(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ist ein Zwischenruf! Der wird eigentlich sonst immer ge duldet!)
Meine Damen und Herren, es ist schon bemerkenswert, wie technische Lösungen und wie Kostenfragen der beiden Groß projekte diametral unterschiedlich diskutiert, bewertet und in strumentalisiert werden.
Wenn in Baden das Motto „Unten bleiben!“ lautet und es gern auch etwas mehr kosten darf, dann kann in Stuttgart das Glei che keine Katastrophe sein, sondern genauso eine Lösung wie im badischen Bereich.
Bei der Größe des Projekts Rheintalbahn, bei so gravierenden Auswirkungen und Betroffenheiten ist es nur logisch, dass die Planung ein langer und schwieriger Prozess ist, der Kompro missbereitschaft von allen voraussetzt und der Akzeptanz dort notwendig macht, wo kein Kompromiss möglich ist. Es ist auch logisch, dass das eine teure Geschichte für Bund, Bahn und auch für das Land wird.
Mehr denn je, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, erweist sich unsere Entscheidung – ich nenne namentlich Heribert Rech – als richtig, über einen Projektbeirat und über Arbeitsgruppen alle Beteiligten und alle Betroffenen an einen Tisch zu holen.
Das ist ein erfolgreicheres Beispiel für Bürgerbeteiligung als Ihr Filderdialog. Bei aller Betroffenheit und bei allen Interes sengegensätzen ist es wohltuend – lieber Kollege Marwein, da haben Sie völlig recht –, zu sehen, wie entlang der Rhein talbahn die Kommunen und die Bürgerinitiativen, allen vor an die IG BOHR, engagiert, kompetent, konstruktiv und im mer an der Sache und an Lösungen orientiert mitwirken.
Was erwarten wir von der Landesregierung und vom Verkehrs minister? Wir erwarten von der Landesregierung eine offen sive Wahrnehmung der Landesinteressen und der Interessen der Betroffenen vor Ort, z. B. aktuell bei den Verbesserungs vorschlägen aus der Arbeitsgruppe zum Abschnitt Müllheim– Auggen. Wir erwarten ein klares Bekenntnis zur Mitfinanzie rung. Nur so werden Kompromisse möglich. Nur Kompro misse verhindern Blockaden und ermöglichen ein schnelles Bauen.
Deshalb müssen Kompromisse allen Beteiligten etwas wert sein. Am Ministerpräsidenten kann es nicht mehr liegen, nach dem seine Meinung, eine Mitfinanzierung der Rheintalstrecke sei nicht möglich, aus dem Weg geräumt ist. An der SPD und am Finanzminister kann es schon gar nicht scheitern. In der Opposition konnte der SPD die Landesbeteiligung ja nicht weit genug gehen. Lieber Kollege Drexler, wir haben Ihre Re den hier am Rednerpult noch alle gut im Ohr.
Was erwarten wir von der Landesregierung? Kämpfen Sie nicht gegen den Bund, sondern kämpfen Sie zusammen mit dem Bund bei der Europäischen Union um eine Mitfinanzie rung. Es gibt Signale dafür, dass es bis 2020 mehr europäi sches Geld gibt.
Wir erwarten von der Landesregierung auch, dass sie die Aus schreibung und Vergabe des Nahverkehrs endlich auf die Rei he bringt – auch auf der Rheintalbahn. Diese unendliche Ge schichte löst landesweit, auch entlang der Rheintalbahn und im Freiburger Raum, die Hoffnung auf mehr Wettbewerb, auf günstigere Preise und auf bessere Leistungen in verbale Luft auf.
Machen Sie endlich eine konsequente, eine in sich stimmige, eine glaubwürdige Verkehrspolitik. Beide Projekte, die Rhein talbahn genauso wie Stuttgart 21 und die Neubaustrecke, sind wichtig für Europa, für Deutschland und für Baden-Württem berg, wichtig für Menschen und Güter, für Fern- und für Nah verkehr. Beide Projekte sind Zukunft für Baden-Württemberg. Beide Projekte hätten eine bessere Landesverkehrspolitik ver dient.
Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Dass wir heute relativ entspannt über den Ausbau der Rheintalbahn reden können, ist nicht selbstverständlich. Es war ein langer Weg. Es ist noch ein lan ger Weg, und der Erfolg hat, wie wir alle wissen, viele Väter. Auf diesen Überbietungswettbewerb lasse ich mich jetzt nicht ein.
