Protokoll der Sitzung vom 16.10.2019

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! „Der kurze Draht zum Parlament – Petiti onen als Baustein einer modernen Verwaltung“: Wenn wir uns hier im Parlament für eine moderne Verwaltung starkmachen, dann gehören Entbürokratisierung und Bürgernähe dazu. Ein Ort, wo das greifbar wird, ist der Petitionsausschuss. Dort fin det Bürgernähe statt und kommt die Bürokratisierung, die viel leicht manchmal zurückgefahren werden müsste, noch mal auf den Prüfstand. Daher kann ich mich meinen Vorrednern anschließen: Der Petitionsausschuss ist ein wichtiger Aus schuss für die Verwaltung und vor allem für den Bürger, für Bürgernähe.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Welche Bedeutung haben Petitionen für das Verhältnis zwi schen Bürger und Verwaltung? Petitionen sind tatsächlich ein

kurzer Draht zur Verwaltung; zumindest sollen sie das sein. Dort, wo ein Bürger in direkten Anfragen manchmal, gerade wenn es um Detailwissen in bestimmten Fällen geht, nur ein geschränkte Möglichkeiten hat, ist die Petition eine hervorra gende Möglichkeit, da, wo man selbst betroffen ist, eine fun dierte Stellungnahme und Unterstützung durch das Parlament zu erhalten.

Wir Mitglieder des Petitionsausschusses sind von diesem Bau stein parlamentarischer Arbeit für die Bürgernähe überzeugt. Jeder Einzelne von uns erlebt dieses Engagement für den Bür ger und den kurzen Draht sowie die Vermittlung zwischen Bürger und Verwaltung. In der Regel funktioniert das auch sehr gut.

Daher auch einen Dank an die Vorsitzende, Frau Böhlen. Al les Gute für die Zukunft als Bürgerbeauftragte! Auch ich kann mich dem anschließen, dass die Zusammenarbeit im Petiti onsausschuss in der Regel immer sachorientiert und gut war. Danke schön.

Im Petitionsbüro des Landtags arbeitet ein hervorragendes Team unter der Leitung von Herrn Andreas Haas. Danke, dass Sie da sind. Herzlichen Dank an Sie und Ihr Team für die her vorragende und auch schnelle Arbeit bei den Dingen, um die es geht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD, der Grünen und der CDU)

Die Petitionen werden im Petitionsausschuss und im Petiti onsbüro mit sehr großem Engagement bearbeitet. Neulich wa ren bei einer Petition bei einem Vor-Ort-Termin im Alb-Do nau-Kreis vier Abgeordnete des Landtags anwesend, von de nen drei eine Anfahrt von zwei bis drei Stunden hatten. Ich vermute, dass die Rückreise ähnlich lange gedauert hat. Dan ke an die drei Kollegen, die mich dort im Wahlkreis unter stützt haben – bei einer Petition, bei der das schon der zwei te Vor-Ort-Termin war, weil es vor einem Jahr schon einmal einen gegeben hat.

Wir Mitglieder des Petitionsausschusses sind als Verbindungs glied zwischen Bürger und Verwaltung, als direkte Vermittler nah dran. Selbst da, wo keine Abhilfe möglich ist, was bei et wa 80 % der Petitionen der Fall ist, sind wir das offene Ohr des Landtags für den Bürger und erfüllen damit einen wichti gen Vermittlerdienst – bei bereits mehr als dreieinhalbtausend Petitionen in dieser Legislaturperiode.

Es gibt aber auch Einzelfälle, in denen die Bearbeitung der Pe tition nicht so gut funktioniert. Da könnte ich viele Schwach stellen und -punkte aufgreifen. Manches gehört vielleicht auch nicht in die Öffentlichkeit – wir wollen auch nicht alles breit treten –, und manches werden wir auch intern analysieren oder machen das auch schon.

