Protokoll der Sitzung vom 30.04.2014

Dabei sparen wir auch kritische Themen nicht aus. Beispiels weise hat sich der runde Tisch „Islam“ im Mai 2012 gegen ei ne nicht legitimierte Paralleljustiz durch sogenannte Friedens richter positioniert. Schon in der ersten Sitzung im November 2011 haben wir ein Bündnis gegen Menschenfeindlichkeit ver abschiedet, übrigens gemeinsam mit den christlichen Kirchen und mit den jüdischen Gemeinden. Damit hat der runde Tisch „Islam“ sichtbar Zeichen gesetzt. Diese wirken in die islami schen Gemeinden hinein. Aber sie wirken auch in Richtung Gesamtgesellschaft, also in Richtung derer, die den Muslimen und ihrem Glauben noch skeptisch oder auch ablehnend ge genüberstehen.

An grundsätzlichen Themen haben wir beispielsweise die rechtliche Stellung des Islams, die Rolle der Frau im Islam, das Themenbündel „Jugend, Kultur und Medien“ sowie den islamischen Religionsunterricht aufgegriffen. Natürlich kön nen wir einen flächendeckenden islamischen Religionsunter richt im Moment noch nicht aus dem Hut zaubern. Wir müs sen einige Fragen klären. Darüber führen wir Gespräche mit dem Kultusministerium.

Zunächst werden wir uns in der kommenden Sitzung am 12. Mai dem interreligiösen Dialog widmen – ein wichtiges Thema. Andere Themen, die bereits genannt wurden, möchte ich hier auch kurz anreißen. Wesentliche Impulse gingen bei der Änderung des Bestattungsgesetzes vom runden Tisch aus. Der Landtag hat nun in großem Konsens eine gute Lösung ge funden. Die Sargpflicht entfällt, und auch die Vorgabe eines frühesten Bestattungszeitpunkts entfällt.

Die Gesetzesänderung ist auf reges Interesse gestoßen. Auch mein Haus hat viele Anfragen und Rückmeldungen bekom men, ernsthafte Anfragen, die man zunächst gar nicht im Blick hatte. Erst in der letzten Woche wollte eine Frau von mir wis sen, ob sie als Christin sich denn nun auch in Tüchern bestat ten lassen könne, denn Jesus sei in Leintüchern bestattet wor den. Auch das ist eine wichtige Frage.

Es gab auch andere Stimmen; das wurde hier auch schon ge sagt. Es gibt Menschen, die eine Muslimisierung der Gesell

schaft oder eine Untergrabung christlicher Werte befürchten. Aber: Wenn wir jetzt für Muslime Bestattungen nach musli mischem Ritus zulassen, was passiert dann mit den christli chen Werten? Zunächst nichts. Sie bleiben unangetastet, so, wie es in der Landesverfassung vorgesehen ist.

Muslime bekommen von uns auch keine Extrawurst gebraten. Das Grundgesetz sieht Religionsfreiheit vor. Sie gilt aber auch für Andersgläubige; auch das darf man nicht vergessen. Das ist das eine.

Das andere ist: Wie soll ich den Muslimen denn sagen, was ich von ihnen erwarte, wenn ich nicht mit ihnen spreche? Wie soll ich sagen, dass wir Wert darauf legen, dass alle Kinder am Schwimm- und Sportunterricht teilnehmen, dass Frauen Rechte haben und dass diese Rechte zu achten und zu schüt zen sind, dass wir Partner brauchen im Kampf gegen häusli che Gewalt genauso wie beim Thema Extremismus? Auch da rüber haben wir heute gesprochen.

Sie sehen: Hier schließt sich der Kreis von innerer Sicherheit über inneren Zusammenhalt. Genau das versuchen wir in ei nem Dialog mit den Muslimen zu erreichen, neben all den an deren wichtigen Themen, die uns in der Gesellschaft und im politischen Betrieb Tag für Tag beschäftigen. Diesen Weg des kritisch-konstruktiven Dialogs wollen wir fortsetzen, und das unabhängig davon, ob Abgeordnete Anträge schreiben oder nicht, ob Ausschusssitzungen ausfallen oder nicht. Das liegt in Ihrer Hand. Ich mache meine Arbeit und lade Sie gern herz lich dazu ein, daran mitzuwirken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/4026. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men zu. Danke schön.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Ausgestaltung der EFRE (Europäischer Fonds für regi onale Entwicklung)-Förderung in Baden-Württemberg in der Förderperiode 2014 bis 2020 – Drucksache 15/4027

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Re dezeiten gelten.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Murschel.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Nachmittagsblock ist relativ stark – so sage ich einmal – mit Themen aus dem Bereich „Ländlicher Raum“ durchsetzt:

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

zwischen den Themen Milchwirtschaft und Biber jetzt noch das Thema EFRE als Kontrastprogramm aus der Sicht der EU. Ich möchte dieses Thema in aller gebotenen Kürze noch ein mal aufgreifen. Wir haben es auch in verschiedenen Ausschüs sen – nicht nur im Europaausschuss – durchaus intensiv be handelt und haben besprochen, was die Absichten der einzel nen Struktur- und Kohäsionsfonds vonseiten der EU sind.

