Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geschätzter Herr Kol lege Zimmermann, Sie haben beinahe – aber auch nur beina he – den närrischen Empfang hier im Parlament vorwegge nommen.
Hinsichtlich des Sparens, Herr Kollege, ist es selbstverständ lich, dass sich jedes Ministerium und jede Landesbehörde ei ner Aufgabenkritik unterziehen muss
und dass geprüft werden muss, wie die Aufgaben erfüllt wer den, ob sie auch anders erfüllt werden können und ob dadurch eine Konsolidierung stattfinden kann. Das findet in der Lan despolitik über die ganze Breite der Aufgaben statt. Deswe gen kann das Amt für Verfassungsschutz hier nicht ausgespart werden. Das ist für uns überhaupt keine Frage.
Damit ist aber keine Abschaffung verbunden. Weder der Mi nisterpräsident noch die Fraktionsvorsitzende, noch die grü ne Landtagsfraktion haben jemals die Abschaffung des Am tes für Verfassungsschutz gefordert. Im Gegenteil, wir haben uns ausdrücklich zu seinen Aufgaben bekannt. Das ist auch schriftlich niedergelegt. Allerdings halten wir eine Aufgaben kritik für notwendig. Die Frage, ob der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg zumindest in Teilbereichen neu aufge stellt werden muss, ist berechtigt.
Diese Debatte gibt es im ganzen Bundesgebiet. Heute Vormit tag berät das Bundeskabinett über die Konsequenzen, die aus der Mordserie der NSU-Terroristen zu ziehen sind. Kollege Zimmermann, Baden-Württemberg ist keine Insel der Glück seligen, wo es heißen kann: „Weiter so! Wir haben keinen Än derungsbedarf.“ Das ist definitiv nicht der Fall.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Erklären Sie einmal, wo Sie Stellen einsparen wollen! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Sie haben jetzt nicht das Wort!)
ich glaube, im Moment habe ich das Wort, oder? –, diese Aufgabenkritik in aller Ruhe und Sachlichkeit durchzuführen. Nichts anderes hat Kollegin Sitzmann in ihrem Wortbeitrag im Sommer 2013 gesagt.
Es ist doch klar, dass man sich nach den Erfahrungen der letz ten 15 Jahre Fragen stellen muss. In Baden-Württemberg ha ben wir eine starke Behörde, die zweifelsohne in vielen Be reichen erfolgreich arbeitet.
Hier nenne ich ausdrücklich den Bereich des islamistischen Terrorismus. Über die Frage, ob man mehr mit dem Bund zu sammenarbeiten oder etwas delegieren kann, wurde insbeson dere in den letzten Wochen viel diskutiert. Deswegen ist dies ein wichtiges Thema. Hier arbeitet das Landesamt vorbildlich, was auch damit zu tun hat, dass es eines der ersten Landes ämter war, das sich dieser Aufgabe mit eigenen Leuten zuge wandt hat. Daran gibt es nichts zu deuteln.
Wir müssen jedoch leider konstatieren, dass das NSU-Trio hier viele Jahre lang aktiv sein konnte, dass es hier 30 Besu che machen konnte und dass unsere personell sehr gut ausge statteten Sicherheitsbehörden – wie die Verfassungsschutzbe hörden anderer Bundesländer und des Bundes – leider nicht in der Lage waren, dies rechtzeitig aufzudecken. Zu dieser Er kenntnis müssen wir leider auch gelangen.
Hier ist die Frage berechtigt und notwendig: Welche Konse quenzen sind daraus zu ziehen? Darüber muss man in aller Ruhe und Sachlichkeit diskutieren. Dazu laden wir Sie ein, Herr Kollege Zimmermann. Hier können Sie Ihren Sachver stand gern einbringen. Dazu gibt es Vorschläge. Es werden berechtigterweise Fragen gestellt wie: Muss der Verfassungs schutz in der Breite all das machen, was er bisher macht? Muss er Prävention leisten? Muss er in Schulen politische Aufklärung leisten, oder können das andere machen? Diese Fragen sind völlig berechtigt. Sie rühren jedoch überhaupt nicht an der Kernaufgabe des Verfassungsschutzes. An der Kernaufgabe will doch niemand etwas ändern. Wir führen die Diskussion, die woanders auch geführt wird. Dies ist aus un serer Sicht notwendig.
