Vergleich sehen, dass die Europäische Union das Ziel nannte, dass 3 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden sollen, und die Bundes regierung dieses Ziel in ihrem Koalitionsvertrag nochmals be stätigt hat und dafür Steigerungen im Bundeshaushalt ankün digt, dann stellen Sie fest, dass wir in Baden-Württemberg überdurchschnittlich gut aufgestellt sind. Das fällt nicht vom Himmel, sondern es wird von den Unternehmen der Wirt schaft geleistet.

(Beifall bei der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das war der alte Rahmen!)

Daher müssten auch Sie ein Interesse daran haben, dass die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft dialogisch und harmonisch ausgestaltet wird. Denn es ist genau die Wirt schaft, die die Absolventen der Hochschulen dann aufnehmen und beschäftigen soll, und dabei wäre es sinnvoll, eng zusam menzuwirken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Deshalb dürfen die Hochschulen nicht am Gängelband des Ministeriums geführt werden. Vielmehr muss ein Hochschul rat mit externen, selbstständigen Persönlichkeiten das Rekto rat bei seinem Denken, Handeln und Entscheiden beraten. Ge nau das schaffen Sie jetzt ab.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Was? – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sie haben den Entwurf nicht gelesen!)

Sie wollen den Hochschulrat in seiner Zusammensetzung und seinen Entscheidungsbefugnissen völlig verändern, und Sie wollen sämtliche gesellschaftlichen Gruppen darin vertreten haben. Alle Verbände sollen sich darin widerspiegeln. Aber das ist genau das, was keinen Sinn macht. Wir brauchen dort starke Einzelpersönlichkeiten, und diese gewinnen Sie nur, wenn Sie ihnen auch Entscheidungsbefugnisse einräumen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

und ihnen keinen Klotz ans Bein binden. Sie entmachten den bisherigen Hochschulrat; das ist ganz klar ablesbar.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)