Fazit: Die Kohäsions- und Strukturpolitik wird es auch in der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 geben. Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung, Klimawandel, Energie und so ziale Ausgrenzung sind die Themenschwerpunkte, die für al le Mitgliedsstaaten als Überschrift stehen.

Die EU hat uns dazu angehalten – das ist sicher auch richtig –, Schwerpunkte zu bilden. Ich werde auch noch kurz darauf zu sprechen kommen, was wir uns als Schwerpunktsetzung für das Land Baden-Württemberg vornehmen und in den nächsten Jahren auch umsetzen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Danke.

Es sind – das vielleicht, um es einordnen zu können – 325 Mil liarden € – ich habe die Zahl noch einmal nachgelesen –, die in der ganzen EU über den Siebenjahreszeitraum für die Struk tur- und Kohäsionsfonds zur Verfügung stehen. Ungefähr ein Drittel des gesamten EU-Budgets wird dafür investiert. Das ist gar nicht unerheblich; das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Auch künftig werden alle Regionen von der EU finanziell un terstützt und orientiert sich der nationale Kofinanzierungssatz am Entwicklungsniveau der einzelnen Regionen. Es besteht die Einteilung in weniger entwickelte Regionen, Übergangs regionen und stärker entwickelte Regionen. Zu letzteren zählt Baden-Württemberg. Das heißt: Der Kofinanzierungsanteil Baden-Württembergs beträgt 50 %. Andere Regionen müssen weniger Eigenmittel aufbringen. Das ist sicherlich im Sinne dieser Kohäsionspolitik das Richtige.

Die Kohäsions- und Strukturpolitik verfolgt einen gemeinsa men strategischen Rahmen. Die Arbeitsprogramme und die Mitteilungen vonseiten der EU haben wir – ich habe es gera de eben erwähnt – in den letzten Tagen und Wochen disku tiert, zuletzt das Arbeitsprogramm für 2014 mit dem Ausblick auf die folgenden Jahre. Dieser gemeinsame strategische Rah men findet sich in den einzelnen Fonds wieder: im Europäi schen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, um den es jetzt im Eigentlichen geht, und im ESF. Letztendlich geht es auch um den ELER, den Landwirtschaftsfonds, der für den ländli chen Raum und die Landwirtschaft eine große Bedeutung hat, und den Fischereifonds, der sicherlich bei uns nicht von gro ßer Bedeutung ist.

Was ist die aktuelle Situation zum EFRE in Baden-Württem berg? Was sind die Kernpunkte für den EFRE in der neuen Förderperiode? Wir wollen eine Stärkung der Wettbewerbs fähigkeit der Regionen, auch in Baden-Württemberg, errei chen; wir wollen regionale Stärken stärken. Das heißt, dass florierende Regionen – dazu zähle ich Baden-Württemberg – auch in Zukunft in Europa Lokomotivfunktionen übernehmen können. Da sind wir gut aufgestellt, aber wir müssen etwas tun, damit wir auch gut aufgestellt bleiben.

Bisher war das baden-württembergische EFRE-Programm im Bundesvergleich und im Vergleich mit den Programmen in anderen Mitgliedsstaaten eher ein kleineres Programm. 2007 bis 2013 waren hier 143 Millionen € im Topf. Damit war es unter allen Programmen in den Flächenländern das kleinste und in der Bundesrepublik das drittkleinste Programm. Das hat sich geändert.

Der Minister für Ländlichen Raum hat es gerade vorhin noch einmal angesprochen: Der Verteilungsschlüssel, nach dem die Mittel auf die Bundesländer verteilt werden, hat sich geän dert. Das heißt, dass uns jetzt rund 100 Millionen € mehr zur Verfügung stehen. Ich glaube, es sind jetzt 246,6 Millionen € gegenüber 143 Millionen € in der vorherigen Periode. Damit kann man etwas machen. Das ist ein wunderbarer Erfolg, den man bei der Verhandlung erreicht hat und der uns den Spiel raum und das Potenzial gibt, richtige Regionalpolitik und in vestive Politik für KMUs und für den Klimaschutz in BadenWürttemberg zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wie setzen wir es um? Das Operationelle Programm in Ba den-Württemberg trägt den Titel „Innovation und Energiewen de“. Wir haben uns – das habe ich vorhin angesprochen – auf zwei Schwerpunkte konzentriert. Der erste Schwerpunkt lau tet: Forschung, technologische Entwicklung und Innovation. In diesen Schwerpunkt fließen 74 %, der überwiegende Teil der Mittel. Aber auch den Umweltaspekt wollen wir stark be tonen. Dafür sind weitere 26 % der Mittel vorgesehen. Die Ausrichtung zielt auf CO2-armes Wirtschaften; im Umwelt bereich wird also der Klimaschutz fokussiert. Damit können wir im Sinne einer wirklichen Forschungsinfrastruktur die Spitzenforschung sowie die angewandte, wirtschaftsnahe For schung mit der KMU-Förderung verbinden. Ein Teil wird auch über andere Ministerien umgesetzt. Ich glaube, die Verzah nung ist ganz gut.