Ich möchte aber mal ein Beispiel nennen, das mich in den letz ten Wochen tatsächlich sehr betroffen gemacht hat. Ende Ok tober 2018 wurde eine Petition eingereicht – Oktober 2018! Anfang September 2019, also zehn Monate später, sprach mich der Petent persönlich an, weil wir uns bei anderer Gele genheit begegneten – zehn Monate später! Daraufhin nahm ich mit dem Petitionsbüro Kontakt auf, das umgehend reagier te und das Wirtschaftsministerium daran erinnerte, eine bal

dige Stellungnahme abzugeben. Zehn Tage später ging dann ein Antwortschreiben des Wirtschaftsministeriums ein, das mir dann mitgeteilt wurde. Darin hieß es – Zitat –:

... dass das Wirtschaftsministerium, das zu der Petition um Stellungnahme gebeten wurde, weiterhin bestrebt ist, die Stellungnahme möglichst bald abzugeben. Aktuell wartet das Wirtschaftsministerium noch auf eine Rück meldung des Umweltministeriums.

Dazu habe ich in meiner Antwort, die das Petitionsbüro an das Ministerium weitergeleitet hat, die Frage gestellt, ob „be strebt“ und „möglichst bald“ in dem Sinn verstanden werden soll, wie in den zehn Monaten vorher mit der Petition umge gangen worden ist.

Ich fasse noch einmal zusammen: Eine Petition wurde einge reicht. Es gab einzelne Nachreichungen – die letzte war, glau be ich, im Mai dieses Jahres –, und elf Monate und zweiein halb Wochen später lag noch immer keine inhaltliche Stel lungnahme der beiden zuständigen Ministerien vor. Das ist, mit Verlaub, eine Unverschämtheit und ungerecht gegenüber den Bürgern in unserem Land.

(Beifall bei der AfD)

Anfang Oktober 2019 bat dann das Wirtschaftsministerium noch einmal – Zitat – „um eine weitere Fristverlängerung für die Abgabe der Stellungnahme der Regierung“. Ein Vorschlag, wann diese Frist ablaufen soll, wurde nicht gemacht.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Abg. Böhlen zu?

Herr Abg. Rottmann, jetzt muss ich – auch zur Verteidigung – einmal fragen: Wissen Sie ei gentlich, dass Sie jede Petition auf die Tagesordnung setzen lassen können, auch wenn noch keine Stellungnahme vorhan den ist?

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Wie gesagt, ich wurde Anfang September angesprochen und habe dann im Laufe des Septembers bzw. Oktobers die Un terlagen bekommen. Ich habe, meine ich, mit der letzten E-Mail zu diesem Thema beantragt, dass es im Dezember, und zwar zum Mittwochmorgentermin um 8:30 Uhr, auf die Ta gesordnung gesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

„Der kurze Draht zum Parlament – Petitionen als Baustein ei ner modernen Verwaltung“ – für den Petitionsausschuss neh me ich das ganz klar in Anspruch. Wir wissen auch, dass die ser Fall – es ist einer von über hundert Fällen in diesen Mi nisterien – meiner Meinung nach so nicht passieren dürfte.

Im Jahr 2018 war eine Delegation unseres Petitionsausschus ses beim Bayerischen Landtag und hat dort den Ausschuss für Eingaben und Beschwerden besucht. Es ist unglaublich inte ressant, wie anders die Petitionsausschüsse in anderen Land tagen arbeiten, und ich denke, man kann auf beiden Seiten ei ne ganze Menge voneinander lernen.

Ich habe einige Ideen mitgenommen, die wir noch nicht aus diskutiert haben – die aber, denke ich, bei allen, die damals dabei waren, noch im Hinterkopf schwelen –, wie wir es in Baden-Württemberg vielleicht an der einen oder anderen Stel le für den Bürger besser machen könnten.

In Bayern wird jede Petition von zwei Abgeordneten bearbei tet: von einem Vertreter der Regierungsfraktionen und einem Vertreter der Oppositionsfraktionen. Das ist bei uns anders. Bei uns bearbeitet es ein Berichterstatter, ein Abgeordneter. Dann wird in Bayern jede Petition im Ausschuss einzeln auf gerufen. Das ist bei uns – auch aufgrund der Menge der Peti tionen – so im Moment überhaupt nicht möglich; aber viel leicht müsste man dort auch noch einmal über Veränderungen nachdenken. Außerdem hat der Petent in Bayern auch die Möglichkeit, direkt und teilweise auch im Ausschuss ange hört zu werden und dort Stellung zu nehmen. Das sind Aspek te, über die man vielleicht noch einmal nachdenken könnte.

