Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

Vielen Dank, Herr Abg. Fili us. – Wir warten noch, bis der Tisch gereinigt und desinfiziert wurde. In der Zwischenzeit gebe ich an die Vertreterinnen und Vertreter der Regierung insgesamt den Hinweis, dass die Ant worten möglichst kurzzufassen sind, damit mehr Abgeordne te die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen. Das gilt grund sätzlich für alle.

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Bauer.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Ich muss mich kurzfassen. Eigentlich müsste ich aber meine ganze Redezeit dafür verwenden, mich den Worten des Dankes von Herrn Abg. Filius anzuschließen; denn es ist wahr: Es ist Unglaubliches geleistet worden. Es war ein ech ter Kraftakt, und die Vorbereitungen haben sehr früh begon nen. Ende Februar ging es mit den Vorbereitungen schon los.

Danach kam die Aufforderung von Bundesminister Spahn und auch vom Landesgesundheitsminister, dass die Universitäts klinika verschiebbare Operationen aufschieben, Kapazitäten freihalten, Ausrüstungen anschaffen und Beatmungskapazitä ten und Betten freihalten.

Es sind enorme Anstrengungen unternommen worden, das Personal mitzunehmen, Freiwillige zu integrieren und in den Regionen koordinierende Aufgaben mit zu übernehmen, um ein konsistentes Vorgehen zu gewährleisten. All das ist geleis tet worden. Das war eine unglaubliche Leistung, und es war natürlich auch riskant. Dafür herzlichen Dank. Der Dank ist wohl begründet.

Wir haben die Gewährträgerschaft für unsere Universitätskli nika und haben schon sehr früh vernommen, dass sie aufgrund der Rahmenbedingungen und der veränderten Schwerpunkt setzungen wirtschaftlich unter Druck kommen, dass es Liqui ditätsprobleme gibt, weil Kapazitäten freigeräumt und freige halten und enorme zusätzliche Investitionen geleistet werden mussten. Wir wollten und mussten deshalb sicherstellen, dass unsere Universitätsklinika verlässlich arbeiten können. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, brauchen sie Liquiditäts hilfen und zusätzliche Ressourcen.

Wir waren besonders gefordert, dies in dieser Situation zu tun, weil der Bund die besondere Belastung und Beanspruchung der Universitätsklinika im Land im Krankenhausentlastungs gesetz nicht adäquat abgebildet hat. Das, was hier für die In tensivmedizin gegeben wurde, ist eben für alle gleichermaßen gegeben worden, sodass gerade diejenigen, die besonders komplizierte Fallstrukturen haben oder angesichts komplexer Krankheitsbilder lange Aufenthaltsdauern haben, in einer be sonderen Weise belastet waren.

Wir haben deswegen in Baden-Württemberg entschieden, fol gende Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen:

Wir haben erstens eine Hilfe für Investitionen gegeben. 71,6 Millionen € haben wir den Universitätsklinika gewährt, damit sie entsprechende Geräte anschaffen können, beispielsweise Beatmungsgeräte, Analysegeräte usw.

Wir haben zweitens Liquiditätshilfen von bis zu 528 Millio nen € genehmigt, weil eben nicht klar war, ab wann die Situ ation auch wirtschaftlich zu echten Engpässen führt. Wir woll ten da Verlässlichkeit hineinbringen. Diese Liquiditätshilfe ist nur den Universitätsklinika in Landeshand, also den Einrich tungen, bei denen wir die Gewährträgerschaft haben, gewährt worden. Es gab ja in Mannheim eine Debatte, warum das dor tige Klinikum da nicht inkludiert ist. Es handelt sich um ein städtisches Klinikum, das deswegen von dieser Schutzmaß nahme auch gesetzlich nicht betroffen ist.

Diese Liquiditätshilfe wird im Moment in den ersten Maßnah men in Anspruch genommen. Am Ende wird sich zeigen, in welcher Weise in diesem Jahr die Erlöse tatsächlich eingebro chen sind. Man wird sozusagen am Ende der Abrechnung 2020/2021 sehen, wie viel von dieser Liquiditätshilfe, die zur Verfügung gestellt wurde, tatsächlich in einen Zuschuss um gewidmet werden muss. Das hängt natürlich auch vom wei teren Infektionsgeschehen ab.

Und es gibt eine dritte Komponente: Das ist die Komponen te der Unterstützung der auf Covid-19 bezogenen Forschung.

