Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den umgesetzten Maß nahmen, die auch eine deutliche Stärkung des ÖPNV beinhal ten, sorgen wir dafür, dass die Luft weiterhin besser wird. Die Luft in den baden-württembergischen Städten ist heute so sau ber wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das muss die Botschaft dieser Aktuellen Debatte sein.

(Beifall)

Wenn wir schon beim Thema „Aktuelle Debatte“ sind: Wenn ich mir die Messwerte anschaue, stelle ich fest: Eine nochma lige Aktuelle Debatte, lieber Kollege Haußmann, über weite re Fahrverbote ist nicht mehr notwendig, ja, sie hat sich erle digt. Sie hat sich auch wegen der Entscheidung des Bundes verwaltungsgerichts erledigt. Das Gericht hat entschieden, dass Fahrverbote unverhältnismäßig sein können, wenn die Grenzwerte in Kürze eingehalten werden. Genau dies ist bei allen Messstellen in Stuttgart ganz offensichtlich der Fall.

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

Unsere Einschätzung sehen wir auch durch das aktuelle Wir kungsgutachten bestätigt, das heute in den „Stuttgarter Nach richten“ das Licht der Welt erblickt hat.

(Abg. Anton Baron AfD: Wer hat es erstellt, Herr Dörflinger?)

Herr Minister und lieber Kollege Daniel Renkonen – ich den ke, ich spreche auch für eure Fraktion –, wenn wir gestern um 19:14 Uhr ein paar wenige Folien des Wirkungsgutachtens er halten haben, aber schon heute die Details in der Presse lesen können, dann wurde hier von Bahr die Informationsreihenfol ge nicht beachtet.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Werte jetzt so gut geworden sind, hat natürlich mehrere Ursachen. Ich nenne die Flottenerneuerung, ich nenne die VVS-Tarifreform zum April 2019. Diese Reform hat zu mehr Fahrgästen geführt und das Tarifwirrwarr in ein simples System überführt. Fast alle Men schen fahren nun günstiger.

Auf unsere Initiative hin wurden auch 40 neue Messstellen in Stuttgart aufgestellt, mit denen die europarechtlichen Spiel räume auch besser genutzt wurden.

Heute erleben Sie mich doch recht gut gelaunt, weil gerade auch die von uns immer wieder vorgeschlagenen innovativen Maßnahmen positiv wirken. Wie sagte doch Cicero?: „Wie die Saat, so die Ernte.“ Und die Ernte geht jetzt auf. – Die Fil tersäulen, die an mehreren Hotspots sowohl Feinstaub als auch Stickoxide filtern; sie machen damit die Luft sauberer und leisten einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz.

(Beifall)

Herr Abg. Dörflinger, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Baron zu?

(Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe)

Unsere Linie war immer: Innovation statt Fahrverbote. Damit stehen wir für eine Mobilitätspolitik, die sich ausschließlich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Deshalb weh ren wir seitens der CDU uns auch weiterhin gegen jede Art von Verkehrspolitik, die bevormundet, die den Privatbesitz von Autos einschränken will und die einzelne Verkehrsträger gegeneinander ausspielt.

(Beifall)

Gerade jetzt, da viele Arbeitsplätze auch in der Automobilin dustrie nicht mehr gesichert sind, wären Fahrverbote ein völ lig falsches Signal.

(Beifall)

All denjenigen, die weiterhin Fahrverbote fordern, weil sie ih ren Kampf gegen das Automobil noch immer nicht aufgege ben haben, rufe ich zu: Sägt nicht weiter an dem Ast, auf dem sehr viele Baden-Württemberger sitzen.

(Beifall – Zurufe)

Gesundheitsschutz, Luftreinhaltung und Wirtschaft schließen einander nicht aus. Ja, es ist doch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dies zusammen möglich ist. Die vielen Hundert tausend Beschäftigten in der Automobilindustrie, aber auch in der Zulieferindustrie, können sich auf uns verlassen. Denn wir sehen in der Automobilindustrie einen Partner, damit die Luft besser wird. Arbeitsplätze sichert man sich immer mit In novationen und neuen Entwicklungen und nicht mit Verbo ten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir haben einen grundlegenden Ansatz in der Verkehrspoli tik: Nicht verbieten und beschränken, sondern anbieten und unterstützen. Auch damit wird die Luft besser, indem attrak tive Angebote gemacht wurden. Im SPNV wurden die Takte deutlich verdichtet, und neue barrierefreie Fahrzeuge sind un

terwegs. Allerdings sind wir in bestimmten Netzen mit der Qualität nicht zufrieden.

Zufrieden sind wir aber zumindest beim Thema Fahrgastent schädigung. Wir haben ja lange gefordert, dass das Land auch die Einnahmen aus den Strafzahlungen an die Verkehrsunter nehmen dafür verwendet.

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

Ich freue mich, dass das Verkehrsministerium nun eine gute Lösung hierzu gefunden hat.

(Beifall)

Um einen attraktiven Mobilitätsmix anbieten zu können, brau chen wir einen guten ÖPNV und damit auch gute Busverbin dungen. Jetzt haben wir im Doppelhaushalt die Mittel für die Busförderung nochmals deutlich erhöht. Doch welches Bus unternehmen denkt gerade an Investitionen, wenn der eigene Betrieb um das Überleben kämpft? Wenn wir weiterhin wol len, dass Busunternehmen – gerade auch im ländlichen Raum – im ÖPNV unterwegs sind, müssen wir der Branche helfen, schnell und unbürokratisch.

