Protokoll der Sitzung vom 04.03.2020

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Regierungsinformation durch den Minister für Soziales und Integration zur aktuellen Lage hinsichtlich der Aus breitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) in Baden-Würt temberg und zu den Maßnahmen der Landesregierung zu seiner Eindämmung

und Aussprache

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Her ren! Lieber Kollege Binder, auch von mir herzlichen Glück wunsch zum Geburtstag und auf weiterhin gute, tatkräftige Zusammenarbeit in unserem Lieblingskreis Göppingen und bei unseren großen Aufgaben in der Gesundheitsversorgung. Ich bedanke mich auch und wünsche Gesundheit, damit wir das weiterhin so machen können.

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Präsidentin, herzli chen Dank, dass Sie mir und uns heute die Gelegenheit ge ben, Sie aktuell über die Situation und die Herausforderung im Umgang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu informie ren. Dieses ist genetisch eng mit dem SARS-Virus verwandt. Was uns dabei am meisten besorgt, ist, dass es eine Lungen krankheit auslösen kann, die sogenannte Coronavirus-Infek tion Covid-19.

Laut aktuellem Bulletin der Weltgesundheitsorganisation von heute Morgen um 6 Uhr Ortszeit sind 93 062 Menschen er krankt. Der Großteil dieser Fälle betrifft und betraf China. In China stellen wir fest, dass der sogenannte Peak erreicht ist und ein Abflauen eintritt. Außerhalb von China sind 12 640 Menschen in 76 Ländern erkrankt. In Europa verzeichnen wir derzeit 2 774 Infektionen und 56 Todesfälle.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Inkubationszeit 14 Ta ge beträgt. Unsere derzeitige Wahrnehmung ist, dass wir in Baden-Württemberg bei den uns bekannten Fällen eine durch schnittliche Inkubation von sechs Tagen feststellen. Wir ha ben jetzt in manchen Fällen in Kleinclustern auch schon fest gestellt, dass es sich um eine zweitägige Inkubation handeln kann.

Wir haben – Stand heute – in Deutschland etwa plus/minus 200 bestätigte Fälle.

Das Geschehen begann mit dem ersten Infektionscluster in Bayern und einzelnen Fällen deutscher Staatsbürger, die dann aus Wuhan ausgeflogen wurden. Ab dem 25. Februar wurden dann in mehreren Bundesländern Infektionen bekannt, so auch bei uns genau heute vor einer Woche in Baden-Württemberg der erste Fall, in Göppingen.

Der Bund hat eine Koordinierungsstelle beim Robert KochInstitut eingerichtet, der offiziellen Behörde für Infektions schutz und die Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes. Die se Behörde führt das Koordinierungsverfahren nach dem In fektionsschutzgesetz durch. Die am Robert Koch-Institut an gesiedelte Arbeitsgemeinschaft Influenza, AGI, überwacht

(Minister Manfred Lucha)

mittlerweile auch das Erkrankungsgeschehen im Hinblick auf das Coronavirus.

Das Robert Koch-Institut schätzt das Risiko für die Gesund heit der Bevölkerung aktuell als „mäßig“ ein. Es erfolgte ei ne Höherstufung; bis vor wenigen Tagen war die Einstufung noch „gering bis mäßig“.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Wir wie derholen China!)

Aber wir – –

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist schon schwierig, gell, Herr Lucha! – Abg. Nicole Ra zavi CDU: Weiterreden! – Gegenruf des Abg. Rein hold Gall SPD: Lasst ihn einfach reden! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, es ist gut, dass ich das jetzt gera de nicht richtig verstanden habe.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Es wäre auch gut gewesen, wenn Sie es verstanden hätten!)

Ja, was soll man da noch sagen?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Nichts mehr!)

Meine Damen und Herren, alle von Ihnen sind sehr engagiert. Ich zitiere heute Herrn Lindner und andere Kollegen. Ich be komme von ihnen Rückmeldungen. Natürlich wissen wir, dass wir weitere Übertragungen, Infektionsketten und lokale In fektionsgeschehen erwarten müssen. Selbstverständlich kann es weitere Fälle durch Einreisende aus anderen Ländern ge ben.

Laut aktuellem Stand – wir hatten gerade eine Lagebeurtei lung – gibt es in Baden-Württemberg 44 Fälle. Diese Fälle be ziehen sich auf mehrere sogenannte Kleincluster – Kleingrup pen, Familienmitglieder, die miteinander in Verbindung wa ren – und Einzelpersonen. Wir haben in allen Fällen über die gezielte Nachverfolgung von Kontaktpersonen und über Qua rantänemaßnahmen die Maßnahmen ergriffen, um Ansteckun gen einzudämmen. Stand heute weisen die in Baden-Würt temberg bekannten Fälle milde Verläufe auf.

Was haben wir bereits getan? Wir konnten Sie schon darüber informieren, dass wir die Zusammenarbeit bereits im Januar beschlossen hatten, als es schon sehr viele Aktivitäten bezüg lich des Umgangs mit Verdachtsfällen – die sich seinerzeit noch nicht bestätigten – gab. Wir haben beim Landesgesund heitsamt – als erstes Landesgesundheitsamt – Ende Januar ei ne eigene Labortestung angeboten. Diese gibt es mittlerwei le an den Unikliniken und sieben weiteren Privatlaboren. Schon zu diesem Zeitpunkt haben wir abgestimmt gehandelt.

