Protokoll der Sitzung vom 16.10.2019

Sicherlich ist diese Aktuelle Debatte auch Ihrem Weggang auf grund Ihrer Wahl zur Bürgerbeauftragten geschuldet. Das freut mich. Ich habe gedacht: Endlich gibt es zum Thema Petitio nen einmal eine Aktuelle Debatte und erfolgt die Beratung

nicht erst, wie sonst üblich, gegen Ende der Plenarsitzung am Donnerstag, und das auch nur zwei Mal in fünf Jahren. Nun blicke ich nach oben und sehe, wie wenig präsent die Medi en vertreten sind. – Ah, doch, Frau Edda Markeli ist noch da.

(Heiterkeit)

Das ist die erste Aktuelle Debatte, zu der ich reden darf, doch die Medienpräsenz ist gering.

(Oh-Rufe – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE, zur Pressetribüne zeigend: Alles voll!)

Alles voll. Herr Kollege Schwarz, das war die Aufforderung, jetzt aktiv mitzuschreiben.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Lassen Sie mich mit einem Dank beginnen, der normalerwei se ans Ende der Rede gehört. Ich danke Frau Böhlen als Vor sitzende des Petitionsausschusses. Sie hat mich acht Jahre er tragen dürfen bzw. müssen.

(Heiterkeit der Abg. Beate Böhlen und Petra Krebs GRÜNE)

Ich war gern bei Ihnen. – Heute kann sie mir das Mikrofon nicht abdrehen. Bei der letzten Ausschusssitzung hat sie es ab gedreht.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Das war nicht öffent lich! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das war zum Selbstschutz, Jimmy!)

Ich schließe mich aber auch dem Dank an Norbert Beck an und danke auch allen anderen, die mit Petitionen beschäftigt sind. Ich danke Herrn Haas – ich habe ihn auf der Zuhörertri büne sitzen sehen – und dem gesamten Petitionsbüro unter seiner Leitung.

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Minis terien. Jedes Ministerium ist betroffen. Ich glaube, es ist mit der schwerste Job, wenn Mitarbeiter eines Ministeriums im Petitionsausschuss Rede und Antwort stehen müssen und dann mit einem Beschluss zu einer Petition nicht einverstanden sind. Dann müssen sie kurz darüber beraten. Und was machen sie, wenn sie nicht damit einverstanden sind? Dann widerspre chen sie und wissen haargenau, dass sie vier Wochen später wieder in den Ausschuss kommen müssen. Wir vom Aus schuss hingegen hoffen, dass sie vier Wochen später nicht wie derkommen, weil dann unser Beschluss gilt.

(Heiterkeit des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Es ist also nicht einfach für diese Leute, den Beschlüssen im mer zu folgen.

Eine kleine Kritik – Frau Böhlen, ich weiß, es kam vielleicht nicht von Ihnen, sondern von der Führung –:

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Oh!)

Wenn ich auf der Tagesordnung den Titel der Aktuellen De batte lese: „Der kurze Draht zum Parlament – Petitionen als Baustein einer modernen Verwaltung“, dann kann ich dem, ehrlich gesagt, nicht zustimmen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Musst du nicht!)

Ich weiß nicht, was andere nachher dazu sagen. Wir haben ja eine Gewaltenteilung. Wir haben die Exekutive. Wir, das Par lament, sind die Legislative. Und das Petitionsrecht ist ein Korrektiv. Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger ist natürlich nicht immer konfliktfrei. Wenn es konfliktfrei wä re, bräuchte man weder ein Petitionswesen noch eine Verwal tungsgerichtsbarkeit.

Aber das Petitionswesen ist für die Bürgerinnen und Bürger da. Es wurde auch schon gesagt: Es ist ein Königsrecht. Es ist auch kostenlos. Für uns Schwaben ist das wichtig: Des kosch det nix.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Es gibt auch badi sche Petenten!)

Auch die Badener nehmen es gern in Anspruch. – Aber wir haben eine verantwortungsvolle Aufgabe im Petitionsaus schuss, jedes einzelne Mitglied.