(Beifall – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE mel det sich.)

Ich bin noch nicht fertig, Kollege Katzenstein.

Daher werden wir das ÖPNV-Gesetz ändern, um die Gelder frühzeitiger auszahlen zu können. Gemeinsam mit dem Ver kehrsministerium und dem Koalitionspartner werden wir auch für nicht abgebuchte Eigenanteile von Abos im Schülerver kehr eine Lösung finden. 36 Millionen € sollen dann zeitnah über die Verbünde an die Busunternehmen ausgezahlt werden. Auch das ist ein sinnvoller Beitrag zur Luftreinhaltung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend: Das Thema Fahrverbote war in der Koalition nicht immer konfliktfrei. Deshalb habe ich auch mit großer Zustimmung die Aussagen des Ministerpräsidenten sowie des Umweltministers Unter steller vernommen. Beide hatte schon Ende März mitgeteilt, dass sie aufgrund des reduzierten Verkehrs und der Schad stoffreduzierung weitere beschränkende Maßnahmen für nicht notwendig erachten. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich Minister Untersteller aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 30. März 2020:

Ich gehe davon aus, dass sich in Stuttgart Fahrverbote wegen Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte damit erledigt haben.

Als Erstes habe ich gedacht, der Minister habe eine Presse mitteilung der CDU-Landtagsfraktion zitiert. Doch das war nicht der Fall. Daher schließen wir uns dieser Einschätzung vollumfänglich an. Wir tun sehr viel in der Krise, aber auch danach, um modernen Verkehr in unserem Land zu unterstüt zen. Dabei greifen wir auch ganz, ganz tief in unseren Werk zeugkasten. Weitere Fahrverbote für Stuttgart liegen aber nicht darin.

Vielen Dank.

(Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Selcuk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir unternehmen im Land tag momentan alles – häufig in einer breiten Allianz aller de mokratischen Kräfte dieses Hauses –, um Gefahren für die Gesundheit unserer Mitmenschen abzuwenden. Dafür nimmt jeder persönliche Einschränkungen in Kauf, steckt zurück, um andere nicht zu gefährden, und hilft Mitmenschen dort, wo es nötig und gefahrlos möglich ist.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind über zeugt, dass eine gute und solidarische Gemeinschaft nur dann funktionieren kann, wenn wir einander helfen und versuchen, Schaden von unseren Mitmenschen abzuwenden. Dieser Grund satz leitet uns beim Umgang mit der Coronakrise. Er gilt für uns genauso, wenn es um das Thema Fahrverbote geht.

Auch Fahrverbote greifen tief in die Gewohnheiten der Men schen ein. Die Verbote treffen mitnichten nur PS-starke Dreck schleudern. Häufig sind es Berufstätige mit geringem Einkom men: die Altenpflegerinnen, der Mitarbeiter der Betriebsdiens te, die Soloselbstständige, die sich aktuell in einer sehr schwie rigen Auftragslage befinden, die auf ein altes, aber verlässli ches Auto angewiesen sind. Die Fahrverbote treffen diese Menschen mit besonderer Härte. Denn für sie ist es nicht ein fach möglich, auf ein emissionsärmeres Fahrzeug umzustei gen.

(Zuruf)

Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir die Fahrverbote nicht einfach aufheben. Denn leider ergeben die Messwerte in unserer Landeshauptstadt Stuttgart – obwohl sie sinken – noch immer, dass die Menschen tagtäglich dreckige Luft einatmen und ihre Körper durch Schadstoffe schwer be lastet werden. Das ist ein Fakt, der sich gerade in Zeiten der Coronakrise nicht ignorieren lässt.

(Beifall)

In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine hochaktuelle Studie der Harvard Universität verweisen. Die Forscherinnen und Forscher verglichen die Luftqualität und die Covid-19-To desraten in über 3 000 verschiedenen Kreisen in den USA mit einander. Die Ergebnisse legen nahe, dass Menschen, die über Jahre schlechte Luft einatmen, häufiger schwer oder gar mit tödlichem Ausgang am neuen Coronavirus erkranken.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE zu Abg. Anton Baron AfD: Haben Sie das gehört, Herr Baron? – Ge genruf des Abg. Anton Baron AfD)

Demnach machen bereits kleine Differenzen in der Luftqua lität einen großen Unterschied.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Besiedlungsdichte! – Abg. Stefan Räpple AfD: Woher haben Sie denn die se Zahlen?)

Die Zahlen kann ich gern nachliefern. Wenn Sie an Fakten interessiert sind, dann unterstützen wir Sie immer.

(Beifall – Zurufe)

Was für den Feinstaub gilt, gilt in gleicher Weise für den ak tuell relevanten Ausstoß von Stickoxiden durch Dieselfahr zeuge. Dabei meinen ja einige hier, einer großen Sache auf der Spur zu sein, weil sie erfahren haben, dass die Stickoxid werte am Neckartor nicht im gleichen Maß zurückgegangen sind wie der durch den Lockdown reduzierte Autoverkehr. Diese Kritiker schlussfolgern daraus, dass Dieselfahrverbote gänzlich überflüssig sind. Ich möchte dazu klar sagen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sagen aus, dass neben dem motorisierten Verkehr ebenso Wind und Wetter einen entschei denden Einfluss auf die Messwerte haben.