Daher hat der Kollege Rülke vollkommen recht, wenn er sagt: Sorgen Sie in Ihren eigenen Reihen für klare Verhältnisse, für ein entschlossenes Eintreten gegen Antisemitismus.
In Baden-Württemberg stieg die Anzahl antisemitischer Straf taten im Jahr 2018 um 37 %. Der Ministerpräsident hat es aus geführt. Um die reflexartigen Relativierungen, auch in diesem Haus, gleich zu entkräften: Diese Straftaten sind überwiegend dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen.
Den Rechtsextremismus bekämpfen wir aber nicht, wenn wir die Sorgen und Nöte der Rechtsextremen ernst nehmen. Wir müssen die Sorgen und Nöte der Menschen annehmen, die von ihnen bedroht werden. Dort herrscht Handlungsbedarf, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Egal, wie sich Antisemitismus und Judenfeindlichkeit mas kieren, ob als angebliche Israelkritik oder als Verschwörungs theorie, die sich nur scheinbar zufällig immer wieder auf jü dische Menschen fokussiert: Wir werden Judenfeindlichkeit entschieden entgegentreten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
überlegen, wie wir die Empfehlungen aus dem Bericht des Antisemitismusbeauftragten umsetzen können. Wir wollen ge meinsam überlegen, wie wir die Rolle des Beauftragten in die Fläche tragen können, wie wir das Thema vor Ort ansiedeln können. Wichtig ist uns, dass wir eine bürgernahe Lösung fin den, die die Menschen vor Ort einbindet, die es uns erleich tert, auf regionale und lokale Gegebenheiten einzugehen.
Der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus regt eine Mel destelle für von antisemitischen Anfeindungen und Gewalt Betroffene an. Eine Kooperation zwischen der in Berlin an sässigen Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus und der Meldestelle des baden-württembergischen Demokra tiezentrums ist von Herrn Dr. Blume bereits in die Wege ge leitet worden. Wir werden das Gespräch in Bezug auf lang fristige Finanzierung und Verstetigung suchen, und ich sage Ihnen hierzu die Unterstützung meiner Fraktion zu.
Ein unserer Auffassung nach wesentlicher Punkt ist die Bil dung. Der Ministerpräsident hat es kurz ausgeführt. Deswe gen will ich ein paar Sätze dazu verlieren. Jüngere Studien be legen, dass vier von zehn Schülerinnen und Schülern nicht wissen, dass Auschwitz-Birkenau ein Konzentrationslager war.
Es war aber gerade Auschwitz, welches ganzen Nachkriegs generationen traurige Mahnung war, zu welchen abscheuli chen Verbrechen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit führen kann. Dort, wo Hassreden aus Lautsprechern dröhnen, brennen irgendwann Gotteshäuser; dort, wo Gotteshäuser brennen, sterben irgendwann Menschen.
Dabei können neben dem klassischen Lehrstoff im Unterricht Begegnungen und persönliche Kontakte eine Rolle spielen. Dort, wo Menschen miteinander reden, entwickeln sie Ver ständnis, kommen sie sich nahe. Das ist elementar, wenn es darum geht, das Entstehen gruppenbezogener Menschenfeind lichkeit zu verhindern.
Meine Fraktion wird daher im Haushalt noch einmal einen Schwerpunkt auf politische Bildung legen. Dazu müssen wir das gemeinsame Gespräch suchen. Ihr Bericht, Herr Dr. Blu me, ist aus meiner Sicht ein Anlass, hier gemeinsam aktiv zu werden, und das werden wir auch tun.
Es wäre zu kurz gesprungen, Bildung nur auf die Schule zu konzentrieren. Vielmehr muss sich Bildung an alle Menschen richten, egal, welchen Alters und welchen Schulabschlusses. Wir werden daher die Empfehlungen aus dem Bericht zu Fort bildungsangeboten für Lehrkräfte und ebenso für Beschäftig te in der Verwaltung, in der Justiz und in der Polizei genau prüfen. Ebenso werden wir Möglichkeiten prüfen, wie das Thema Antisemitismus bereits in der Ausbildung verankert werden kann.
Im kommenden Jahr feiern wir 1 700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Baden-Württemberg wird hier einen Beitrag leisten, jüdisches Leben sichtbar zu machen und zu würdigen. Jüdinnen und Juden waren und sind Teil der gesamten deut schen Geschichte. Wir wollen daher dieses Jubiläumsjahr mit Feierlichkeiten begehen.
Die spontanen Mahnwachen am Tag des Anschlags in ver schiedenen Städten haben in meinen Augen gut gezeigt: Ba den-Württemberg ist solidarisch und geeint. Wir werden es nicht zulassen, dass Menschen jüdischen Glaubens in BadenWürttemberg, in Deutschland nicht sicher sind oder sich nicht sicher fühlen können. Jeder Gewaltakt gegen Juden ist zu gleich ein Gewaltakt gegen alles, wofür wir stehen: Gleich heit und Freiheit und Frieden. Wir werden zeigen: BadenWürttemberg ist ein weltoffenes Bundesland. Hass und Het ze haben bei uns keinen Platz.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Als junger Abgeordneter hier in diesem Parlament war ich bei meiner ersten Ausschussrei se mit dem Petitionsausschuss unter dem Vorsitzenden Josef Rebhan unterwegs; alle Fraktionen waren beteiligt. Unser Besuch galt Israel und dort der Gedenkstätte Yad Vashem. Ich kann nur jedem empfehlen, der noch nicht dort war, Yad Vashem zu besuchen, wenn er nach Israel kommt. Denn die se Gedenkstätte zeigt, um was es wirklich geht.