Wir haben inzwischen noch einmal 17 Millionen € zusätzlich gewährt. Neben dem, was in diesem Bereich auch aus Dritt mitteln und aus der Bundes- oder der EU-Förderung sowieso geleistet wird, haben wir noch einmal 17 Millionen € zusätz lich gewährt – für verschiedene Komponenten der Universi tätsmedizin –, um schnell agieren zu können, innovative Pro jekte anstoßen zu können, die auch für die Zusammenarbeit bestimmt sind. Eine dieser Maßnahmen ist Ihnen wohlbe kannt: Das ist die Kinderstudie, die daraus finanziert wurde. Aber auch ähnliche Maßnahmen sind mit angestoßen worden, eigens aus Landesmitteln, um die auf Covid-19 bezogene For schung schnell voranzubringen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Das war ja vorbildlich in der Zeit.

Nun habe ich weitere Wortmeldungen: zunächst Frau Abg. Rolland, danach Herr Abg. Stein.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, ich hätte zwei Nachfragen. Die eine betrifft die Finanzierung. Sie haben die Liquiditätsmittel in Höhe von 528 Millionen € genannt. Könnten Sie uns sagen, woher die aus dem Haushalt kommen? Sind die in der Nothilfe mit in begriffen, die wir am 19. März verabschiedet haben?

Und bleibt das Geld bei den Uniklinika? Oder müssen die das irgendwann zurückzahlen bzw. wird das irgendwann verrech net? Also: Ist das wirklich zusätzliches Geld, das die Unikli nika bekommen haben?

Meine zweite Frage geht in Richtung Pandemiepläne der Uni versitätsklinika. Können Sie uns darüber Auskunft geben, ob diese Pandemiepläne im Vorfeld der Coronakrise an allen vier Universitätsklinika vorlagen, oder ist das auch nach dem Prin zip „Learning by Doing“ gelaufen?

Sie haben das Wort, Frau Mi nisterin.

Zum Thema Liquiditätshilfe: Die 528 Millio nen € sind in der Tat ebenso wie die zusätzlichen Mittel für Investitionen und für auf Covid-19 bezogene Forschung dem Nothilfebudget entnommen.

Die Liquiditätshilfe – ich habe es eben angedeutet – wurde nicht einfach überwiesen. Bei den Investitionen ist das der Fall, und bei der Forschung wird es auch so sein: Das sind zu sätzliche Mittel, die konkret und sehr schnell abfließen und zum Teil auch schon abgeflossen sind. Bei der Liquiditätshil fe kann man im Zweimonatsrhythmus da, wo ein Liquiditäts problem ist, abrufen.

Da hat jetzt zunächst einmal das Krankenhausentlastungsge setz des Bundes ein bisschen Aufschub gebracht, weil die Fris ten verkürzt wurden, in denen die Krankenkassen Kosten er statten. Das hat die allerschlimmste Not, die für den Zeitraum Ende April bis Mai schon befürchtet worden war, erst einmal gelindert. Jetzt bekommen wir sukzessive die finanziellen Pro bleme eher zu spüren.

Es ist also nicht so, dass es überwiesen und irgendwann zu rückgezahlt wird, sondern diese Ressourcen stehen zur Ver

fügung und können abgerufen werden. Abgerechnet wird dann, wenn die Abrechnungen der Jahre 2020 und 2021 da sind. Dann wird entschieden: Bleibt das Geld – das man wo möglich abgerufen hat, weil man in einer Notlage war – als Zuschuss erhalten, oder war das eben nicht nötig, und das Geld kann zurückgezahlt werden? Wir haben aber keine Dar lehenskomponente mit drin.

Zu den Pandemieplänen bin ich jetzt aus dem Stand überfragt. Ich glaube, grundsätzlich gibt es Pandemiepläne; ich vermu te aber stark, dass diese präzisiert und weiterentwickelt wur den. Aber das liegt mir jetzt nicht vor. Falls Sie sich dafür in teressieren, können wir da noch einmal etwas nachliefern.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Sehr gern, ja!)

Danke schön. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Stein.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, Sie sprachen gerade eben die Beatmungsgeräte an. Meine Frage: Wissen Sie, wie viele Beatmungsgeräte bestellt wurden und ob diese bereits ausgeliefert wurden und einsatz fähig sind?

Danke schön.

Beatmungsgeräte sind ja nicht nur für Uniklini ka nötig gewesen, sondern auch für andere Krankenhäuser. Sie sind zum Teil da, zum anderen Teil wurden sie aus ande ren Stationen umorganisiert. Sie wurden zum Teil reaktiviert; sie waren etwa in der Lehre eingesetzt und mussten dann auf einmal auf den Stationen eingesetzt werden.

