Aber wir als demokratische Parteien – ich meine die von die sem Gang bis dorthin – kämpfen für Demokratie, Rechtsstaat lichkeit und Pressefreiheit
nicht nur bei uns, sondern überall auf der Welt. Diese Werte dürfen nicht vor Grenzen und Diktaturen haltmachen.
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die Situation im Hinblick auf die Freiheits- und Menschenrechte in der Türkei ist seit dem Putschversuch und den darauffolgenden Repressalien unver ändert schlecht. Die folgenden Militärinterventionen in Syri en und in Kurdistan widersprechen den Werten, die die EU prägen. Ich bleibe dabei: Grundlage für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union sind und bleiben die Kopenhagener Kriterien.
Wenn wir uns anschauen, wie sich die Erdogan-Türkei auf stellt, dann müssen wir feststellen, dass das nicht nur auf die Türkei als Landesgebiet Auswirkungen hat, sondern auch auf die außerhalb der Türkei lebenden Türken. Ich hätte mir nicht vorstellen können – das sage ich ganz offen –, als ich 20 Jah
re alt war und viele Gastarbeiterkinder in der dann zweiten Generation sich für Deutschland entschieden haben, sich hier nicht nur integriert haben, sondern zu einer tragenden Säule unseres Landes geworden sind, dass die nächste Generation so fragil reagiert, wenn Herr Erdogan aus der Türkei mit ir gendwelchen Themen kommt, sei es beim Thema Pressefrei heit, sei es, wie DITIB als verlängerter Arm bei uns aufge stellt wird. Das sind Punkte, meine Damen und Herren, die mich zu großer Sorge veranlassen.
Allerdings muss sich die EU auch selbst die Frage stellen, wie wir es denn in der Zukunft mit Beitrittsaspiranten halten wol len. Bitte doch nicht so wie bei der Republik Nordmazedoni en, die man eingeladen hatte, aber dann, als sie die Kriterien erfüllt hatte, ihr die Tür ohne Not vor der Nase zugeschlagen hat. Das kann es auch nicht sein.
Als die Briten den Brexit beschlossen haben und alle in der EU die notwendigen Reformen der eigenen Strukturen und der eigenen Institutionen beschworen haben, ist hinter dieser Hängepartie des Brexits klammheimlich dieses Momentum zur Reform irgendwie verschwunden.
Wir müssen uns schon die Frage stellen: Wie wollen wir, die EU, denn mit Partnerschaften umgehen? Mit welcher Integ rationstiefe wollen wir Beitrittswilligen irgendetwas anbie ten? Und wie wollen wir – das war ja mal Teil des JunckerPlans – dann überlegen, in die Zukunft zu gehen?
Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei begannen im Prin zip schon 1963 mit dem Assoziierungsabkommen, das ja fak tisch ein Recht auf den Beitrittsprozess enthielt. 1999 erhielt die Türkei dann den Status des Beitrittskandidaten. Verhand lungen über die einzelnen Kapitel begannen 2005 in einer ge radezu euphorischen Stimmung in der Türkei, auch bei uns. Aber, wie gesagt: Man muss sich anschauen, wo wir heute ste hen.
Ich glaube, wir müssen uns auch selbstkritisch fragen – da ge be ich den Kolleginnen und Kollegen recht –: Haben wir nicht vielleicht die Chance verpasst, die Türkei näher an uns zu bin den, als es dort noch die Bereitschaft zur Festigung einer par lamentarischen Demokratie gab, als die Menschenrechte noch vorhanden waren? Und ein Stück weit – das müssen wir selbst kritisch sagen – haben wir auch da sicherlich die reformwil ligen Türken in der Türkei verprellt.
Ich sage ganz offen: Ich konnte es mir auch nicht vorstellen, dass ein Land, das sich so erfolgreich zum Westen orientiert hat, unseren Werten zugewandt hat, sich wieder so schnell von diesen entfernen kann. Deswegen müssen wir uns jetzt über legen, wie wir damit umgehen. Wir können – ich denke, das steht außer Frage – die aktuelle Erdogan-Türkei nicht in die EU aufnehmen. Sie hat sich von den europäischen Werten, die uns ausmachen, weiter denn je entfernt.
Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man mit der Situa tion umgeht. Entweder man legt die Verhandlungen weiterhin auf Eis und geht weiter und weiter und weiter, oder man sagt Nein, sendet einmal ein klares Signal und bricht diese Gesprä
che ab. Ich denke, die EU braucht hier nicht Stärke zu zeigen. Wenn diese supranationale Institution mit 450 Millionen Ein wohnern das machen würde, täte uns das nicht gut. Wir sind kein Trump, wir können mit unseren eigenen Werten und mit unseren eigenen positiven Signalen selbstbewusst auftreten und die Attraktivität unseres Lebens- und Wirtschaftsraums nach außen tragen, gerade auch nach dem Brexit.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Türkei unter Erdo gan ein klares Signal braucht. Ob es das Richtige ist, die Ver handlungen weiter auf Eis zu legen und uns durchzuwursteln, bezweifle ich; da bin ich nicht ganz bei der CDU. Ich bin schon der Meinung, man sollte sich Gedanken machen, ein klares Signal „So geht es nicht“ zu senden und diese Gesprä che abzubrechen. Aber ich kann deshalb auf keinen Fall ei nem AfD-Antrag zustimmen,
weil wir nämlich gar keine weitere Perspektive haben. Da zeigt sich nun mal, wie wenig diplomatisches Feingefühl hier im rechten Spektrum des Plenums vorhanden ist.
Denn wenn man einen Gesprächsfaden und sonst keine wei tere Perspektive hat, dann bricht man den nicht ohne Not ab, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Welche Gespräche denn?)
Lassen Sie uns darüber reden, wie wir Beteiligungsformate finden, in die man dann hineinwachsen kann, auch als Lehre aus dem Brexit. Hier hätten die Antragsteller deutlich weiter gehen müssen. Deswegen werden wir, die FDP/DVP, diesem Antrag auf gar keinen Fall zustimmen,
(Abg. Anton Baron AfD: Das ist ja der Wahnsinn! Das überrascht mich jetzt total! – Unruhe bei der AfD)
sind aber trotzdem der Meinung, dass ein klares Signal in Richtung Türkei endlich auch mal auf der Tagesordnung ste hen muss.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Der heutige Tagesordnungspunkt ist von enormer Relevanz für unser Land. Selbstverständlich ist der Beitritt der Türkei in die Europäische Union mit allen Mitteln abzulehnen. Den Grundsatz, dass die EU-Außengrenze auch morgen vor der Türkei verläuft, wenigstens solange es keinen „Wüxit“ gibt, sollten wir energisch durchsetzen.
Warum? Wir feiern in wenigen Tagen das zehnjährige Jubilä um der illegalen Griechenlandhilfen, eine Ermächtigung, mit der sich ja auch die Nachfolger des Zentrums gut auskennen. Im Herbst begehen wir das fünfjährige Jubiläum des kollek tiven Versagens der Europäischen Union während der Flücht lingsinvasion. Auch sollten wir die eklatanten Sicherheitspro bleme innerhalb der Europäischen Union während der Terror welle in den vergangenen Jahren nicht außer Acht lassen, zu denen wir seitens der Europäischen Union kein Wort gehört haben. Wir sollten die Türkei vor diesem ganzen Desaster schlicht und ergreifend bewahren.
Selbstverständlich gibt es aber auch andere Probleme, die vor getragen werden können. Die Mehrheit der Bevölkerung un terstützt einen despotischen, durch undemokratische Prozes se an die Macht gekommenen, bösartigen, antisemitischen Staatschef, der die Verbreitung des Islams in Europa befür wortet. Aber all das trifft auch auf Frank-Walter Steinmeier zu.
Wir haben bereits genug der Probleme. Alle negativen Eigen schaften, alle religiösen Konflikte, alle Interessen Erdogans, all das haben wir bereits in der EU, in den immer größer wer denden Parallelgesellschaften in Berlin, Duisburg, Stuttgart, Mannheim oder Frankfurt. Wir sollten entschlossen gegen den Beitritt der Türkei in die EU kämpfen, aber dieser Kampf fin det nicht in Ankara oder Istanbul statt, sondern in Zuffenhau sen, im Hallschlag und in Feuerbach. Und wenn sich ein EUBeitritt als unvermeidlich herausstellt, könnten wir zumindest mit dem Steuervermeidungsmodell türkischer DönerladenBetreiber-Cousins die marode europäische Wirtschaft ein we nig auflockern.
Mit Verlaub, Frau Präsidentin: Der Abgeordnete hat eben unser Staatsoberhaupt als Antisemiten geschmäht.
Herr Abg. Dr. Fiechtner, Sie wissen wahrscheinlich, worauf sich Herr Abg. Dr. Rülke bezieht. Würden Sie das wiederho len?
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Gern! – Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD – Abg. Nicole Ra zavi CDU: Er bestätigte es doch gerade!)
Frau Präsident, ich wiederhole gern diesen Satz: Selbstverständlich gibt es auch andere Probleme, die vorgetragen werden können. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt einen despotischen, durch undemokratische Prozesse an die Macht gekommenen, bösartigen, antisemitischen Staatschef, der die Verbreitung des Islams in Europa befürwortet. Aber das trifft auch auf FrankWalter Steinmeier zu.