Protokoll der Sitzung vom 30.04.2014

Im letzten Jahr z. B. hat die UETD, also der europäische AKPAbleger, 30 000 Leute in Düsseldorf zusammengekarrt. Dort sind dann antisemitische Parolen vorgebracht werden. Über ARD und ZDF wurde von radikal christlichen Terrororgani sationen gesprochen. Das konterkariert dann die Ergebnisse, die man auf der Grundlage unserer Verfassungsordnung und unserer Verantwortungsgemeinschaft gemeinsam erarbeitet hat.

Ein anderes Beispiel: In Konstanz laufen nationalistische Gruppen durch die Stadt, kritisieren das Theaterstück, das den

Genozid an den Armeniern thematisiert, und der Generalkon sul verlangt, dass vor jeder Aufführung ein Brief verlesen wird. Ich finde, das hat mit integrationspolitischer Leistung überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Wilhelm Hal der GRÜNE und Rita Haller-Haid SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Da müssen auch die Verbände das, was im runden Tisch „Is lam“ an Gutem vereinbart wurde, in die Lebenswirklichkeit der Menschen übertragen – das ist mir wichtig –, ohne Schaum vor dem Mund, ohne Vorwürfe. Ich finde, wir haben in unse rer Gesellschaft noch ganz viel zu tun, damit Vorurteile wirk lich abgebaut werden und wir gemeinsame Grundlagen für das Zusammenleben schaffen. Deswegen wünsche ich dem runden Tisch „Islam“ weiterhin gutes Gelingen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Ich erteile Herrn Abg. Halder für die Fraktion GRÜNE das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Vor gut zweieinhalb Jahren wurde der runde Tisch „Is lam“ von der baden-württembergischen Integrationsministe rin Bilkay Öney eingerichtet. Mit dem runden Tisch „Islam“ wurde ein institutionalisierter Dialog zwischen der Landesre gierung sowie Bürgerinnen und Bürgern islamischen Glau bens etabliert.

Ist ein solcher Dialog notwendig? Warum brauchen wir einen solchen Dialog? Zur Beantwortung dieser Fragen bietet sich ein Zitat des deutschen Ordensgeistlichen August Heinrich Henckel von Donnersmarck an. Er sagte – ich zitiere mit Er laubnis der Präsidentin –:

Die Verwirklichung des Menschen geschieht im Dialog, in der doppelten Fähigkeit, zu reden und zuzuhören, zu antworten, aber auch darin, sich vom Wort treffen zu las sen. Anders gesagt: Dialog, das meint die Bereitschaft zur Kooperation.

Für den runden Tisch „Islam“ kann festgestellt werden: Wir brauchen den Dialog mit den Musliminnen und Muslimen in Baden-Württemberg, um Vorurteile und Missverständnisse abzubauen.

Wir brauchen den Dialog, um voneinander zu lernen. Wir brauchen den Dialog, um unser Miteinander besser zu gestal ten. Wir brauchen den Dialog für ein weltoffenes und moder nes Baden-Württemberg.

Aus meiner Sicht kann die Frage, ob wir einen solchen Dia log brauchen, somit mit einem klaren Ja beantwortet werden.

Während der vergangenen zweieinhalb Jahre hat sich der run de Tisch „Islam“ mit einer Vielzahl von Themen beschäftigt, angefangen bei der Wahrnehmung des Islams in der Gesell schaft über das Bestattungsrecht, Friedensrichter, die Kran kenhausseelsorge, die Stellung der Frau im Islam bis hin zum islamischen Religionsunterricht. Weitere aktuelle Themen standen auf der Tagesordnung.

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz auf das Thema „Islami sche Seelsorge“ eingehen. Bislang wurden in der Region Bo densee-Oberschwaben und in der Metropolregion Rhein-Ne ckar islamische Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger ausgebildet. Unser Ziel ist es, dieses Angebot in den kommen den Jahren auf weitere Regionen auszuweiten. Darüber hin aus sind Aufbaukurse für die Bereiche Gefängnis-, Notfall- und Telefonseelsorge angedacht.

Die Nachfrage nach solchen seelsorgerischen Angeboten ist in der Vergangenheit – unabhängig von der religiösen Zuge hörigkeit – stark gestiegen. Umso wichtiger ist es, dass ent sprechende Angebote auch für muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stehen. In Mannheim beispiels weise hat sich gezeigt, dass es Patientinnen und Patienten zu nehmend in die Krankenhäuser zieht, in denen islamische Seelsorgerinnen und Seelsorger tätig sind.

Das Beispiel Seelsorge zeigt, dass die beim runden Tisch „Is lam“ geführte Diskussion aufgegriffen wird und konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Aus dem Dialog heraus hat sich damit eine neue Form der Zusammenarbeit ergeben.

