Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Nur um einer gewissen Legendenbildung keinen Vorschub zu leisten: Nebenabreden gibt es immer. Liebe Kolleginnen, lie be Kollegen, wenn in einem Koalitionsvertrag bestimmte Din ge nicht im Detail durchgeregelt werden können, wenn es um Detailregelungen geht, die inhaltlich aber nicht im Wider spruch zum Koalitionsvertrag stehen, dann wird Ihnen daraus niemand einen Vorwurf machen.

Wenn Sie aber die Öffentlichkeit täuschen, wenn Sie auch die eigenen Parteimitglieder, die über diesen Koalitionsvertrag abgestimmt haben, täuschen,

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Völlig richtig! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

dann täuschen Sie sie über die Grundlagen dieser Regierung, dann haben Sie sich die Zustimmung zu dieser Koalition – mit Verlaub – erschlichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sehr gut!)

Jetzt seien wir einmal offen zueinander. Wenn Sie in den nächsten Wochen und Monaten mit den Landesbediensteten – egal, ob mit dem DGB oder dem Beamtenbund – über Ein sparbeiträge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst reden,

(Abg. Sascha Binder SPD: Das ist ein Witz!)

wenn Sie mit den Kommunen reden – Sie wollen ja für den nächsten Haushalt einen Einsparbetrag von 800 Millionen € erbringen und dazu auch die Kommunen, die Beamten, den öffentlichen Dienst heranziehen –, glauben Sie denn ernsthaft, dass Sie vor diesen Menschen noch glaubwürdig sind, wenn Sie sich selbst eine Liste über Mehrausgaben von 2 Milliar den € genehmigen, die ausdrücklich vom Haushaltsvorbehalt ausgenommen sind? Glauben Sie ehrlich, dass Sie die Inter essen des Landes vertreten können, wenn es um Verhandlun gen mit diesen Personen geht?

Ich würde es sehr gut verstehen, wenn sowohl die Beschäf tigten im öffentlichen Dienst als auch die Kommunen sagen: „Das ist kein ehrlicher Verhandlungspartner. So geht man nicht mit uns um.“ Glaubwürdigkeit ist etwas anderes als das, wofür diese Landesregierung steht, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Ich möchte diesen ersten Teil schließen mit einem Zitat – Herr Ministerpräsident, ich kann es Ihnen nicht ersparen – von Hannah Arendt

(Vereinzelt Heiterkeit)

aus ihrem Essay „Wahrheit und Politik“:

Bei näherem Zusehen jedoch zeigt sich erstaunlicherwei se, dass man der Staatsräson jedes Prinzip und jede Tu gend eher opfern kann als gerade Wahrheit und Wahrhaf tigkeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Kollegin Walker.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zusatzvereinbarungen zwi schen Koalitionspartnern zu einem Koalitionsvertrag konkre tisieren und priorisieren vereinbarte Projekte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Täuschen!)

Sie sichern Verhandeltes ab und regeln die Zusammenarbeit so, dass die vereinbarten Ziele auch möglichst konfliktfrei er reicht werden können.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Das ist schlicht und ergreifend der Grund für solche Verein barungen, und jeder, der schon einmal etwas verhandelt hat, weiß dies auch.

(Zurufe von der SPD)

Gerade in einer völlig neuen Regierungskonstellation, in der die Partner – und das haben Sie auch richtig gesagt – vorher erkennbar politische Gegner waren und so auch in den Wahl kampf gezogen sind, gerade für diese ist es sinnvoll, dies noch einmal entsprechend zu regeln. Voraussetzung ist natürlich, dass die ergänzenden Vereinbarungen nicht den Inhalten und dem Geist des Koalitionsvertrags widersprechen

(Zurufe von der SPD)

oder das Gegenteil von dem beinhalten, was im Koalitions vertrag beschlossen wurde. Das tun die vereinbarten Neben abreden nicht.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Andreas Stoch: Nein!)

Auch das von Ihnen zitierte Beispiel kann dazu herangezogen werden, denn auch dort gilt der Evaluationsvorbehalt genau so in der Nebenabrede, so wie es auch im Vertrag besprochen wurde.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Andreas Stoch: Ganz schwach!)

Wir sprechen somit über ein internes Arbeitsdokument der Koalition, das den Koalitionsvertrag und die Zusammenarbeit dort konkretisiert, wo uns dies sinnvoll und notwendig er schien.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wo sind die An sprüche der Grünen geblieben? – Abg. Reinhold Gall SPD: Und von denen niemand weiß, wer es geschrie ben hat!)

Es werden Kosten genauer geschätzt und Vorhaben als vor rangig definiert. Das ist schlicht sinnvoll und schafft Vertrau en und Verlässlichkeit

(Lachen bei der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: „Das schafft Vertrauen“! Genau!)

zwischen den Koalitionspartnern, da so verhindert wird, dass später unterschiedliche Interpretationen und Konflikte im Re gierungshandeln entstehen können. Sie wissen alle, dass wir genügend Beispiele für Koalitionen haben, die sich die gan ze Zeit nur streiten. Ob das gutes Regieren ist, möchte ich ein mal dahingestellt sein lassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Deshalb stehen diese Vereinbarungen auch nicht im Koaliti onsvertrag.

Die Diskussion der vergangenen Tage um die angebliche Ge heimniskrämerei

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

suggeriert eben Geheimnisse, wo keine sind, liebe Kollegin nen und Kollegen. Ich bedaure dies ausdrücklich, denn dar um geht es schlicht nicht.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Ach so!)

Das kann man schon daran erkennen, dass wir nie bestritten haben, dass es solche Nebenabreden gibt.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir, die Parteien von CDU und Grünen, haben schon – ich habe es extra noch einmal recherchiert – am 4. und am 10. Mai offen dargelegt: „Ja, es gibt diese Nebenabreden.“ Es wurde auch schon in verschiedenen Zeitungen ganz offen darüber berichtet.

(Zuruf: Ja, ja!)

Da habe ich noch nicht so viel Aufregung bei Ihnen gehört.

Auch inhaltlich sind viele der Konkretisierungen und Priori sierungen längst offen kommuniziert worden. Sie wurden bei spielsweise in der Regierungserklärung unseres Ministerprä

sidenten konkret angesprochen. Ich möchte hier nur einige nennen, die Sie da auch hören konnten: Wir wollen 500 Mil lionen € in Straße, Schiene, Hochschule und Hochbau inves tieren, über 300 Millionen € wollen wir in die Digitalisierung investieren, wir wollen Sprachbegleitung, Sprachförderung in Kitas, Schulen, Familienzentren und Bildungshäusern weiter führen. Dies wurde hier alles offen genannt. Zum Teil wurden auch die Summen genannt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zurufe von der SPD)

Wenn Sie die Liste anschauen, Herr Stoch, finden Sie insbe sondere auch Punkte in der Bildungspolitik, die längst bekannt und angekündigt worden sind.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Diese sollen jetzt auch finanziert werden: die Erhöhung der Stundentafel für die Grundschulen, die Vertiefungsstunden oder die von Ihnen auch zu Recht geforderte Weiter- und Fort bildung für die Werkrealschullehrer. Von Geheimnissen kann also überhaupt keine Rede sein.