Ich glaube, es sind noch nicht alle da. Es gab auch Liefereng pässe. Der Gesundheitsminister wird hierzu wahrscheinlich sehr viel Genaueres sagen können. Der Prozess ist nicht ab geschlossen. Wir befinden uns ja nach wie vor in dem Pro zess, dass wir auch dauerhaft Intensivbetten und Beatmungs kapazitäten vorhalten wollen und dass wir für den Fall, dass sich das Infektionsgeschehen noch einmal dramatischer wei terentwickelt, gut vorbereitet sein wollen.

Vielen Dank. – Herr Abg. Fi lius, bitte.

Frau Ministerin, ich habe noch eine weitere Nachfrage. Es geht dabei um die Aufnahme von elsässischen Patienten. Hat dies Auswirkungen gehabt?

Eine weitere Nachfrage: Kann man in Bezug auf die vier Standorte sagen, wo möglicherweise ein besonderer Druck entstanden ist, was die Belegungssituation angeht, was aber vielleicht auch die finanzielle Situation betrifft? Oder ist das jetzt bei allen Universitätsklinika auf dem gleichen Level?

Vielen Dank für diese Fragen in Bezug auf das Elsass. – Ich vermute, Sie erinnern sich: Es war die Situation, dass wir diese grässlichen Szenen und Bilder vor Augen ge führt bekommen haben und sahen, in welche Lage unser fran zösischer Nachbar geraten ist. Dort ist das Gesundheitssys tem tatsächlich an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen, und man wusste nicht, wohin mit den Patienten.

Frankreich hat uns um Hilfe gebeten, und wir waren in der Si tuation, dass wir wussten: Die Welle rollt an. Die Frage war also: Wie viele „komplizierte“ Patienten, die womöglich an Beatmungsgeräte angeschlossen werden müssen, können wir eigentlich verantworten? Wie viele können wir aufnehmen? Das war schwierig.

Ich habe mich sehr gefreut, dass die Universitätsklinika auf diesen Hilferuf, der aus Frankreich kam, mit einer großen Handlungsbereitschaft reagiert haben, dass aber auch andere Krankenhäuser im Land dem entsprochen haben und gesagt haben: Wir nehmen auf, wir helfen.

Ich glaube, es waren 29 Patienten aus dem Elsass, die in die ser Zeit bei uns aufgenommen wurden. Wir sind ja zum Glück nie an die Kapazitätsgrenzen gestoßen, sodass wir nie in die unangenehme Lage gekommen sind, sagen zu müssen, wer bei uns behandelt werden darf und wer nicht.

Diese 29 Patienten waren ein starkes Signal der Verbunden heit und der Freundschaft. Was soll Europa sein und was soll deutsch-französische Freundschaft sein, wenn man Freunden in einer solchen Situation nicht auch hilft? Die Dankbarkeit war enorm. Ich habe mich in der letzten Woche mit Präsiden tin Klinkert in Freiburg getroffen. Es war sehr beeindruckend, wie sich das auch im Elsass im Bewusstsein verankert hat, dass wir geholfen haben.

Da können wir unseren Universitätsklinika und Krankenhäu sern auch wirklich sehr dankbar sein, dass sie gesagt haben: „Wir scheuen da keine Mühe. Wir machen das.“ Ich bin mir sicher, am Ende war es das Verhalten hier in Baden-Württem berg, die Entschlossenheit, in dieser Situation zu helfen, das ausgelöst hat, dass sich danach Rheinland-Pfalz, das Saarland, Bayern, Niedersachsen, Sachsen – also ein Bundesland nach dem anderen – bereit erklärt haben, zu helfen und Patienten aus dem Elsass und dann auch aus Italien aufzunehmen. Ich glaube, da hat man ein Stück Europa im besten Sinn erleben dürfen. Ich bin wirklich stolz, dass wir das hinbekommen ha ben, und ich bin stolz darauf, wie solidarisch die Bevölkerung das mitgetragen hat und gesagt hat: Ja, das ist das richtige Zei chen.

Ich glaube, auf diesem Grund und auf diesem Boden lässt sich eine europäische Zusammenarbeit und Kooperation wunder bar anknüpfen. Wir sind mit den Freunden aus dem Elsass und Frankreich auch schon darüber im Gespräch, welche weiteren Kooperationen wir im Gesundheitsbereich machen werden.

Zum Zweiten, Herr Kollege Filius, fragten Sie nach den Be troffenheiten der Standorte. Wir können noch nicht abschlie ßend darauf schauen, aber es gibt in der Tat besondere Betrof fenheiten. Mindestens zwei Standorte springen ins Auge.

