Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020

Was Sie fördern – das haben Sie schon vor zehn Jahren ge nauso falsch gemacht –, sind asiatische, französische und ita lienische Autohersteller, aber nicht die baden-württembergi sche Automobilindustrie.

(Zuruf: Jawohl!)

Herr Stoch, Sie haben heute Morgen hier die Klippen natür lich wunderbar umschifft. Es ist schwierig, wenn man in ei ner Bundesregierung in der Koalition sitzt, hier aber in der Opposition. Aber Sie und Ihre Kollegen in Berlin haben durch die Verhinderung einer Kaufprämie für moderne und umwelt freundliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor unserem Land einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall)

Ihre Parteivorsitzende ist nicht nur verantwortlich für den dro henden Verlust von Vertrauen in unsere Polizeikräfte, sondern ebenso für eine zu befürchtende Massenarbeitslosigkeit in Ba den-Württemberg.

(Abg. Anton Baron AfD: Wegen der Kaufprämie! Ge nau!)

Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich Ihnen und den Re gierenden gern noch aufzeigen, was das Konjunkturpaket aus Sicht der Landkreise für die Kommunen in Baden-Württem berg tatsächlich bedeutet. Ich zitiere aus einem Schreiben ei nes Kreistags:

Aus Sicht der baden-württembergischen Städte ist zu nächst zu begrüßen, dass sich der Bund neben dem Land für einen Schutzschirm von insgesamt 57 Milliarden € ent

schieden hat. Allerdings erscheinen die Kriterien für die Verteilung der Mittel für die Kommunen in Baden-Würt temberg so nicht sachgerecht.

„So nicht sachgerecht“!

Zum einen benachteiligt die Schwerpunktsetzung auf die Übernahme kommunaler Liquiditätskredite, jedenfalls bei der derzeitigen Definition „Altschulden“ bzw. übermäßig hohen Liquiditätskreditschulden, die Städte und Gemein den in Baden-Württemberg zum wiederholten Male er heblich.

Ist das gut für Baden-Württemberg?

(Zuruf)

Das ist nicht gut für Baden-Württemberg.

Als „übermäßig“ würden nach dem derzeitigen Vorschlag des Bundesfinanzministers Liquiditätskredite gelten, die nicht für Investitionen oder Kommunalvermögen, sondern für laufende Zwecke aufgenommen worden sind und ei nen Sockelbetrag von 100 € pro Einwohner überschrei ten.

Solche Situationen gibt es in Baden-Württemberg derzeit nicht, da Kassenkredite in größerem Umfang von der Rechtsaufsicht nicht genehmigt werden. Dagegen haben zahlreiche Kommunen im Land aufgrund der in den ver gangenen Jahren getätigten hohen Investitionen ebenfalls einen hohen Schuldenstand zu verzeichnen.

Ist das Konjunkturpaket gut für Baden-Württemberg, Herr Reinhart?

(Zuruf)

Zum anderen greift die geplante Kompensation der Ge werbesteuerausfälle, die mit 11,8 Milliarden € gerade ein Viertel des Gesamtvolumens des Schutzschirms ausma chen, zu kurz.

So der Landkreis.

Neben der Gewerbesteuer gehen auch die sogenannten Gemeinschaftsteuereinnahmen des Landes, an denen Kom munen in Baden-Württemberg mit 23 % beteiligt sind, zu rück. Ein Ausgleich hierfür ist bislang nicht vorgesehen.

Ist das gut für Baden-Württemberg?

Offen bleibt weiterhin die Frage, ob eine mittelbare Be rücksichtigung beim Länderfinanzausgleich vorgesehen ist. Dies muss aus Sicht der baden-württembergischen Kommunen ausgeschlossen sein.

Nach dieser Einlassung des Landkreises frage ich Sie, Herr Reinhart: Ist dieses Konjunkturpaket gut für Baden-Württem berg? Ihre Parteivorsitzende auf Abruf sagt zu diesem Kon junkturpaket Folgendes – ich zitiere –:

Wir investieren in den Aufschwung und schaffen Optimis mus in allen Bereichen... Mit diesem Kraftpaket werden wir unserer großen Verantwortung für die Zukunftsfähig keit unseres Landes gerecht.

Wie realitätsfern und unwissend muss man sein, um einen sol chen Satz in die Öffentlichkeit zu bringen?

(Beifall)

Das Konjunkturpaket ist nicht gut, meine Damen und Herren.

