(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Zustimmendes Ni cken des Kollegen Röhm! – Gegenruf des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Das kann ich bestäti gen!)
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/3574. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann damit für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen dem zu.
Wir haben jetzt noch über den Entschließungsantrag der Frak tion der FDP/DVP, Drucksache 15/5124, abzustimmen. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag einstimmig angenommen wor den.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Integration – Konzept und Praxis des „Runden Tisches Islam“ – Drucksache 15/4026
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Der Satz „Der Islam gehört zu Deutsch land“ klingt uns allen sicherlich noch in den Ohren. Christian Wulff hatte damit völlig recht. Man könnte weiter sagen: Der Islam gehört auch zu Baden-Württemberg. Aus diesem Grund war die Einrichtung des runden Tisches „Islam“ im Jahr 2011 richtig, und deshalb ist seine regelmäßige Fortsetzung im Halbjahreszyklus so immens wichtig.
Der grün-roten Landesregierung ist das Thema Integration so wichtig, dass ein eigenes Integrationsministerium geschaffen wurde. Echte Integration kann auch nur dann gelingen, wenn man miteinander und nicht übereinander redet.
Genau dies ist Sinn und Zweck des runden Tisches „Islam“. Der runde Tisch „Islam“ soll den gesellschaftlichen Dialog mit Musliminnen und Muslimen fortsetzen und weiter vertie fen und damit indirekt die innere Sicherheit über den inneren Zusammenhalt stärken. Hier sind wir, so meine ich, dank der Initiative des Integrationsministeriums und der Integrations ministerin ein gutes Stück vorangekommen.
Fünf Mal hat das rund 40-köpfige Gremium seit seiner Grün dung im Jahr 2011 bisher getagt; die nächste Sitzung wird demnächst stattfinden. Das Gremium besteht aus Vertreterin nen und Vertretern der islamischen Verbände, aus Persönlich keiten des muslimischen Lebens in Baden-Württemberg, der beteiligten Ministerien sowie von Institutionen wie z. B. der Landeszentrale für politische Bildung.
Danke schön. Keine Milch? Na gut. – Die Bandbreite der behandelten Themen wie „Islam in der gesellschaftlichen Wahrnehmung“, „Islam und Recht“, „Die Rolle der Frau im Islam“, „Jugend, Kultur, Medien“ oder „Islamischer Religi onsunterricht an den Schulen“ zeigt auf, dass das Gremium nicht irgendein beliebiger Arbeitskreis ist, der gegründet wur de, weil man sonst nicht mehr weiterweiß.
Fakt ist: Der runde Tisch „Islam“ greift auch aus Sicht der Muslime wichtige Themen auf und spricht kulturspezifische Befindlichkeiten an, die wir aus deutschem Blickwinkel so vielleicht gar nicht erkannt hätten. Ich nenne an dieser Stelle etwa das Projekt zur islamischen Krankenhausseelsorge in Mannheim, das inzwischen auch andernorts im wahrsten Sinn des Wortes Schule gemacht hat. In der Bodenseeregion wer den jetzt 20 Muslime und Musliminnen zu ehrenamtlichen Seelsorgern und Seelsorgerinnen ausgebildet.
Der runde Tisch „Islam“ hat auch dafür gesorgt, dass andere gesellschaftlich kontrovers diskutierte Themen aufgegriffen werden: der Umgang mit der Zwangsverheiratung von jungen Mädchen, Friedensrichter und damit verbunden die klare Ab sage des runden Tisches „Islam“ an eine nicht legimitierte Pa ralleljustiz, das Tragen von Kopftüchern, islamischer Religi onsunterricht an deutschen Schulen.
Nicht zuletzt hat der runde Tisch „Islam“ wichtige Impulse aufgegriffen, die in der Zwischenzeit sogar schon Eingang in die Gesetzgebung gefunden haben: Ich meine hier unser neu es Bestattungsrecht mit der Abschaffung der Sargpflicht und der damit auch für Muslime eröffneten Möglichkeit, ihre Ver storbenen ihrer Kultur entsprechend in Baden-Württemberg zu bestatten. Das Recht ist jedoch die eine Seite; die prakti sche Umsetzung ist die andere.
All dies führt jetzt Gott sei Dank dazu, dass sich viele Fried hofsverwaltungen mit der Thematik befassen und überlegen, wo etwa muslimische Grabfelder ausgewiesen und speziell auf die Bedürfnisse von Muslimen abgestimmte Räumlich keiten zur Waschung der Verstorbenen eingerichtet werden können.
Diese Auseinandersetzung fördert das Verständnis und den Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen und die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Andersgläubigen und all jenen Menschen, deren Wurzeln nicht in Stuttgart, Baden-Württem berg oder Deutschland liegen.
So ist der runde Tisch „Islam“ auch ein wichtiger Beitrag ge gen Diskriminierung. Dass auf diesem Feld noch viel zu tun ist, zeigen jetzt, vor der Europawahl, nicht nur die unsägli chen Diskussionen über Zuwanderung und Sozialmissbrauch, sondern auch der Shitstorm und die üblen Debatten und üb len Zuschriften, wie sie z. B. mein Kollege Thomas ReuschFrey im Zusammenhang mit der Novelle des Bestattungsge setzes erfahren musste.
Das Fazit ist also: Der runde Tisch „Islam“ ist ein Erfolgsmo dell mit landesweiter Ausstrahlung, und er ist ein wunderba res, leuchtendes Beispiel für unsere Politik des Gehörtwer dens. Dieses Leuchtturmprojekt wollen wir fortsetzen, denn alle Seiten profitieren von diesem Dialog. Wir können nur im mer wieder voneinander lernen zugunsten von mehr Toleranz, gegenseitiger Achtung und Respekt, zugunsten einer Gesell schaft mit Werten, die uns nicht zuletzt das Grundgesetz auf erlegt.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Vielen Dank für den An trag der SPD, dem natürlich auch ein bisschen die Motivati on zugrunde liegt, die Existenz des Integrationsministeriums darstellen zu wollen und zu erläutern, was das Integrations ministerium alles macht.