In Freiburg haben wir die Problematik, dass das Herzzentrum Bad Krozingen – eigentlich eine sehr gut gehende Klinik – auch aufgrund der Coronastrategie, Kapazitäten freizuhalten, in ein massives Liquiditätsproblem gekommen ist. Da war die Situation dramatisch. Es wurde uns auch von dem Träger, der das Herzzentrum noch zu 50 % getragen hat, gesagt: Wir kön nen finanziell da nicht reingehen.

Daher haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass das Bad Krozinger Herzzentrum jetzt in das Uniklinikum Frei

burg integriert wird, das vorher zur Hälfte beteiligt war. Die se Integration ist im Grundsatz beschlossen, wird im Laufe dieses Jahres komplett umgesetzt und ist von allen Beteilig ten angesichts der dramatischen Lage auch für die beste Lö sung – sie war letztlich auch alternativlos – gehalten worden. Mit dem Bad Krozinger Herzzentrum übernehmen wir also demnächst eine zusätzliche Klinik in die Gewährträgerschaft des Landes.

Der zweite Standort, der in besonderer Weise problematisch ist und unter Druck geraten ist, ist der Standort Mannheim. Wir haben da eine Universitätsmedizin, eine Medizinische Fa kultät. Die Universität Heidelberg hat ja zwei Medizinische Fakultäten: eine in Heidelberg und eine in Mannheim. Die in Mannheim befindet sich am Städtischen Klinikum Mannheim. Auch dort hat sich coronabedingt eine wirtschaftliche Krise, die schon älteren Datums ist, noch einmal deutlich verschlim mert. Das Mannheimer Klinikum ist seit 2014 regelmäßig in den roten Zahlen. Noch vor Corona, im Jahr 2019, wies der Jahresabschluss ein mit 40 Millionen € negatives Ergebnis aus. In Mannheim gibt es auch ein relevantes Investitionspro blem. Lange Zeit ist nicht genügend investiert worden, sodass wir da einen relevanten Investitionsstau haben.

Zu diesen Problemen kamen coronabedingt weitere Einnah meeinbrüche und Liquiditätsprobleme hinzu, die in diesem Jahr auf etwa weitere 70 Millionen € geschätzt werden. Es er reichen uns Brandbriefe und Meldungen vom Oberbürger meister, von der Fakultät und vom Klinikum selbst, die besa gen: „Das geht so nicht weiter. Wir schaffen das aus eigener Kraft nicht mehr.“ Die Universitätsmedizin selbst hat sich am Standort, finde ich, herausragend entwickelt. Was Forschung und Qualität in der Lehre angeht, was eigene Stärken am Standort angeht, hat sie sich toll entwickelt. Man kann aber nicht übersehen, dass es dort massive wirtschaftliche Proble me gibt. Und dass die Stadt Mannheim sagt: „Wir überheben uns dabei“, ist zumindest hoch plausibel.

Wir sind miteinander im Gespräch, was wir zur Lösung bei tragen können. Wir haben einen Prozess aufgesetzt, verschie dene Fragen zu durchleuchten, zu durchdringen. Der Ober bürgermeister hat gesagt, er sei bereit, über alles zu reden, es gebe keine Denkverbote. Auch Fragen der Trägerschaft möch te er mit adressiert haben.

Wir werden jetzt mit den regionalen Akteuren und Verantwort lichen reden; aber auch ein internationales Expertenteam ist mit am Start. Sie sollen den Blick auf die Regionen werfen. Dabei geht es eben nicht nur um Nothilfe, sondern wir wol len wissen, was wir in der Region an Potenzialen heben kön nen und müssen, weil die Rhein-Neckar-Region eigentlich mit einer Spitzenmedizin und mit einem einzigartigen Umfeld an Forschungseinrichtungen ausgestattet ist, sodass sie das Zeug hätte, auch international einer der wirklichen Hotspots in Sa chen Lebenswissenschaften zu sein.

Wir haben nicht viel Zeit, weil die Situation in Mannheim drängt. Ich möchte das hier auch nicht beschönigen. Aber es geht jetzt nicht um die Frage, einem ansonsten herausragend aufgestellten Klinikum wirtschaftlich einfach mal kurz unter die Arme zu greifen, und das Problem ist erledigt. Wir haben es hier mit einer Problematik zu tun, bei der die wirtschaftli chen Daten in der Tat brisant sind. Das sind sie nicht erst seit Kurzem, sondern Corona hatte nur eine beschleunigende Wir

kung. Wir haben es aber auf der anderen Seite mit einem wirk lich starken Standort zu tun, sodass wir schauen müssen, dass wir eine Lösung erarbeiten, die für den Standort hilfreich ist, die aber vielleicht auch im Landesinteresse mit dafür sorgt, dass wir in eine gute, optimale Zukunft gehen können.