Wir sagen Ihnen und unseren Bürgern gern, welche Maßnah men für Baden-Württemberg sicher hilfreich und gut gewe sen wären. Wir forderten bereits am 6. April die sofortige Auf hebung der Lockdown-Maßnahmen, um die schlimmsten Fol gen für unseren Standort zu verhindern. Ich möchte noch ein mal ins Gedächtnis rufen: Aktuell sind knapp zwei Millionen Menschen in Baden-Württemberg in Kurzarbeit, und die Ar beitslosenquote steigt permanent. Wir sind hier also wirklich in keinem Zustand, in dem wir irgendwelche positiven Nach richten verbreiten können und dürfen.

Eine dauerhafte Mehrwertsteuerabsenkung um sieben Pro zentpunkte forderten wir bereits in unserem Bundestagswahl programm 2016. Um die Kaufkraft der Bürger ohne bürokra tische Hürden spürbar zu erhöhen, fordern wir die deutliche Anhebung der Steuerfreigrenze, vor allem für Alleinstehende und Geringverdiener. Außerdem fordern wir die Abflachung der Steuerprogressionskurve, um die Kaufkraft der großen bürgerlichen Mitte in Baden-Württemberg, in unserem Land, wesentlich zu erhöhen.

(Beifall)

Wir fordern Investitionen in den Kernbereichen Bildung und Infrastruktur. Wir forderten bereits vor Wochen eine Haus haltssperre. Etwa vier Wochen nach der AfD kommen nun auch die SPD und die FDP/DVP dahinter, dass das sinnvoll sein könnte,

(Zurufe)

während die Regierungsfraktionen das Thema in den Herbst verschieben wollen. Ich sage Ihnen: Bis Herbst wird Ihre Li quidität nicht ausreichen.

Herr Reinhart, das alles zusammen wäre gut für Baden-Würt temberg. Das wäre aus der Sicht der AfD eine Glanzleistung – statt eines Stückwerks zulasten zukünftiger Generationen in unserem schönen Bundesland.

Danke schön.

(Beifall – Zuruf: Bravo!)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gefreut, Herr Kollege Reinhart, den Titel der von Ihrer Fraktion eingebrach ten Aktuellen Debatte zu lesen: „Das Konjunkturpaket für Deutschland – gut für Baden-Württemberg!“ Ich habe mir ge sagt: Es ist erfreulich, Kollege Reinhart hat in dieser Situati on wenigstens noch Galgenhumor.

(Heiterkeit – Beifall)

Jedenfalls teilt offensichtlich der Regierungschef Ihre Auffas sung nicht.

(Zuruf)

Wenn man sich die Regierungspressekonferenz und den me dialen Nachhall der vergangenen Woche angehört hat, dann weiß man, warum sich der Regierungschef die Aktuelle De batte am heutigen Tag nicht antut.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ministerpräsiden tenkonferenz!)

Er hat sich diese Debatte erspart, weil er offensichtlich völlig anderer Auffassung ist.

Herr Kollege Reinhart, Sie sprachen von einem Autopaket. Der Regierungschef sprach auch von einem Autopaket,

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

aber er hat sich ein anderes Autopaket vorgestellt, nämlich ein Autopaket, das nicht nur bei 2 % der Fahrzeuge in diesem Land ansetzt. Die Förderung der rein batterieelektrischen Mo bilität nutzt zu drei Vierteln Tesla oder irgendwelchen japani schen Autoles, aber nicht der Automobilwirtschaft des Lan des Baden-Württemberg. Herr Kretschmann hat völlig recht, wenn er sagt: Es ist notwendig, etwas für den Automobilstand ort Baden-Württemberg zu tun, beispielsweise indem man auch moderne, umweltfreundliche Diesel der Euronorm 6d fördert.

(Beifall)

Aber das wurde aus ideologischen Gründen verhindert. So wohl Sie, Herr Kollege Reinhart, als auch der Kollege Stoch haben versucht, dies schönzureden, gesundzubeten mithilfe der Mehrwertsteuer, indem man sagt: Es gibt ja jetzt eine tem poräre Mehrwertsteuerabsenkung mit der Gießkanne – die hilft dann Amazon und anderen, die ohnehin von der Krise profitieren –, die helfe dann auch der Automobilwirtschaft. Denn auch wenn man ein Auto kauft, hilft einem die Mehr wertsteuersenkung.