Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

In der Tat war der grünen Landesregierung die Gemeinschafts schule wichtiger. Dorthin gehen die Personalressourcen. In klusion war wichtiger. Dort wurden neue Stellen geschaffen. Nun ist Grün-Rot wahrscheinlich genau deswegen 2016 ab gewählt worden,

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

und die CDU mit den Grünen soll es nun richten, indem man jetzt wieder die Gemeinschaftsschule stärkt und sie sozusa gen zum neunjährigen Gymnasium dieser Landesregierung deklariert.

Wir, die AfD, möchten explizit das Gymnasium stärken. Wir möchten die Leistungsträger unserer Gesellschaft stärken und sie fit für die Zukunft machen. Dazu gehört nicht dieses selt same von Ihnen zitierte Familienbeispiel von vor 30 Jahren, sondern dazu gehört, Interessen in der privaten Lernzeit um setzen zu können. Dazu gehört auch, dass wir bestimmten Fä chern, die zukunftweisend sind, mehr Ressourcen zugestehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Dazu gehört vor allem, dass wir die Eigenverantwortung, die Individualität der Schüler stärken wollen. Sie sollen weitge hend – so weit sie es eben können – selbst entscheiden, ob sie in acht oder in neun Jahren zum Abitur gehen möchten. Des wegen haben wir diesen Gesetzentwurf zum neunjährigen Gymnasium mit der individuellen Lernzeitverkürzung einge reicht.

In der Tat habe ich die wesentlichen Aspekte schon in der ers ten Lesung dargestellt. Wir möchten den Schülern viel priva te Bildungszeit zurückgeben. Das lieben Sie doch mit Ihrer

beruflichen Bildungsförderung. Sie haben ja über das Bil dungszeitgesetz lang und breit referiert. Ob es sinnvoll war, ist eine ganz andere Sache.

Wir möchten aber speziell den jungen Leuten die Möglichkeit zurückgeben, mittags im Sportverein oder in der Musikschu le etwas zu lernen. Dafür braucht man Zeit, Zeit, um zu üben.

Die Belastungen durch das achtjährige Gymnasium lassen die se Hobbys oft genug zum Erliegen kommen. Deswegen ist das Besondere unseres Entwurfs die individuelle Lernzeitver kürzung.

Wir sind eine Partei mit einem starken freiheitlichen Impuls. Aus diesem freiheitlichen Impuls ist diese Idee, ist dieser Ge setzentwurf entstanden.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Des wegen können die anderen nichts damit anfangen!)

Wir möchten im Gegensatz zu dem ideologisierten Quatsch von soeben

(Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE: Das war eine hervorragende Rede!)

den Familien die Entscheidung über das Heranwachsen ihrer Kinder wieder zurückgeben. Wir möchten, dass mehr private Zeit für die Bildung da ist. Wir möchten die jungen Leute zur Entscheidung, eine Klasse zu überspringen, ermutigen.

Bekanntlich entwickeln sich Kinder sehr verschieden und sehr unterschiedlich. Da gibt es dynamische Entwicklungssprün ge. Plötzlich werden aus braven Kindern anstrengende Ju gendliche. Manche von ihnen haben dann allein das Ziel, mit der „blöden Schule“ schneller fertig zu werden. Das soll auch richtig sein.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE schüttelt den Kopf.)

Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln. Vielleicht gibt es auch noch junge Leute, die anders denken, als Sie es sich vorstellen können.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Abg. Sandra Boser GRÜNE: Sie haben ein Bild von der Jugend!)

Für andere mag es besser sein, für die Vertiefung neun Jahre Zeit zu haben. Insbesondere Buben – das haben wir heute schon einmal gehört – brauchen manchmal etwas mehr Zeit in der Entwicklung.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Was heißt „manchmal“?)

Aber die Leistungserwartung ist die eines neunjährigen Gym nasiums. Nach dem neunjährigen Gymnasium kann man ei ne Vertiefung erreichen, die nach acht Jahren nachweislich nicht gegeben ist.

Natürlich weiß ich auch, dass die Einser-Durchschnittsabitur noten und überhaupt die Noten immer besser geworden sind. Das ist doch aber keine Aussage über den Leistungsstand. Das wissen wir doch alle. Wo stehen denn die Jungs und Mädels aus unserem Land im internationalen Vergleich? Gucken Sie doch einmal objektiv hin.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das sollten Sie einmal machen! – Abg. Daniel Born SPD: Gucken Sie doch einmal objektiv hin!)

Sie werden nach neun Jahren eine Studierfähigkeit erhalten, die es ihnen ermöglicht, alle Fächer zu studieren, die für die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts wichtig sind.

Dazu gehört die Stärkung der Naturwissenschaften, die Stär kung des Faches Mathematik und die Stärkung des Faches In formatik. Mathematik ist ein Grundlagenfach für die Natur wissenschaften und ist auch für die Wirtschaftswissenschaf ten und die volkswirtschaftlichen Studiengänge wichtig. Auch die Allgemeinbildung möchten wir stärken. Deshalb sehen wir hier Deutsch und Geschichte im Vordergrund.