Wir hatten in diesem Jahr vier insuffiziente Sitzungstermine des Integrationsausschusses. Die erste Sitzung in diesem Jahr ist ausgefallen, bei der zweiten Sitzung wurde unter einem Ta gesordnungspunkt ein bundespolitisches Thema behandelt, die dritte Sitzung hat drei Minuten gedauert, und die vierte Sitzung ist auch ausgefallen. Eine super Arbeit.
Ich habe viel Zeit für Pressearbeit. Ein Traum, ein Traumaus schuss, werte Kolleginnen und Kollegen.
Aber immerhin: Der runde Tisch „Islam“ ist wichtig; der Di alog ist wichtig. Es ist immer wichtig, miteinander zu reden und voneinander zu erfahren. Das macht auch die Deutsche Islam Konferenz, indem sie wichtige gesellschaftspolitische Themen aufgreift. Deswegen glauben wir, dass es wichtig ist, diesen Dialog zu pflegen.
5,5 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg gehören dem islamischen Glauben an. Insofern ist dies eine relevante Grup pe. Im runden Tisch „Islam“ sind aber nicht alle Verbände ver treten, sondern nur diejenigen, die nicht vom Verfassungs schutz überwacht werden. Diese repräsentieren nicht alle Gruppierungen aus dem Bereich des Islams; aber immerhin sind es wichtige Ansprechpartner, die auch Multiplikatoren in die Gesellschaft hinein darstellen.
Deswegen ist es wichtig, diesen Dialog zu führen, die The men aufzugreifen, die auch genannt wurden. Dazu gehören die Islamausbildung und das Bestattungsrecht, das im Übri gen eigenständig über das Sozialministerium und die vier Landtagsfraktionen abgearbeitet wurde – auch ohne den run den Tisch „Islam“. Aber ich glaube, man hat die Themen da auch hineinsignalisiert.
Dazu gehören weiter die Themen Friedensrichter, „Seelsorge an den Krankenhäusern“ und „Stellung der Frau im Islam“ so wie das Thema Zwangsverheiratung, zu dem auch in der letz ten Legislaturperiode sehr viel über das Justizministerium ge macht wurde.
Die Diskussion über all diese Themen fängt also nicht mit dem runden Tisch „Islam“ an, sondern das ist eine gesellschaftli che Debatte.
Ich nenne weiter z. B. die Themen Beschneidung, Homose xualität und „Islamischer Religionsunterricht“. Das sind alles wichtige Themen für die Debatte.
Mir ist wichtig, dass diese Themen nicht nur im runden Tisch „Islam“ aufgegriffen werden, sondern dass auch eine öffent liche Debatte stattfindet, und zwar nicht nur mit den Verbän den, sondern mit unserer Gesellschaft. Es besteht doch das große Problem: Wenn wir in unserer Gesellschaft über das Thema Islam reden, wird immer nur über Extreme diskutiert. Die einen – Verrückten – schreien über die Islamisierung un seres Landes, die überhaupt nicht gegeben ist, und die ande ren tun alles, was an kritischen Fragen gestellt wird, sofort als rassistische Äußerung ab.
Es muss also ein vernünftiger, kritischer, gemeinsamer Dia log stattfinden. Das ist das Wichtige für unsere Verantwor tungsgemeinschaft.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Themen öffentlich diskutieren, und zwar ohne Schaum vor dem Mund, aber auch ohne dass diejenigen, die Kritik üben, gerade wenn es um das Thema Parallelgesellschaft, um die Frage des islamischen Rechts, der Scharia, geht – – Innerhalb der Verbände wird auch über die Frage diskutiert, wie ein mit Europa kompatib ler Islam entwickelt und stärker in die Öffentlichkeit getragen werden kann.
Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Diese Diskussionen müssen sich auch in Regierungshandeln auswirken. Nehmen Sie das Thema „Islamischer Religionsunterricht“. Wir haben hierüber vielfach diskutiert. Der Modellversuch muss jetzt endlich – wie auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben – weitergeführt und flächendeckend ausgebaut werden.
Wir bilden die entsprechenden Religionslehrer in Tübingen aus, und sie haben eine klare Erwartung, weil sich der Mo dellversuch, den wir in der letzten Legislaturperiode einge führt haben, bewährt und gute Wirkungen gezeigt hat. Aber da bleiben Sie weit hinter Ihrem Zeitplan zurück. Das ist kein Verschulden der Frau Integrationsministerin, sondern da feh len schlichtweg die Konzeption und das Geld über das Kul tusministerium.
Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist: Die Diskussionen, die in diesem runden Tisch thematisch gut und auch mit guten Er gebnissen bearbeitet werden, müssen auch in der integrations politischen Wirklichkeit ihren Ausfluss haben. Es darf nicht sein, dass sich Verbände, die auch beim runden Tisch „Islam“ vertreten sind, dann an dubiosen Veranstaltungen beteiligen.
Im letzten Jahr z. B. hat die UETD, also der europäische AKPAbleger, 30 000 Leute in Düsseldorf zusammengekarrt. Dort sind dann antisemitische Parolen vorgebracht werden. Über ARD und ZDF wurde von radikal christlichen Terrororgani sationen gesprochen. Das konterkariert dann die Ergebnisse, die man auf der Grundlage unserer Verfassungsordnung und unserer Verantwortungsgemeinschaft gemeinsam erarbeitet hat.