Meine Damen und Herren, wir sind alle gefordert – die Han delsketten, die Konsumenten. Als Beispiel möchte ich nen nen: Wenn ein kleiner Getränkehändler in Stuttgart-Vaihingen freiwillig auf ein Drittel seines bisherigen Umsatzes verzich tet, um alle Einwegplastikflaschen aus seinem Betrieb zu ver bannen,
dann ist das ein mutiger Schritt. Dem sollten die großen Han delsriesen und die Discounter einmal folgen. Dann wäre uns schon viel geholfen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Freie Entscheidung!)
Wir hoffen, dass die gemeinsame Bundesratsinitiative von Hessen und Baden-Württemberg mit dem Ziel, die Pfand pflicht auf alle Dosen und Plastikflaschen auszuweiten, Erfolg haben wird.
Denn es hat sich gezeigt, dass das Pfand zwar ein Erfolg ist, aber dass es noch auf weitere Bereiche ausgeweitet werden muss.
Meine Damen und Herren, wie sehr wir alle in der Pflicht ste hen, möchte ich an einer Zahl verdeutlichen. Während mei ner ca. zehnminütigen Rede gingen in Deutschland 52 000 Einweg-to-go-Becher über den Tresen oder den Ladentisch. 52 000 in zehn Minuten – das verdeutlicht das Problem, das wir haben, und es macht deutlich, dass es Zeit ist für ein neu es Denken, für eine neue Mentalität und auch für neues Han deln – nicht nur in Fragen der Atomkraft.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In einer Phase, in der wir mit Blick auf das Coronavirus enorme Anstrengungen un ternehmen, zeigt sich, wie schnell bisher wichtige Themen aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Dennoch ist das Thema Umweltschutz von grundsätzlicher Bedeutung in unserer Gesellschaft.
Der Blick auf die Entwicklung der Kunststoffverpackungsab fälle unterstreicht dies. Der Kollege hat es ausgeführt. Es zeigt sich auch, dass trotz verbesserter Recyclingmöglichkeiten die Gesamtmenge der verwendeten Kunststoffe in den vergange nen Jahren signifikant gestiegen ist.
Zur aktuellen Problemlage gehört auch das Verhältnis von Einweg- und Mehrwegverpackungen sowie die Tatsache, dass auch aus Deutschland Verpackungsmaterial in Drittländer ver kauft und transportiert wird. Ein Beispiel dafür ist Malaysia.
Ebenso wird deutlich, welche positiven, aber auch welche un zureichenden Regelungen in der Gesetzgebung bestehen. Ei ne Veränderung und Verbesserung der Situation können wir aber nicht dadurch erreichen, dass wir immer vorbeten, was alles schlimm ist, sondern indem wir den Blick in die Zukunft, auf die technischen, aber auch auf andere Möglichkeiten rich ten.
Grundlegend sind dabei die Forschungsanstrengungen. Das beginnt mit Technologien zur Filterung von Abwässern, zur Sortierung von Abfällen und zur Zusammensetzung und Her stellung entsprechender Materialien. Das Land hat die For schungslandschaft bereits hierauf ausgerichtet und hat z. B. in der Bioökonomie einen Forschungs- und Anwender-Think tank am KIT in Karlsruhe initiiert und alles unter einer Lan desstrategie für Ressourceneffizienz zusammengefasst.
Zugegebenermaßen ist die CSU-geführte Bayerische Staats regierung, auch durch die Einrichtung eines Landeszentrums, in dem geforscht wird und die Anwendung direkt vorbereitet wird, etwas weiter. Auch im bayerischen Koalitionsvertrag sind einige Punkte verankert. Baden-Württemberg ist noch nicht ganz so weit. Im Ländervergleich stehen wir allerdings gut da.
Klar ist: Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen fort laufend hinterfragt und angepasst werden. Ziel muss es dabei sein, Vermeidungsmöglichkeiten im Rahmen der industriel len Anwendung bis hin zum privaten Verbrauch und zum Um gang mit eingesetzten Materialien gesetzlich zu regeln und zu verbessern. Dabei geht es uns nicht nur um die Plastikrück stände in den Weltmeeren, sondern es geht auch um die Ein träge von Mikroplastik in unsere Gewässer und Böden.