Ich möchte vier Gründe nennen, die meines Erachtens maß geblich für diesen Erfolg verantwortlich waren. Ich tue dies deswegen, weil ich glaube, dass dies eine Blaupause zur Im plementierung großer Infrastrukturprojekte sein könnte.
Zunächst geht mein Dank an die IG BOHR, an die Interessen gemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hoch-Rhein. Die IG BOHR hat in der Tat richtig dicke Bretter gebohrt. Ich glau be, es war schlichtweg eine geniale Erfindung, all diese un terschiedlichen Forderungen aus den Bürgerinitiativen zusam menzufassen und zu bündeln und sie mit einem plakativen Namen zu versehen, nämlich „Baden 21“.
Als zweiten Erfolgsfaktor nenne ich das zähe Ringen um die Veränderung gesetzlicher Rahmenbedingungen. Konkret mei ne ich damit die Abschaffung des Schienenbonus. Als jemand, der bei wechselnden Mehrheiten sowohl im Bund als auch im Land an dieser Forderung festgehalten hat, weiß ich wirklich in Person, wovon ich spreche.
Der dritte Faktor ist – ganz wichtig – die überparteilich ge troffene Vereinbarung, dass sich das Land an den Optimie rungskosten beteiligt. Auch das war, wie Sie, die Sie dem Landtag bereits in der vergangenen Legislaturperiode ange hört haben, wissen, keine einfache Operation. Das sage ich auch mit einem kleinen Augenzwinkern in Richtung unseres Koalitionspartners.
Viertens nenne ich die Verknüpfung von außerparlamentari scher Aktion und parlamentarischer Arbeit. Ich selbst war von Anfang an Mitglied einer Bürgerinitiative und habe immer versucht, den außerparlamentarischen Protest, der manchmal regelrecht überbordet, mit der zähen Arbeit in den Gremien zu verbinden. Auch das ist ein Erfolgsfaktor.
Es gibt viele andere Gründe, auf die ich nicht näher eingehen will. Ich glaube aber, dass diese vier Faktoren tatsächlich die Blaupause für die Art und Weise sein könnten, wie auch an dere große Infrastrukturprojekte bürgernah geschultert wer den können.
Nun zum Stand der Umsetzung beim Ausbau der Rheintal bahn. Hierzu gibt es viel zu sagen. Vielleicht sagt der Minis ter noch konkret zu der einen oder anderen Frage etwas, mög licherweise auch etwas Neues. Ich möchte mich auf zwei ak tuelle Punkte beziehen.
Zunächst zur Diskussion zum Thema „Antragstrasse versus autobahnparallele Trasse zwischen Offenburg und Riegel“. Sie wissen, da gibt es Debatten, da gibt es Unterschiede; es gibt die Schwierigkeit, dass sich die Region nicht einheitlich aufstellt. Es gibt keine endgültige Einigkeit. Ein Hinweis aber scheint mir gerade mit Blick auf diese Region wichtig: Wenn es wirklich stimmt, dass eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h auf 220 km/h ein deut liches Einsparvolumen generieren würde, dann sollte dies, meine ich, bei den Planungen berücksichtigt werden – zumal es dabei um minimale zeitliche Einsparungen, Einsparungen im Minutenbereich geht.
Zum angesprochenen Knotenpunkt Buggingen/Hügelheim: Hier liegt aktuell ein Vorschlag von Bürgerinitiativen auf dem Tisch, der – ein bisschen keck – unter dem Titel „Die beste Lösung“ firmiert. Zwar ist der bisherige Planfeststellungspro zess bereits relativ weit gediehen. Ich glaube aber, dass die ser Vorschlag, der von den Bürgerinitiativen jetzt umfangreich präsentiert wurde, bestechend ist, und zwar deswegen, weil er allen nutzt:
Die Güterzugkapazität wird deutlich erhöht, und zwar um 48 Züge pro Tag. Das heißt, für die Bahn wird ein betriebswirt schaftlicher Nutzen generiert; die Bahn kann dadurch schät zungsweise 10 Millionen € pro Jahr gewinnen.
Es kann ein optimaler aktiver Lärmschutz bereitgestellt wer den. Über 20 000 Einwohner in dieser Region gewinnen; sie gewinnen an Lebensqualität, und zwar nachhaltig. Durchge hend hohe Schallschutzwände entfallen. Die Landschaft ge winnt. Das ist wichtig für ein Erholungsgebiet.
