(Zuruf: Mal sehen, ob er zum Thema spricht! – Abg. Nicole Razavi CDU: Jetzt kommt Geisterfahrer AfBW!)
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Freude, wenn auch nicht ohne ein gerütteltes Maß an Verwunderung, vernehmen wir, dass die Grünen ihre notorische Technik- und Automobilfeindlichkeit zumindest teilweise abzulegen gewillt sind.
Dass das Automobil im Autoland Baden-Württemberg bei Ih nen nicht mehr länger nur als zu bekämpfendes Teufelszeug gilt, ist in jedem Fall schon einmal ein erfreuliches Signal.
Wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen, jetzt auch noch gelingt, Ihre dogmatische und ziemlich lust feindliche Parteijugend
(Abg. Nicole Razavi CDU: Lustfeindlich? – Abg. Fe lix Schreiner CDU: Lustfeindlich? Wir haben Lust! – Unruhe)
Ihre lustfeindliche Parteijugend – mit dem Automobil zu versöhnen, dann betrachte ich das mit großem Wohlwollen. Die Grüne Jugend ist u. a. Mitglied im „World Carfree Net work“, das autofreie Lebensstile unterstützt und die Abkehr von autogerechten Planungen von Städten und Kommunen fordert.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Felix Schreiner CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Bravo!)
Aus unserer Sicht ist es geboten, dass wir alle die stetig wach sende Bedeutung von intelligenter Mobilität und die Chancen der Digitalisierung für den Verkehrsbereich anerkennen und dass wir die optimalen Rahmenbedingungen für dieses Zu kunftsthema schaffen. Eine verkehrsträgerübergreifende Stra tegie zur intelligenten Mobilität ist längst überfällig. Wir, die Alternative für Baden-Württemberg, unterstützen sehr gern entsprechende Initiativen aus den Reihen der Koalitionsfrak tionen. Die Alternative für Baden-Württemberg setzt sich da für ein, diesem Thema einen besonderen Stellenwert in der Verkehrspolitik des Landes zu geben. Im Rahmen von Pilot projekten sollen konzeptionelle und praktische Ansätze ent wickelt werden,
(Abg. Reinhold Gall SPD: Da hat aber die Alternati ve-Fraktion etwas anderes erzählt als Sie gerade!)
um solche Technologien in Baden-Württemberg zunächst in Testform möglichst schnell nutzbar zu machen. Hierzu soll das Verkehrsministerium entsprechende Pilotprojekte etablie ren. Damit das Autoland Baden-Württemberg bei dieser zen tralen Entwicklung eine Vorreiterrolle spielen kann, muss die Landesregierung klare Prioritäten setzen. Unabdingbar sind
aus unserer Sicht eine umfassende Digitalisierungsstrategie, ein Zukunftskonzept und Leitinvestitionen.
Zu den notwendigen Schritten zählt aus Sicht der Alternative für Baden-Württemberg, dass zunächst einmal ein „Digitales Straßengesetz“ erarbeitet wird,
In Verhandlungen mit dem Bund sowie auch auf europäischer Ebene sollte sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass das automatisierte Fahren bzw. das teilautomatisierte Fahren ermöglicht wird. In Modellregionen und auf weiteren Testfel dern sollte das Land in Kooperation mit dem Bund den Auf bau einer intelligenten Straßeninfrastruktur fördern. Entlang der Autobahntrassen und Schienenwege ist zudem dringlich – das kann man nicht oft genug wiederholen, gerade auch als Abgeordneter aus dem ländlichen Raum; ich weiß, wovon ich spreche –, schnelles und mobiles Internet bereitzustellen. So schnell wie möglich ist zu diesem Zweck auch die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu unterstützen.
Auch die Automatisierung des Schienenverkehrs sehe ich als eine vordringliche Aufgabe an, die voranzutreiben wir uns ge meinsam als Ziel setzen sollten.