Man sollte dem Bürger auch nichts vormachen. Wenn das Ge setz tatsächlich Klartext beinhaltet und der Fall nicht rein passt, dann kann der Petition – so heißt es offiziell – nicht ab geholfen werden. In manchen Fällen kann man der Petition auch abhelfen. Aber das Verhältnis der nicht abgeholfenen zu den abgeholfenen Petitionen beträgt eher 8 : 2 oder 9 : 1; ich weiß es auch nicht.

Beim Petitionswesen knöpft man sich das Gesetz, durch das sich der Betroffene beeinträchtigt fühlt, genau vor und sagt z. B.: Es passt aber bei ihm nicht zu 100 %. Im Ausländer recht, im Baurecht, neuerdings auch im Verkehrsrecht gibt es Situationen, in denen wir einfach für den Petenten entschei den. Da gibt es Kollisionen. Wenn wir Kollisionen sehen, dann haben wir ein Korrektiv, Frau Vorsitzende. Was machen wir dann? Dann schicken wir es als Material an die Regierung mit dem Hinweis: „Beachtet das Ganze einmal, dass man das viel leicht berücksichtigt.“ Diese Fälle kommen gehäuft vor.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Es ist also immer ein Spannungsverhältnis. Ich kann Ihnen sa gen: Jedes ordentliche Mitglied im Petitionsausschuss be schäftigt sich mit der Materie so, dass sie bzw. er guten Ge wissens eine Beschlussempfehlung abgeben kann. Wer keine Empathie hat, wer sich nicht in die Materie einarbeitet, wer sich nicht die Zeit nimmt – das sage ich ganz offen und ehr lich –, der ist nicht der richtige Partner, nicht das richtige Mit glied im Petitionsausschuss.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Viele Anliegen – ich kann jetzt auf eine längere Zeit zurück blicken, wie der eine oder andere von Ihnen bestimmt auch – werden auch gar nicht erst in Form einer Petition an den Land tag gerichtet. Bürger fragen bei Abgeordneten, von denen sie aus dem Internet oder sonst woher wissen, dass sie Mitglied im Petitionsausschuss sind, direkt nach: „Wie soll ich mich verhalten? Was soll ich tun? Soll ich vor das Verwaltungsge richt gehen, oder können Sie mir helfen? Ich fühle mich un gerecht behandelt.“

Ich kann Ihnen sagen: Über die Jahre hinweg bin ich, global betrachtet, zu der Überzeugung gekommen, dass viele Petiti onen verhindert werden konnten, indem allein der Abgeord nete im Landratsamt angerufen hat, mit der Stadtverwaltung oder mit dem Ausländeramt gesprochen hat. Das geht quer beet. Im Petitionsausschuss machen wir keine Parteipolitik, wie manche es meinen.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Außer bei Windener gie!)

Deshalb hat mir nicht gefallen, dass im Koalitionsvertrag 2016 ein Passus gefunden wurde, wonach man sich bei Petitionen einigen und absprechen müsste. 2011 war das nicht der Fall. Auch wenn mir das nicht gepasst hat, sage ich: In den vergan genen drei, dreieinhalb Jahren habe ich noch nie festgestellt, Frau Vorsitzende, dass wir uns aus politischen Gründen, egal, in welchem Bereich, hätten auseinandertreiben lassen und nicht einig waren. Wir gehen dort sehr fair miteinander um, und da beziehe ich alle ein. Alle haben vernünftig gehandelt. Ich bin stolz, im Petitionsausschuss zu sein. Ich glaube, in kei nem anderen Ausschuss haben Sie so eine „Macht“ wie wir im Petitionsausschuss.

Unmittelbar mit der Regierung zusammenzusitzen, und bei einem Widerspruch kommt der Staatssekretär oder gar der Mi nister, und wir können den Fall behandeln, das ist eine tolle Sache.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Da niel Rottmann AfD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für mich wäre es ein Versäumnis, wenn ich den Landtag ver lassen würde und nie im Petitionsausschuss gewesen wäre. Man könnte Bücher darüber schreiben.