Der Flächenverbrauch wird bei diesem Vorschlag um 40 % reduziert, wertvolles Ackerland bleibt erhalten. Die Landwirt schaft gewinnt.
Dabei übersteigen die Baukosten nicht die in der Finanzie rungsvereinbarung zwischen Bahn und Bund festgelegte Sum me. Auf das Land kommen keine Mehrkosten zu. Es gibt al so nur Gewinner.
Deswegen appelliere ich von dieser Stelle aus, diese soge nannte beste Lösung, auch wenn sie spät kommt, wirklich ernsthaft zu prüfen.
Der Projektbeirat muss sich damit beschäftigen, und das Ver kehrsministerium kann und sollte dies – ich glaube, es will dies auch tun – veranlassen.
Meine Damen und Herren, wenn man für das gleiche Geld so viel mehr bekommen kann, dann streiche ich nun auch die Formulierung „sogenannte beste Lösung“ aus meinem Sprach gebrauch und sage zukünftig: Das i s t die beste Lösung für diesen Abschnitt. Die Realisierung dieses Vorschlags wä re ein weiterer Baustein in der Erfolgsstory „Ausbau der Rheintalbahn“. Zudem wäre der gesamte Prozess ein Beispiel dafür, wie große Infrastrukturprojekte mit der Bevölkerung und in politischem Konsens geplant und realisiert werden kön nen.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bekamen vor ei nigen Wochen einen Zwischenbericht der Deutschen Bahn AG zum Stand des Ausbaus der Rheintalbahn. Derzeit ist der Aus bau auf etwa 30 % der Strecke realisiert. Damit ist ein erster
Schritt getan; es bleiben jedoch noch viele Schritte zu gehen. Auch meine Vorredner haben dies schon zum Ausdruck ge bracht.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass erst vor Kurzem, nämlich Ende April, das Zehn-Jahr-Jubiläum der IG BOHR in Bad Krozingen gefeiert wurde – Anlass genug, auch dort die Aktivitäten der Bürgerinitiativen, die sich in der IG BOHR zusammengeschlossen haben, zu würdigen.
Mein Vorredner hat betont, dass die IG BOHR eine gute Ver knüpfung zwischen einer klaren strategischen Zielsetzung, taktischem Gespür und kontinuierlich aufgebauter Kampag nenfähigkeit leistet. Ich habe mir, als ich dies hörte, gedacht, dass hierfür nicht unbedingt eine „Politik des Gehörtwerdens“, wie sie die Landesregierung verfolgen möchte, notwendig ge wesen wäre. Denn solche Maßgaben werden bei diesem The ma bereits seit vielen Jahren in hervorragender Weise einge löst.
Hierbei verbinden sich alle relevanten Themen: Lärmschutz für möglichst viele Anwohner und für die Kurzentren, Scho nung des Landschaftsbilds, Bewahrung der Sichtachsen von der Rheinebene hin zu den Mittelgebirgen, Begrenzung des Flächenverbrauchs und damit Schonung der Landwirtschaft und Sicherung des Naturschutzes sowie die Chance auf einen zukunftstauglichen Schienenpersonennahverkehr.
Im Übrigen sei der Hinweis gestattet, dass zum Thema Rhein talbahn auch viele Orts- und Kreisverbände der FDP bereits von Anfang an in den Bürgerinitiativen mitgewirkt haben. Ich erinnere zudem an den ehemaligen baden-württembergischen Wirtschaftsminister Ernst Pfister, der 2008 schärfste Kritik für seine Idee einer hälftigen Beteiligung des Landes an den Mehrkosten für den Lärmschutz hatte einstecken müssen. Dies ist prinzipiell tatsächlich Sache des Bundes; man hatte aber dennoch dafür gekämpft. Nur durch diesen Vorschlag von Ernst Pfister konnte das Land überhaupt einen Fuß in die Tür setzen, als es um Verhandlungen mit dem Bund und mit der Bahn ging, und erst hierdurch konnte die Voraussetzung da für geschaffen werden, dass in der Region ein Projektbeirat gebildet wurde.
Auch was die Abschaffung des Schienenbonus betrifft, hat der Erfolg viele Väter. Hierfür waren alle verantwortlich, und in zwischen haben alle hierzu beigetragen. Es ist zwar etwas ver wunderlich, dass dies so lange gedauert hat; immerhin aber ist es auch der FDP zu verdanken, dass dies 2009 in den Ko alitionsvertrag hineingeschrieben wurde.