Meine Damen und Herren, das selbstfahrende Auto kommt. Die Frage ist nur: Werden wir in Deutschland wieder einmal aus Furcht und wegen einer verbreiteten Ängstlichkeit eine Zukunftstechnologie verschlafen, oder werden wir diesmal selbst Chancen stärker gewichten als Risiken? Werden wir diesmal aktiv mitgestalten, statt, wie schon so oft, nur teil nahmslos zuzuschauen? Vorausschauende Politik kann sich nicht damit begnügen, dumpfen Stimmungslagen nachzuge ben. Sie sollten vielmehr abwägen, um eine rationale Ent scheidungsgrundlage zu haben.
Schon im Jahr 2030 soll der Mensch nichts mehr tun, außer sich ins Auto zu setzen, das Fahrtziel zu nennen und dann zu lesen, zu spielen oder fernzusehen – so die hochfliegenden Pläne der Automobilindustrie. Der derzeitige Stand der Tech nik bietet derweil jedoch ein etwas nüchternes Bild. Richtig ist: Die neue Mercedes-E-Klasse wird bis Tempo 60 weitest gehend selbstständig unterwegs sein und ihren Fahrer bis Tempo 120 unterstützen, aber ganz ohne Fahrer geht es eben noch nicht.
Wie schon erwähnt, sind auch die Frage der Haftung und die Klärung der Schuldfrage wichtig: Wer soll im Schadensfall haften? Soll der Fahrer, der Systemhersteller oder der Auto bauer zur Kasse gebeten werden? Überschwängliche Erwar tungen, wie sie am Beginn jeder neuen Technologie stehen, werden also durchaus zu Recht etwas gedämpft. Der Autofah rer wird in Zukunft vor folgender Frage stehen: Kaufe ich wei ter meine Stammmarke mit gewohntem Ledergeruch aus Deutschland oder ein Auto aus dem Silicon Valley, das mich nach zwei Bierchen autonom nach Hause fährt? Die Software
Digitalisierung wird für die deutsche Industrie zum Gewin nerthema, wenn der Staat bessere Voraussetzungen dafür schafft. Neue Märkte können wir aber nur durch eine digita le Infrastruktur auf Champions-League-Niveau erreichen. Wir liegen gegenwärtig im Bereich von Rumänien – Platz 20 im OECD-Bereich –; hier müssen wir deutlich besser werden.
Teilautomatisierte oder automatisierte Fahrfunktionen werden zukünftig Fahrerinnen und Fahrer entlasten und in kritischen Situationen unterstützen bzw. solche Situationen sogar gänz lich vermeiden. Gleichzeitig werden neue Komfortfunktionen das Fahrerlebnis weiter steigern. Außerdem werden Mehr wertdienste entstehen und wird damit eine Grundlage für neue Geschäftsmodelle geschaffen, für die ein Milliardenmarkt vo rausgesagt wird.
Meine Damen und Herren, mit der Zukunftstechnologie des autonomen Fahrens eröffnen sich neue Perspektiven und Chan cen, auch für den öffentlichen Nahverkehr. Insbesondere gilt das für kleinstädtische und ländliche Regionen, in denen die konventionellen Strukturen des ÖPNV aufwendiger und teu rer sind als in Großstädten. Hier könnten autonom fahrende Fahrzeuge innovative und intelligente Konzepte für die Mo bilität liefern.
Es ist aus unserer Sicht nicht zu bestreiten, dass eine leistungs fähige digitale Infrastruktur gerade für den ländlichen Raum ein zentraler Standortfaktor für Baden-Württemberg ist. Dies wird zukünftig auch in Bezug auf eine effiziente und wirt schaftliche Mobilitätsinfrastruktur gelten. Deutschland kann mit seiner weltweit führenden Autoindustrie künftig auch auf dem Gebiet des autonomen Fahrens eine führende Rolle über nehmen. Wir sollten alle gemeinsam dafür sorgen, dass diese Technologie in Realität und Alltag in Baden-Württemberg Einzug hält und eine Chance bekommt. Es gilt die Devise: Machen statt Reden.