Ich habe einige Punkte formuliert, die uns, der AfD, im Sin ne von Bürgernähe wichtig sind:

Erstens: Informationen zum aktuellen Stand der Petitionen. Momentan ist es so: Eine Petition wird eingereicht. Der Bür ger bekommt die Eingangsbestätigung, wenn die Akte an den Abgeordneten übergeben wird, und hört dann nichts, bis zu der Petition etwas in der einen oder anderen Richtung beschie den worden ist. Wenn er diese Nachricht bekommt, denkt er: Jetzt steht die Petition kurz vor dem Abschluss. Tatsächlich hat der Abgeordnete die Petition aber gerade erst erhalten und beginnt mit seiner Arbeit. Das ist, meine ich, sehr unbefriedi gend für manchen Petenten. Dort müsste mehr Kommunika tion hineinkommen.

Zweitens: Kommunikation mit dem Petenten. Der Petent hat bisher in Baden-Württemberg keine Möglichkeit, eine Stel lungnahme zu den Stellungnahmen der Ministerien abzuge ben; und es gibt Situationen, in denen es gut wäre, wenn der Petent zumindest einmal die Möglichkeit hätte, die Dinge zu lesen und vielleicht eine kurze Stellungnahme abzugeben oder gegebenenfalls noch Unterlagen nachzureichen.

Drittens: Der Punkt mit den zwei Berichterstattern ist durch aus interessant. Vier Augen und die der Mitarbeiter sehen na türlich mehr als zwei Augen, und vielleicht würde dies an manchen Stellen noch mehr dazu beitragen, dem Anliegen des Petenten gerecht zu werden.

Anhörung des Petenten: Das wäre ein Bereich, den man auch noch einmal einplanen könnte. Es gibt die Vor-Ort-Termine, bei denen vielfach aktuelle Punkte beraten werden, wobei der Petent die Möglichkeit hat, das Ganze selbst darzustellen. Das sind aber in der Regel Fälle, bei denen wir schon sehr sicher sind, dass wir dem Petenten in irgendeiner Weise weiterhel fen und vielleicht auch schon auf Abhilfe plädieren möchten. Vielleicht müsste man das auch bei manchen aussichtsloseren Petitionen einführen. Denn manchmal sehen wir auch nicht auf den ersten Blick, ob eine Petition Abhilfe verdient hat; so sage ich einmal. Das ist natürlich manchmal eine Ermessens sache.

Das Thema Öffentlichkeit ist, glaube ich, mit den Vor-Ort-Ter minen ausreichend abgedeckt. Aber ein Punkt ist noch einmal das Behördenhandeln und dabei die Frage: Wie gehen die Mi nisterien auch mit den untergeordneten Behörden um? Die

Minister oder die Staatssekretäre schreiben die Stellungnah men ja nicht selbst. Das sind in der Regel Anfragen, die an die unteren kommunalen Ebenen erfolgen, und dort wird eine Stellungnahme geschrieben.

Da drängt sich mir der Verdacht auf, dass die eine oder ande re Stellungnahme – vielleicht auch mehr als 50 % – übernom men wird, ohne dass noch einmal groß draufgeschaut wird. Da möchte ich die Ministerien ausdrücklich bitten, in ihren Häusern noch einmal verstärkt darauf zu achten und vielleicht zu schauen, wo auch sie eine Möglichkeit haben, einer Peti tion abzuhelfen, und wo bei diesem direkten Draht zwischen Bürgern und Verwaltung vielleicht auch der Bürger gelegent lich einmal mehr recht hat als die Verwaltung, die in der Re gel sicherlich sehr korrekt arbeitet.

Wir, der Petitionsausschuss, sind für die Bürger da. Wir sind ein Teil dieses direkten Drahts zwischen Bürgern und Verwal tung. Das werden wir auch weiter sein.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen und der CDU)

Für die SPD hat Herr Abg. Nelius das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Die Grünen haben mit der von ihnen beantragten Aktu ellen Debatte dankenswerterweise die Arbeit und die Bedeu tung des Petitionsausschusses aufgegriffen, eine Arbeit, die im Geschehen im Landtag diskret und kontinuierlich beglei tet wird und die es absolut verdient, beleuchtet und gewürdigt zu werden.