Der runde Tisch „Islam“ stellt aus meiner Sicht eine wichtige Einrichtung für institutionalisierte Gespräche mit Bürgerin nen und Bürgern islamischen Glaubens dar. Die grün-rote Landesregierung macht deutlich, dass sie nicht über Musli minnen und Muslime, sondern mit ihnen sprechen will. Da mit ist der runde Tisch „Islam“ auch ein gutes Beispiel für un sere Politik des Gehörtwerdens.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich erteile Herrn Abg. Glück für die Fraktion der FDP/DVP das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Stellungnahme zu dem An trag „Konzept und Praxis des ‚Runden Tisches Islam‘“ ist vom Oktober vergangenen Jahres. Es gab beim runden Tisch „Is lam“ bisher fünf Zusammenkünfte mit verschiedenen The menschwerpunkten. Dabei war einiges praktisch völlig kon fliktfrei, so z. B. das Bestattungsrecht, dessen Änderung ja auch von allen Fraktionen hier im Haus beschlossen wurde.

Ein anderes wichtiges Thema, das beim runden Tisch „Islam“ besprochen wurde, ist der islamische Religionsunterricht. Ei ne ganze Seite der Stellungnahme ist diesem Thema gewid met. Die Ausführungen zeigen klar auf, dass bereits seit der zweiten Sitzung des runden Tisches „Islam“, das heißt seit Mai 2012, klar war, dass man das Thema „Islamischer Reli gionsunterricht“ behandeln wolle. Es hat bemerkenswerte an derthalb Jahre – bis Oktober 2013 – gedauert, bis es dann möglich war, gemeinsam mit Kultusminister Stoch dieses wichtige Thema beim runden Tisch „Islam“ zu besprechen. Das zeigt: Die Mühlen der Landesregierung mahlen sehr, sehr langsam.

Es erscheint natürlich auch wie eine Worthülse, wenn der Mi nister dann immer wieder sagt, es sei ihm ein großes Anlie gen, dass man zu einer zeitnahen Lösung kommt, was den is lamischen Religionsunterricht angeht. Bereits seit dem Schul jahr 2006/2007, also dem Anfang der vergangenen Legisla

turperiode, gab es einen Schulversuch mit islamischem Reli gionsunterricht, zunächst einmal an nur zwölf Schulen. Mehr war damals schlicht nicht möglich, weil die Lehrkräfte dazu gefehlt haben.

Heute ist von einem Lehrermangel nicht mehr auszugehen. Zumindest bieten hier im Land vier Pädagogische Hochschu len eine Zusatzausbildung für Lehrer an, die dann zur Ertei lung islamischen Religionsunterrichts ermächtigt. Für den gymnasialen Bereich gibt es das Zentrum für Islamische Theo logie in Tübingen, wo auch der Studiengang „Islamische Theologie“ angeboten wird. Immerhin 24 Lehramtsstudenten haben sich in den Studiengang „Islamische Religionslehre“ eingeschrieben.

Die ersten Absolventen des unter Schwarz-Gelb initiierten Zentrums werden absehbar ihr Referendariat antreten wollen. Diese jungen Menschen stehen, wenn sie nicht zufällig irgend wo in einer Modellschule unterkommen, in Baden-Württem berg vor einer sehr ungewissen beruflichen Zukunft.

(Beifall des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Insgesamt kann man sagen: Es ist zwar gut, dass der Schul versuch von der Landesregierung verlängert wurde, und es ist auch okay, dass jetzt ein paar Schulen mehr diesen Religions unterricht anbieten. Aber aus dem Stadium eines Modellver suchs ist dieses Projekt schlicht nicht herausgekommen, und dies, obwohl völlig klar ist, dass es Bedarf gibt. 2012 gab es in Baden-Württemberg immerhin 70 000 muslimische Schü lerinnen und Schüler, und die dazugehörigen Lehrkräfte gibt es auch. Es entsteht also zwingend der Eindruck: Es liegt an der Politik. Die von Minister Stoch angekündigte zeitnahe Lö sung kann hier nicht gesehen werden. Die Beibehaltung des Projekts als Schulversuch zeigt auch, dass der Minister offen sichtlich mit angezogener Handbremse fährt, und diese Hand bremse scheint auch Ministerin Öney nicht lösen zu können.

Auch auf die Begründung, die immer von Minister Stoch an geführt wird, man habe bisher noch keinen islamischen Reli gionsunterricht einführen können, weil es keinen einheitlichen Ansprechpartner innerhalb der islamischen Glaubensgemein schaft gebe, kann man nur entgegnen: Der runde Tisch „Is lam“ hat doch teilweise zur Inhomogenität der verschiedenen Gruppen beigetragen. Das muss an dieser Stelle auch gesagt werden. So war z. B. am Anfang der Einladungsverteiler für den runden Tisch „Islam“ fehlerhaft. Da hat man kurzerhand vergessen, die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Würt temberg einzuladen. Aber die Islamische Glaubensgemein schaft Baden-Württemberg vertritt immerhin über 100 Mo scheegemeinschaften im Land.