Ich will auch vorab sagen: Die Erinnerung ist eine lebendige Kraft. Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen.
Wenn Sie, Herr Kollege Gögel, bei der Rede des Kollegen Rülke rufen: „Es geht nicht um Freiheit, es geht um Antise mitismus!“, muss ich Ihnen sagen: Es geht um Freiheit, um den Geist unserer Verfassung, deren 70-jähriges Bestehen wir feiern. Es geht um unser Grundgesetz, um unsere Werte, un sere Grundwerte. Darum geht es auch heute in dieser Debat te.
Deshalb hat der Ministerpräsident recht, wenn er sagt: Nie wieder darf von deutschem Boden dieser Hass ausgehen, über den wir in diesem Zusammenhang sprechen.
Es ist natürlich schon wichtig, dass wir auch hier den Zusam menhang sehen. Es geht heute um die Absage an jede Form des Antisemitismus. Das ist Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses, und es gehört zur Staatsräson. Denn es ist die bleibende Verantwortung, die aus dem Holocaust folgt.
Konrad Adenauer war vor 70 Jahren Vorsitzender des Parla mentarischen Rates. Im Mai 1949 wurde das Grundgesetz ver abschiedet. Es war die Erfahrung aus der Geschichte, die Er fahrung aus zwei Weltkriegen mit zig Millionen Toten, die in die moderne Verfassung eingeflossen ist, die wir haben.
Und deshalb: Antisemitismus ist Menschenfeindlichkeit. Er negiert die humane Gesellschaft und damit letztlich die Zivi lisation an sich.
Der Kampf gegen den Antisemitismus ist nicht nur eine Frage der Solidarität, er ist ein Kampf für all das, was uns als Gesellschaft zusammenhält.
Genau darum geht es: um den Zusammenhalt unserer Gesell schaft. Dazu gehört auch der demokratische Interessenaus gleich, der verantwortungsvolle Diskurs, der Respekt vor den Menschen, auch bei hartem Streit in der Sache.
Die inzwischen fast normale Logik und Dynamik des Shit storms haben mit einer konstruktiven Streitkultur nichts mehr zu tun. Heute haben wir einen Kampf um Aufmerksamkeit und Klicks. Man ist verführt zur Übertreibung, zur Überspit
Die Grenze zwischen dem rhetorischen und dem körper lichen Niedermachen ist schon mehrfach durchbrochen worden.
Hier geht es um Mäßigung und Zivilcourage. Ich will hier schon wiederholen: Erst sind es die Gedanken, dann sind es die Worte, und danach sind es die Taten. Dieser Dreiklang ge hört zusammen.
Deshalb will ich das unterstützen, was Kollege Schwarz da zu gesagt hat, was Bildung, Begegnung, aber auch Erinne rungskultur angeht. Die meisten Menschen in diesem Land haben nichts übrig für antisemitische Ressentiments. Die brei te Mitte unserer Gesellschaft verurteilt die Judenfeindlichkeit. Es ist beeindruckend, wie viele Menschen sich in unserem Land freiwillig und mit innerer Überzeugung gegen Antise mitismus, für den christlich-jüdischen Dialog oder auch in den Initiativen der Erinnerungskultur engagieren.
Ich habe kein Verständnis dafür, wenn in den Bundesländern, in denen Sie jetzt im Parlament vertreten sind, die Mittel für die Erinnerungskultur und für Gedenkstätten reduziert wer den sollen. Das ist das falsche Zeichen.
Wir können und dürfen niemals einen Schlussstrich unter die Erinnerungskultur ziehen. Gerade jetzt, da die Zeitzeugen im mer mehr verstummen, müssen wir neue Formen in der Bil dungsarbeit finden. Dies zu leisten wird ein zentrales Thema bleiben.
Vorhin wurde von uns als Kartellparteien gesprochen und da von, dass die Tagesordnung geändert wurde. Zunächst einmal: Das ist nicht Sache der Regierung, wie Sie gemeint haben, das ist Sache des Parlaments. Das liegt in unserer Hoheit. Wir ha ben das Thema bewusst mit Priorität auf Tagesordnungs punkt 1 gesetzt. Insoweit will ich das schon korrigieren.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Er war ja noch da gegen! Er hat ja im Vorfeld gesagt, er will es gar nicht auf TOP 1 haben! Das muss man mal transparent ma chen! – Abg. Nicole Razavi CDU zu Abg. Bernd Gö gel AfD: Sie sitzen auch im Präsidium, Herr Kolle ge! – Gegenruf des Abg. Bernd Gögel AfD: Ich weiß nicht, woher Sie die Information haben! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Es gibt ein Schreiben Ihres Fraktionsgeschäftsführers! Das ha ben wir! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Wenn wir da nicht zugestimmt hätten, dann hätten wir darüber abstimmen müssen, Herr Sckerl! Das wissen Sie ganz genau!)
Meine Damen und Herren, Herr Abg. Dr. Reinhart hat das Wort. – Herr Dr. Reinhart, las sen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Stein zu?