In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Abgabe von Zuständigkeiten an den Bund von Bedeutung. Diese muss hier auch aufgeworfen werden. Der Innenminister hat dies doch völlig zu Recht erwogen. Er hat dazu ein Beispiel genannt, wo dies vielleicht generell vorstellbar wäre. Wenn die gemein same Erkenntnis richtig ist, dass die Zusammenarbeit zwi schen dem Bund und den Sicherheitsbehörden der Länder ver zahnt und der Informationsaustausch besser werden muss, was Sie in allen Berichten – Bund-Länder-Kommission, Untersu chungsausschüsse, einstimmiger Beschluss des Bundestags – lesen können,
dann muss man diese Fragen stellen können. Wir haben Be denken gegen die Abgabe zentraler Zuständigkeiten, nicht nur aus föderalen Prinzipien, sondern aus Fragen des Erkenntnis gewinns. Hier muss man sorgfältig prüfen, ob die Abgabe von Zuständigkeiten in diesem Bereich möglich ist.
Nichts anderes hat der Minister getan, und wir werden in der Lage sein, auch diese Frage überzeugend zu beantworten. Die Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle ist, wie gesagt, ebenfalls ein Thema, dem wir uns gemeinsam widmen müs sen.
Unterm Strich, meine Damen und Herren, gibt es genug An lass, über die Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes und
eine moderne Aufstellung zu diskutieren. Wir müssen dem Motto folgen, das auch heute Motto der Debatte auf Bundes ebene ist: künftig mehr Offenheit statt Fortsetzung der Schlapp hutmentalität. Das ist die moderne Aufgabenstellung.
Seine Erkenntnisse müssen in der Gesellschaft viel mehr dis kutiert werden. Wir brauchen mehr Prävention und mehr Auf klärung. Wir müssen die Zivilgesellschaft fit machen für die se Herausforderungen, gerade von rechts. Das ist unsere ge meinsame Aufgabe, und wir wollen uns dieser gemeinsam stellen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ja, genau, aber auf unter schiedliche Art!)
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Zimmermann, Ihre Rede muss man sich noch einmal – eher unter karnevalesken Argumen ten – vor Augen führen. Denn ich denke, das Thema ist zu ernst.
(Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es, Herr Kollege! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Denken Sie als Sozialdemokrat daran!)
Denken wir an die Diskussionen, die wir momentan führen, und daran, warum wir sie führen müssen. Wir müssen noch einmal zurückblicken. Es hat auch etwas mit den Enthüllun gen der letzten Jahre zu tun, warum wir überhaupt diese De batte führen müssen und warum wir überlegen müssen, wie wir den Verfassungsschutz in Zukunft strukturell aufstellen. Dass in den letzten Jahren nicht überall alles gut gelaufen ist, ist ebenfalls klar. Daran wird deutlich, dass das LfV an be stimmten Stellen umgebaut werden muss.
Aber eines muss man natürlich auch sagen – dies ist uns, der SPD-Fraktion, wichtig –: Wir dürfen Sicherheitslagen nicht gegen Haushaltssituationen ausspielen. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht vor.
Auch von unserer Seite war von nichts anderem die Rede. Dass manch einer einmal ein Interview gibt, das vielleicht der eine so und der andere so beurteilt, das ist Herrn Hauk diese
(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Karl Zimmermann: Da äußert sich der Ministerpräsident, aber hier nicht! – Gegenruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)
Aber das Wichtige ist doch, dass die Landesregierung sowie der Innenminister als Person darstellen, dass wir von allen Plä nen und Überlegungen zu irgendwelchen Zentralisierungen Abstand nehmen, und dass dies auch gilt.