Aber es ist auch eine Belastung. Ich habe noch zwei Minuten Redezeit. Lassen Sie mich einen Fall nennen, den ich, wie ei nige andere, nicht vergessen kann. Ich weiß nicht, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie plötzlich in Ihrem Wahlkreisbüro ein Schreiben der Staatsanwaltschaft auf den Tisch bekämen, in dem steht, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Kindesentziehung läuft. Das Strafmaß beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Solch ein Verfahren dauert Monate.

Der Vorwurf mir gegenüber betraf ein Petitionsverfahren in Sachen eines deutsch-australischen Kindes. Die Familie hat in Australien gelebt, und die deutsche Mutter ist mit ihrem Kind nach Deutschland zurückgekehrt. Der Rechtsstreit ging bis zum höchsten Gericht. Das OLG sagte der Mutter: „Ja, Sie haben recht. Sie haben das alleinige Sorgerecht. Aber der letz te gemeinsame Aufenthalt war in Australien, und da müssen Sie noch einmal klagen.“

Die australische Justiz aber sagt: Es gab noch nie ein Urteil, bei dem ein australisches Gericht der deutschen Mutter recht gegeben hätte. Es ist ihr nämlich zumutbar – Australien ist ein großes Land –, in Australien zu leben, ohne dass sie ihrem ge schiedenen Ehemann begegnet.

Es kam so weit, dass das Kind trotz alleinigen Sorgerechts festgenommen wurde; so muss ich leider sagen. Es wurde vom Urlaubsort weg in ein Flugzeug verbracht. Die Mutter war auf

dem Weg in das Frauengefängnis Kaufbeuren, und ich bekam dann den Anruf: „Sie müssen mir helfen, Herr Zimmermann.“ Ich konnte ihre Inhaftierung verhindern, aber nicht die Ab schiebung des Kindes nach Australien.

Allein dieser Kontakt – die Frau hatte mich aus dem Polizei auto auf dem Handy angerufen – hat dazu geführt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen mich eingeleitet wurde. Ich kür ze das ab; es gibt andere Fälle.

Ich habe der deutschen Justiz, der Staatsanwaltschaft Stutt gart vertraut. Ich muss aber auch das Haus loben. Man hat mir jeden juristischen Beistand gegeben. Den brauche ich nicht, ich kann mich selbst verteidigen. Die Staatsanwaltschaft Stutt gart – auch heute ein hohes Lob, das nehme ich hier in An spruch – hat das Verfahren nach § 170 Absatz 2 der Strafpro zessordnung eingestellt. Also ist gar nichts daran. Das war auch die richtige Entscheidung.

Deshalb bitte ich Sie alle: Kämpfen Sie alle, die Sie im Peti tionsausschuss sind, für die Anliegen der Bürger. Aber sagen Sie den Bürgern auch, dass sie keine Chance haben, wenn sie nicht im Recht sind. Geben Sie ihnen keine falsche Hoffnung.

Lieber Herr Kollege!

Frau Böhlen, ich danke Ih nen für Ihre Arbeit. Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht, wie wir zusammenarbeiten werden. Die Kollisionen – –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin am Schluss. Es sei mir erlaubt, 40 Sekunden zu überschreiten für meinen Dank an Sie, Frau Böhlen, und an alle, die hier aktiv mitarbeiten. Betrachten Sie den Petitionsausschuss als mindestens gleich wertig mit jedem anderen Ausschuss. Diesen Appell habe ich an alle Abgeordneten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Herr Abg. Rottmann, bit te, für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! „Der kurze Draht zum Parlament – Petiti onen als Baustein einer modernen Verwaltung“: Wenn wir uns hier im Parlament für eine moderne Verwaltung starkmachen, dann gehören Entbürokratisierung und Bürgernähe dazu. Ein Ort, wo das greifbar wird, ist der Petitionsausschuss. Dort fin det Bürgernähe statt und kommt die Bürokratisierung, die viel leicht manchmal zurückgefahren werden müsste, noch mal auf den Prüfstand. Daher kann ich mich meinen Vorrednern anschließen: Der Petitionsausschuss ist ein wichtiger Aus schuss für die Verwaltung und vor allem für den Bürger, für Bürgernähe.