Weitere wichtige Aspekte sind aber auch unser Verhalten und unsere gesellschaftlichen Ansprüche. Klar ist, dass wir es hier mit Konflikten zu tun haben, die man nicht zwingend auf die Politik schieben kann. Beispielhaft will ich einmal aufzeigen, wie schwierig das beim täglichen Einkaufen ist. Unsere An sprüche an die Hygiene beim Lebensmittelverkauf, an der Fri schetheke, und die möglichen Maßnahmen zur Vermeidung von Verpackung widersprechen sich. Gleiches gilt für viele andere Produktgruppen, z. B. für Kosmetika, aber auch Tex tilien. Auch finanzielle Aspekte und Bequemlichkeitsgründe spielen eine Rolle. Ein Beispiel ist der Onlinehandel. Denn auch Karton und Pappe sind bei einmaliger Verwendung nicht zwingend umweltfreundlich.
Selbst wenn man den Versuch unternimmt, Verpackungsma terial und Plastik beim Einkauf zu vermeiden, scheitert man an vielen Stellen im Alltag, sei es durch den Kauf eines Tetra paks oder die Nutzung eines Briefumschlags mit Plastiksicht fenster.
Von 400 Millionen t Plastikmaterial werden weltweit 16 % ein gesammelt und davon nur 10 % recycelt. Nach einer McKinseyStudie gelangen 20 % unreguliert in die Natur und werden nicht entsorgt.
Deswegen muss aus Sicht der CDU-Fraktion in Baden-Würt temberg in der Zukunft ein Strauß von Maßnahmen umgesetzt werden. Wo es sinnvoll ist, muss die Wirtschaft weiterhin im Sinne der Verringerung von Mikroplastikanteilen sowohl durch Anreize als auch durch gesetzliche Vorgaben einbezogen wer den.
Eine weitere Zielsetzung ist neben der Recyclingfähigkeit von Materialien auch die Forschung in Bezug auf biobasierte Er
In der Verantwortung des Landes liegt es aber auch, die Be völkerung offen über die Zusammenhänge zu informieren. Nicht wenige Menschen glauben, mit der Einführung des Gel ben Sacks bzw. der Gelben Tonne durch den damaligen Um weltminister Trittin habe sich die Frage nach dem Plastikmüll erledigt.
Politisch gesehen ist auch klar: Die Umsetzung von Maßnah men von der Produktion bis zum Recycling, die Umsetzung der Mülltrennung und der ressourcenschonenden Verwertung sowie Wiederverwertung von Materialien, das ist im nationa len Alleingang nicht zu machen.
Denn damit die Marktmechanismen auch funktionieren und damit Ökologie und Ökonomie zusammenkommen, darf man nicht die eigenen, sich an der Weltspitze befindenden Betrie be dadurch gefährden, dass man mit Importwaren entspre chende Imbalancen aufbaut. Das ist gerade dann wichtig, wenn man technologisch an der Weltspitze steht.
Aber wichtig ist auch, dass wir unser Verhalten überdenken. Das beginnt nicht erst beim Onlineeinkauf, sondern schon bei der täglichen Ernährung, und es geht über den Einkauf bis zur Verwertung von regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Das muss nicht unbedingt bio sein.
Bei regionalen und saisonalen Lebensmitteln kann man näm lich viele Obst- und Gemüsesorten ohne Plastikverpackung bedenkenlos kaufen. Denn manchmal ist das Einfache das Beste.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Walter, herzlichen Dank für das Erinnern an Tschernobyl, Fu kushima, aber auch Fessenheim.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Was ge schieht denn in Fessenheim? Und in Fukushima gab es ein Erdbeben! Gedenken wir einer Naturkatastro phe?)
Wir in unserer Region freuen uns, wenn am 30. Juni auch der zweite Reaktor abgeschaltet werden kann.
Wir würden uns aber auch freuen, wenn wir die ungeteilte Energie und das ungeteilte Engagement der Landesregierung hätten, um auch die Nachfolge für Fessenheim zu organisie ren.
Denn das können wir in unserer Region ganz allein auch nicht machen. Wir wollen dort etwas Besseres haben als das Recy celn von Brennstäben. Deswegen brauchen wir Sie an unse rer Seite.