Frau Präsiden tin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass wir heute über eine wichtige Zu kunftsfrage sprechen. Ich fand es übrigens überhaupt nicht schlecht, dass sich das Parlament heute einmal in aller Breite der zur Diskussion stehenden Frage zugewandt und sich ernst haft damit auseinandergesetzt hat – anders, als es gestern war.
Wir stellen fest – das war übrigens übereinstimmend bei al len Rednern erkennbar –: Die Digitalisierung wird alle Le bensbereiche und ganz besonders den Verkehrsbereich verän dern. Es geht nicht nur um das einzelne Auto – das wäre das autonome bzw. das teilautonome Fahren –, sondern natürlich auch um das Verkehrssystem insgesamt, auch um das Trans port- oder das Logistiksystem. Vielleicht ist dort noch am meisten zu verändern, weit mehr als im Bereich des Autos, bei dem viele Technologien schon länger eingeführt bzw. zu mindest teilweise eingeführt sind.
Einige haben auch darauf hingewiesen: Es geht nicht nur um das Auto, sondern es geht auch um die Veränderung des öf fentlichen Verkehrs. Der Bus und die Bahn der Zukunft wer den nicht mehr die gleichen sein, und die Güterverkehre auf der Schiene können nicht mehr mit Technologien des 19. Jahr hunderts erfolgreich sein. All dies wird mit dieser Thematik angesprochen, und damit werden natürlich auch wichtige Fra gen gestellt, die wir in der Politik beantworten müssen.
Wir können heute nur erahnen, in welche Richtung es geht und was alles möglich ist, aber ganz sicher wissen wir es nicht. Wir haben festgestellt – ich habe es auch immer wieder in den Reden gehört –, dass sich technologisch sehr viel verändert hat. Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Aber kommen die Men schen mit? Wenn man sieht, wie Menschen auf technologi sche Veränderungen reagieren oder überhaupt Neuigkeiten wahrnehmen, dann stellt man immer wieder fest, dass sie den Hang haben, in alten Mustern zu verharren – ob das jetzt im Kopf ist, wenn sie diskutieren, dass sie nicht wahrnehmen, dass sich Parteien oder die Debatten verändert haben oder dass es andere Angebote gibt.
Insofern ist, glaube ich, eine solche Debatte richtig gut, da sie auch dazu beiträgt, alte Muster aufzubrechen.
Ich habe es ja auch in anderen Debatten gesagt: Gerade in ei nem Land, in dem die Menschen so viel Wert auf das Auto und Autofahren legen, ist es natürlich schon entscheidend, dass sie diese Technologien mitmachen. Ich meine, in Deutsch land haben wir ungefähr 50 Jahre gebraucht, um uns von der Handschaltung auf die Automatikschaltung umzustellen, weil wir lange geglaubt haben, wir könnten das viel besser als die Technik.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nichts gegen Hand schaltung! Darauf möchte ich nicht verzichten! Die ist gegen das Einschlafen, die Handschaltung!)
Die Automatisierung, die Teilautomatisierung verlangt ja noch sehr viel mehr Vertrauen in die Technik und sehr viel Verän derung.
Meine Damen und Herren, die Herausforderung ist auch eine verkehrspolitische. Denn die Frage ist ja dann doch: Sind un sere politischen Debatten über diese und jene Umgehungs straße noch Zukunftsdebatten, oder reden wir eigentlich so zusagen über die Vergangenheit? Denn natürlich wird die Stra ße der Zukunft eine andere sein, eine intelligente Straße. Inf rastrukturen insgesamt müssen wir mit diesen intelligenten Technologien ausrüsten.
Das sind die Punkte, die wir angehen wollen. Ich glaube, dass gerade Baden-Württemberg als Autoland geradezu die Ver
pflichtung hat, sozusagen zum Mobilitätsland zu werden. Wir müssen alle Voraussetzungen dafür schaffen, dass es uns ge lingt, dass Baden-Württemberg ein zukunftsfähiges Mobili tätsland wird.