Das Innenministerium, lieber Herr Innenminister Strobl, hat den internen Verwaltungsstab einberufen, der zurzeit täglich tagt. Das Sozialministerium hat einen eigenen Verwaltungs stab einberufen, um die Lage nach den Infektionsschutzgeset zen die ganze Zeit im Blick zu behalten.

Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Ihnen, Herr Innenminister, und auch bei allen anderen Ressortkolle

gen, vor allem im Kultusministerium, für die gute, ja exzel lente, verantwortungsgemeinschaftsorientierte Zusammenar beit, meine Damen und Herren. Es herrscht eine Lage, in der es nicht um Zuständigkeiten geht, sondern um Verantwortlich keit.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Doch, es geht auch um Zuständigkeit!)

An dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Bei der ganzen Dimension von etwaigen Verläufen – auch in anderen Bundesländern, siehe Nordrhein-Westfalen – sehen wir auch, dass wir mit unserer besonnenen, klugen, abge stimmten, transparenten Lagebewältigung auf der richtigen Spur sind. Ich glaube, das kann man sagen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, die Pandemieplanung hat vier Stufen. Wir befinden uns derzeit noch in Stufe 1, der frühen Diagnostik und der Eindämmung der Ausbreitungsdy namik – in meinem Migrationsschwäbisch und im Fachjar gon: „Detection and Containment“: Der Detektiv fängt es und sperrt es in kleine Container, das Virus wie die Kontaktperso nen. Wir stützen uns auf den jeweils aktualisierten Pandemie plan, den wir am 25. Februar aktualisiert haben, am 2. März aktualisiert haben und heute im Lauf des Tages weiter aktua lisieren werden.

Lieber Kollege Hinderer, Herr Ausschussvorsitzender, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Frage zum Seuchenalarmplan. Die sen haben wir in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium aktualisiert und für das behördliche Verfahren in die Intranets und in die vorhandenen Informationskanäle gegeben, sodass alle Kommunen, alle Gemeinden, alle Behörden über den ak tualisierten Plan verfügen.

An dieser Stelle darf ich Ihnen auch sagen, dass wir die Vor gehensweise für die Ortspolizeibehörden als Schema festge legt haben und über das Innenministerium an alle 1 100 Ge meinden und alle Institutionen weitergeleitet haben.

Wir verfolgen immer noch die Bewältigung dieser Pandemie durch die vorgesehene Eindämmungsstrategie. Ziel ist nach wie vor die frühe Erkennung und die Eindämmung der Aus breitungsdynamik. Dadurch können wir Verdachtsfälle sofort dem Labor zuführen und damit die Ausbreitung eindämmen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass sich das Virus weiter ausbreiten kann und ausbreiten wird.

Deshalb ist es das oberste Gebot, die Infektionsdynamik, so gut es geht, in Form, Menge und zeitlichem Geschehen zu be einflussen. Die Gesundheitsbehörden haben deswegen schon frühzeitig eng zusammengearbeitet.

(Zuruf: Was ist frühzeitig?)

Wir haben mittlerweile die AG Corona ins Leben gerufen – lieber Herr Innenminister, Herr Ministerpräsident –, mit allen wesentlichen Partnern, die dafür Sorge tragen, dass wir diese Aufgabe bewältigen. Ich werde Ihnen bei den aktuellen Maß gaben noch sagen, wie wir das für die nächsten Tage und Wo chen konzipieren.

Unsere Strategie, liebe Kolleginnen und Kollegen, lautet grundsätzlich: höchste Aufmerksamkeit, höchste Achtsamkeit, aber kein Alarmismus.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Aus vielerlei Gründen ist es notwendig, das öffentliche Leben mit all seinen Funktionen aufrechtzuerhalten und – genau in dieser Spannbreite von Schutz, richtigen Maßnahmen und Be sonnenheit – gleichzeitig alles dafür zu tun, dass an richtiger Stelle, selbst bei Krankheitsausbreitung, das öffentliche Le ben weitergeht,

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

in Versorgung, Unterstützung, Behandlung, Infrastruktur, Wirtschaftsleistung, Kultur. Da gibt es viele Abwägungspro zesse. Zu dieser Eindämmung wurden in enger Abstimmung alle Behörden,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Da darf man nicht einfach abwarten!)

Institutionen, Einrichtungen, Bürgerinnen und Bürger auf ver schiedenen Wegen über eine umfassende Palette von Vor sichtsmaßnahmen informiert.

Wenn Sie sich jeden Tag unsere Dossiers, unsere Aktualisie rungen auf diversen Internetseiten, den Hinweis auf Verhal tensmaßregeln, den Hinweis auf unseren Frage-und-AntwortKatalog für Kommunen und Bürgerinnen und Bürger, unsere Hinweise für Reiserückkehrer anschauen, sehen Sie: Für uns sind das Allerwichtigste – es hört sich vielleicht etwas einfach an – die allgemeinen Hygieneempfehlungen, nicht nur im Hin blick auf eine mögliche weitere Ausbreitung, sondern auch immer noch im Hinblick auf die Grippewelle, auch wenn sich diese schon im Abklang befindet. Denken Sie daran: ordent lich Hände waschen, richtig Hände waschen,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Auch den richtigen Abstand beachten!)

in die Beuge niesen, Abstand halten, bitte nicht ins Gesicht langen. Ich selbst als leichter ADHSler habe bei mir im Selbst test festgestellt, wie oft man das macht. Hier sind unsere emp findlichen Schleimhäute.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: ADHS ist da hinten! – Vereinzelt Heiterkeit)

Auch das sind alles Dinge, die wir bewältigen können und be herzigen sollten.