Aber auch Äußerungen der Ministerin Öney haben dazu bei getragen, dass es an verschiedenen Stellen Unmut gab. Ich möchte hier nur an die Äußerung zu den Aleviten erinnern: „Die Aleviten sollen sich erst einmal einigen, ob sie sich zum Islam bekennen oder nicht. Falls sie das nicht tun, werden sie halt nicht mehr zum runden Tisch ‚Islam‘ eingeladen.“ Ich sa ge ganz ehrlich: Da wurde sehr viel Porzellan zerschlagen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Das zeigt die Probleme bei der Frage, wen man einlädt und wen man nicht einlädt. Vermutlich ist es einfach grundsätz

lich falsch, Integration überhaupt an Glaubensfragen festma chen zu wollen.

Ich plädiere dafür, dass wir vielmehr eine vorwärtsgewandte Integrationspolitik machen, dass wir weniger fragen: „Woher kommst du?“, sondern vielmehr in den Mittelpunkt stellen: „Wohin möchtest du?“

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Wenn ich weiß, wohin jemand möchte, dann muss ich aber auch etwas tun, damit die betreffende Person ihr Ziel errei chen kann.

Der runde Tisch „Islam“ ist mit Sicherheit wichtig; Kommu nikation ist wichtig. Aber der runde Tisch „Islam“ zeigt etwas, was für diese Landesregierung geradezu exemplarisch ist: Es wird viel geredet, und es folgen keine konkreten Taten. An dieser Stelle kann ich nur sagen: Sie stellen keine Regierung des Machens, Sie stellen eine Regierung des „Blablablub“, der Ankündigungen.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Weil das kein schönes Ende für eine Rede wäre, möchte ich an dieser Stelle doch Goethe zitieren, der da sagte:

Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehʼn; indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas Nützliches geschehʼn.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Schöne Komplimente ma chen!)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Öney.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommen die Komplimente!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als der damalige Bun desinnenminister Wolfgang Schäuble die Deutsche Islam Kon ferenz ins Leben rief, war das fast eine kleine Revolution. Wenn Sie mich fragen, war das fortschrittlicher als der Integ rationsgipfel im Kanzleramt. Denn machen wir uns nichts vor: Worüber reden wir häufig, wenn wir über Integrationsproble me sprechen, und woran erhitzen sich die Gemüter am meis ten? Wohl am Islam. Eine aktuelle Studie des Sachverständi genrats – heute auch abgebildet auf Twitter bei der Bertels mann Stiftung – zeigt das sehr deutlich. Da scheiden sich schon die Geister, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Spätestens seit den Anschlägen auf die Twin Towers gibt es in Teilen der Bevölkerung eine große Verunsicherung und auch Angst. Manche sehen die innere Sicherheit bedroht. Diese Befürchtungen müssen wir sehr ernst nehmen, denn in nere Sicherheit ist uns allen sehr wichtig.

Die Frage ist, wie man die innere Sicherheit erreicht und be wahrt. Es war deshalb ein ausgesprochen kluger Schachzug von Wolfgang Schäuble, zu erkennen, dass man innere Sicher heit über inneren Zusammenhalt erreichen und verstärken

kann. Deshalb hat er die Islam Konferenz ins Leben gerufen, und genau aus diesem Grund habe ich den runden Tisch „Is lam“ auf Landesebene eingeführt. Er ist das Forum für die rund 550 000 Menschen islamischer Glaubensrichtung in Ba den-Württemberg, das Forum für die zweitgrößte religiöse Gruppe in unserem Land. Es ist eine sehr vielfältige Gruppe. Mit dieser Vielfalt und auch mit den divergierenden Meinun gen müssen wir uns natürlich auseinandersetzen.

Deshalb sitzen, Herr Glück, auch nicht nur die islamischen Vereine und Verbände am Tisch wie z. B. DITIB, VIKZ und auch die Aleviten, die Ahmadiyya und die Vertreter der bos nischen Gemeinden. Vielmehr haben wir auch Teilnehmer aus verschiedenen Religionen der Welt und Einzelpersonen ein bezogen, Gläubige, aber auch weniger Gläubige; auch die gibt es im Islam.

Die Grenze habe ich da gesetzt, wo Vereine oder Verbände Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes sind. Es geht mir um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Lan desregierung und Muslimen in ihrer Vielfalt. Es geht darum, offen miteinander zu reden und nach konkreten Lösungen zu suchen.

Dabei sparen wir auch kritische Themen nicht aus. Beispiels weise hat sich der runde Tisch „Islam“ im Mai 2012 gegen ei ne nicht legitimierte Paralleljustiz durch sogenannte Friedens richter positioniert. Schon in der ersten Sitzung im November 2011 haben wir ein Bündnis gegen Menschenfeindlichkeit ver abschiedet, übrigens gemeinsam mit den christlichen Kirchen und mit den jüdischen Gemeinden. Damit hat der runde Tisch „Islam“ sichtbar Zeichen gesetzt. Diese wirken in die islami schen Gemeinden hinein. Aber sie wirken auch in Richtung Gesamtgesellschaft, also in Richtung derer, die den Muslimen und ihrem Glauben noch skeptisch oder auch ablehnend ge genüberstehen.