Ich glaube bezüglich des Klimaschutzes, dass von diesen 26 % einiges in der Wirtschaft, bei den KMUs, aber auch für die Bewusstseinsbildung im kommunalen Klimaschutz ankom men wird. Förderprogramme gibt es jetzt schon; sie ressortie ren beim Umweltministerium. Ich nenne z. B. nur einmal das Netzwerk Energieeffizienz und das Programm „Klimaschutz mit System“.

Zur konkreten Umsetzung der Förderprogramme, bei denen wir umgesteuert haben, bei denen wir Veränderungen herbei geführt haben, ist die Auslobung des Wettbewerbs RegioWIN zu nennen. Bei RegioWIN sollen 30 % der Fördermittel in ein Programm fließen, für das sich Regionen bewerben können. Dies ist auch schon geschehen. Erst neulich wurden uns die Siegerregionen vorgestellt. Das ist ein Ansatz, der von unten kommt. Für diese neuen Programme ist eigentlich typisch, dass man diese Ideen, die aus der Region kommen und mit denen man eine eigene Leitbildfindung, eine eigene regiona le Identität anstrebt, wesentlich stärker betonen will.

Speziell im ländlichen Raum – das will ich jetzt noch anspre chen – stehen die Mittelstandsförderung und die KMUs im Zentrum. Wer die Debatten über das Verhältnis zwischen Stadt, Region und Land mit verfolgt, der bekommt mit, dass

wir starke ländliche Regionen haben, dass die Wertschöpfung in den ländlichen Räumen funktioniert, dass wir aber Defizi te in der Infrastruktur haben und dass wir es durch die demo grafische Entwicklung immer schwerer haben werden, diese Defizite nachher auch wirklich auszugleichen. Aber wir brau chen uns hier nicht zu verstecken. Wir brauchen eine geziel te regionale Entwicklung und Unterstützung. Dafür haben wir speziell die Programme für den ländlichen Raum.

Zusammengefasst möchte ich zu der Frage, was EFRE unter einer grün-roten Regierung auszeichnet, aus meiner Sicht noch Folgendes sagen. Ich denke, wir haben die Möglichkeit und die Chance, das Land wirklich zu stärken, Forschung, In novation, Klimaschutz in den Fokus zu nehmen. Wir haben hier die Chance der Verbindung mit anderen Programmen, die zur Verfügung stehen. Ich nenne einfach einmal LEADER, EFRE, RegioWIN, ILEK. Das sind diese vielen, vielen Pro gramme, die bereits existieren. Sie geben uns Möglichkeiten zu steuern, und sie geben uns Möglichkeiten, den ländlichen Raum auch gezielt aufzuwerten und zu unterstützen.

Damit gehen wir auch das große Thema Demografie an. Das ist ein Thema, von dem ich glaube, dass wir alle hier erst am Anfang stehen. Viele reden davon. Wir werden dieses Thema als zentrale Herausforderung annehmen, und wir sind froh, dass wir mit EFRE ein Instrument, ein Programm, einen För dertopf, einen Fonds haben, der uns Strukturen gibt, der uns Möglichkeiten gibt, hier Positives für das Land zu bewirken.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Gurr-Hirsch das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Landesregie rung verkauft gute Nachrichten gern mehrfach, weil es wahr scheinlich nicht so viele davon gibt.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Insofern ist es nachvollziehbar, dass wir dieses Thema heute auf der Tagesordnung haben. Wir behandeln zu einem Antrag der Fraktion GRÜNE die Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, deren Erkenntnis gewinn nicht sehr hoch ist.

Baden-Württemberg erhält mehr EU-Mittel aus dem EFRE als bisher. Das ist unbestritten. Das ist auch erfreulich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nur wegen uns!)

Ich denke, das bietet auch Chancen für unser Land. Es stellt sich aber die Frage, ob das – wie unterstellt wird – etwas mit dem Verhandlungsgeschick der Regierung zu tun hat

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, sicher!)

oder nicht vielmehr mit einer anderen geistigen Haltung,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das kommt doch nicht von allein!)