Einige Personen stören sich an der Formulierung, dass wir al le Zeitepochen gleichmäßig behandeln wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wenn Sie das nicht wollen, was wollen Sie denn dann? Sie wollen bestimmte Epochen nach ideologischen Kriterien he rauswählen und merken dann hinterher, dass der Gesamtent wicklungsstrang verloren geht. Ich kann Ihnen nur sagen: Ver ständnis für die Entwicklungen im Dritten Reich kann man nur dann entwickeln, wenn man die Geschichte von mindes tens hundert oder zweihundert Jahren vorher sorgfältig gelernt hat und kennt

(Zuruf des Abg. Daniel Born SPD)

und nicht einfach nur einzelne Brocken herausnimmt, die man im Moment für wichtig hält.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Herr Balzer, Sie reden sich dadurch raus! Das ist Nivellierung, was Sie da betreiben!)

Herr Abg. Dr. Balzer, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es wurde auch beklagt, dass angeblich die Kolonialzeit nicht richtig behandelt wird usw. usf. Aber jetzt muss ich aufgrund des Anfangs hier übersprin gen.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist nicht zu fassen!)

Ich komme zum Schluss und sage: Die Schüler in unserem Land verdienen und brauchen eine optimale Förderung, wenn sie in der Welt von morgen bestehen wollen. Diese Investiti on kostet Geld. Deswegen sind wir dafür, dass die Schüler in unserem Land individuell das Beste erreichen. Mehr Zeit für gute Bildung.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem innovativen, nicht rückwärtsgewandten Gesetzentwurf.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut! – Zuruf von der SPD: Das war nur rückwärtsge wandt! – Gegenruf des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Sie wissen nicht, was rückwärtsgewandt ist! – Abg. Anton Baron AfD: Vielleicht hat Herr Fiechtner noch Zeit für eine Gesprächsstunde für einen von der SPD!)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Zurück zur Realität. Es überrascht lei der nicht, aber auch die G-8/G-9-Frage ist ein weiterer grünschwarzer Blockadefall, wie wir ihn mittlerweile leider in vie len wichtigen Bildungsfragen feststellen müssen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Auch diese gegenseitige Blockade führt dazu, dass im Bil dungswesen unseres Landes in erster Linie Stagnation herrscht und nicht kraftvolles, richtungweisendes Entscheiden, um bei den baden-württembergischen Leistungsmessungen im Bil dungsbereich endlich das Feld der Mittelmäßigkeit zu verlas sen.

Die CDU setzt sich für eine allgemeine Wahlfreiheit ein, die Grünen wollen aber keine Konkurrenz für die Gemeinschafts schuloberstufen.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Für die beruflichen Schulen! Für die beruflichen Gymnasien!)

Die Folge der gegenseitigen Blockade ist ein Kompromiss mit der denkbar schlechtesten aller Alternativen: eine Verlänge rung des sogenannten Schulversuchs G 9 an einem Gymnasi um pro Landkreis. Auch in dieser Frage gilt: Eine Kultusmi nisterin, die das ehrgeizige Ziel hat, Ministerpräsidentin zu werden, darf sich aus unserer Sicht mit solch faulen Kompro missen in ihrem Ressort eigentlich nicht zufriedengeben.

Ihr Argument, dass Schulstrukturdiskussionen jetzt fehl am Platz seien und erst einmal Ruhe einkehren müsse,

(Abg. Raimund Haser CDU: Das war auch mal Ihr Argument!)

überzeugt uns überhaupt nicht. Denn die momentane Situation in der Frage G 8/G 9 ist durch alles andere als durch Ruhe geprägt. Die ungeklärte Gerechtigkeitsfrage schafft vielmehr Unzufriedenheit und Unruhe an den Schulen vor Ort.

Auch der Kultusministerin muss das bewusst gewesen sein; denn in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs deutete sie noch ihre Sympathie gegenüber einer Wahlfreiheit an. Sie wolle die Entwicklung in Bayern offen betrachten. Mittlerweile haben die Grünen die Kultusministerin aber wieder eingefangen.

Wir Freien Demokraten haben eine Anregung der Initiative „G9 jetzt!“ aufgegriffen und die Erhebung des Bedarfs an G-8- und G-9-Plätzen gefordert. Aber zu solch einer Erhebung fehlt der Kultusministerin der Mut und das Durchsetzungsvermö gen in Richtung Grün.

Bereits im Jahr 2013 hatte die FDP/DVP-Fraktion als Ausweg aus dem grün-roten G-8/G-9-Schlamassel eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 zu gleichen Bedingungen vorgeschla gen. Diesen Vorschlag erneuern wir heute. Demnach sollen alle Gymnasien eine auskömmliche Personalausstattung auf Basis einer einheitlichen Stundentafel erhalten. Gleichzeitig bekommen sie die Möglichkeit, die Wochenstunden der Stun dentafel auf acht oder auf neun Jahre zu verteilen. Den mit zwölf zusätzlichen Lehrerwochenstunden pro Klassenzug pri vilegierten G-9-Schulversuch wollen wir auslaufen lassen.