Die unvergessene frühere Sozialministerin von Brandenburg, Regine Hildebrandt, sagte einmal zu ihrer Motivation, Politik zu machen: „Ich interessiere mich nicht für Politik, nur für Menschen und ihre Schicksale.“ Genau darum geht es auch in der Arbeit des Petitionsausschusses. Dort geht es um Fäl le, die im Getriebe des Rechtsstaats und seiner Verwaltung un terzugehen drohen – zumindest in den Augen der Petenten – und die der Petitionsausschuss auf die höchste staatliche Ebe ne, das Parlament, hebt.

In den Medien und den öffentlichen Debatten kommt der Pe titionsausschuss in der Regel nicht so häufig vor, was aber in der Natur seines Auftrags und damit seiner Arbeit liegt. So ge sehen, kann einem zwischen Bürgern und Verwaltung stritti gen Sachverhalt gar nichts Besseres passieren, als diskret im Petitionsausschuss behandelt zu werden.

Ich bin immer wieder beeindruckt von der Sorgfalt und dem Umfang, mit dem Petitionen behandelt und in den Stellung nahmen gewürdigt werden. Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Petitionen zurückgewiesen wird, spricht dabei nicht ge gen unseren Rechtsstaat, sondern zeugt in Wirklichkeit auch von seiner Qualität und Professionalität. Dennoch zeichnet gerade das Maß der Sorgfalt, mit dem Verwaltung und Parla ment das Petitionswesen behandeln, den Rechtsstaat als be sonders solide und seinem eigenen Anspruch gemäß aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Wundert man sich oft über die Tiefe und die Detailgenauig keit, mit der selbst geringfügig erscheinende Anliegen von Pe tenten im Ausschuss behandelt werden, so ist es gerade diese Sorgfalt, die ein sehr hohes Maß an Rechtssicherheit und auch Gerechtigkeit vermittelt. Dies ist geeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat zu festigen, und wenn dies gelingt, dann hat der Petitionsausschuss seine Exis tenz bereits gerechtfertigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gleichwohl möchte ich kri tisch anmerken, dass der Titel unserer Aktuellen Debatte ein wenig an der Sache vorbeigeht. Petitionen sind weniger ein Baustein als vielmehr eine mögliche und notwendige Kont rolle einer modernen Verwaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Sie unterbrechen den Verwaltungsvollzug – im günstigsten Fall für die Verwaltung –, ohne ihn grundsätzlich infrage zu stellen. Im günstigsten Fall für den Petenten stoppen sie aber sogar den Verwaltungsvollzug, ohne dass ordentliche Gerich te in Anspruch genommen werden müssen. Deshalb sind Pe titionen Bausteine einer modernen Demokratie und Ausdruck ihrer ständigen Selbstkontrolle.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Die Verwaltung selbst würde grundsätzlich, glaube ich, wohl lieber auf das Instrument der Petition verzichten. Aber kluge Verfassungsväter haben mancherlei „Checks and Balances“, wie man in den USA so trefflich sagt, in den Verwaltungsvoll zug eingebaut. Nichts ist vollkommen. Deshalb braucht auch die beste Verwaltung im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bür ger Kontrollinstanzen.

Den ersten Teil des Titels der Aktuellen Debatte dagegen möchte ich unterstreichen. Petitionen sind tatsächlich „der kurze Draht zum Parlament“. Gegenüber dem Verwaltungs rechtsweg mit seinen oft langwierigen Stufen über Wider spruch, Widerspruchsbescheid, Gerichtsverhandlung usw. er reicht man mit einer Petition unmittelbar die obersten Landes behörden und über den berichterstattenden Abgeordneten auch das Parlament in Form des Petitionsausschusses. Die schöns ten Beispiele für den kurzen Draht zum Parlament und sicher Sternstunden des Petitionsrechts sind dann diejenigen Petiti onen, die sogar eine Änderung bestehender Gesetze nach sich ziehen.