Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

(Zurufe)

Wir fordern, dass jede Schule im Land bis Ende 2022 mit ei ner 1-GB-Leitung und ausreichender WLAN-Ausleuchtung ausgestattet wird. Dazu sollen sie zusammen mit den Kom munen bis Ende dieses Jahres einen abgestimmten Ausbau plan vorlegen. Im Rahmen von Überlegungen zu Konjunktur paketen – auch weiteren des Landes – steht für uns übrigens die Sanierung von Schulen nach dem Abflauen der Pandemie absolut an der Spitze.

Des Weiteren müssen unverzüglich schulartspezifische Stan dards für eine digitale Grundausstattung definiert werden. Die Realisierung dieser Basics sollte dann auch unabhängig von weiterzuentwickelnden Medienentwicklungsplänen erfolgen, damit wir endlich die Mittel des Digitalpakts ohne Verzöge rung zugänglich machen. Die Mittel müssen schneller fließen. Sie sind auch hier zu langsam, Frau Ministerin.

Zur Wahrheit gehört leider auch, dass wir ohne die meines Er achtens völlig unnötige Grundsatzdebatte, die Ministerpräsi dent Kretschmann aufgemacht hat, in diesem Land wie auch in ganz Deutschland schon viel weiter wären. Das allein hat uns beim Ausbau der Digitalisierung um ein weiteres Jahr zu rückgeworfen.

Nein, grün-schwarze Digitalisierungspolitik erinnert hier in diesem Land in Sachen Bildung eher an ISDN als an Glasfa ser. Nehmen Sie endlich Fahrt auf!

(Beifall)

Herr Abg. Dr. Fulst-Blei, las sen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schütte zu? Er sitzt oben auf der Zuhörertribüne.

Mir läuft ein bisschen die Zeit weg. Vielleicht am Ende.

Die Schulen brauchen bis September eine weitere deutliche Kapazitätserhöhung von Servern, z. B. bei Moodle – BigBlue Button übrigens, Herr Kollege Röhm. Die datenschutzkonfor me Nutzungsmöglichkeit von Microsoft Teams und anderen Anwendungen, aber auch von Messengerdiensten gilt nicht nur für Lehrer, sondern auch für Schülerinnen und Schüler so wie Eltern, damit der Kontakt eben nicht nur im Kollegium datenschutzkonform laufen kann.

Wir brauchen eine Fortbildungsoffensive bei Lehrkräften in Sachen „Lernen auf Distanz mit digitalen Hilfsmitteln“. Ich habe von Ihnen übrigens noch gar nichts dazu gehört: Warum nicht gerade jetzt die Lehrkräfte, die zur Risikogruppe gehö ren, ganz gezielt schulen, die Zeit jetzt nutzen, um Qualifika tionen in diesem Bereich aufzubauen?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Schulen nut zen das sehr gut!)

Wir brauchen ferner endlich Laptops und gegebenenfalls – im weiteren Pandemiefall – auch Diensthandys für alle Lehrkräf te. Keiner von Ihnen hier in diesem Raum nutzt für seine Ar beit als Landtagsabgeordneter private Geräte oder eine priva te Telefonnummer.

(Zurufe, u. a.: Doch! – Das tun wir! – Lebhafte Un ruhe)

Warum verlangen Sie das von Lehrkräften?

(Zurufe, u. a. des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU – Unruhe)

Ihr macht das. Okay. Also, wir stellen für das Protokoll fest:

(Unruhe)

Kollege Reinhart hat das vom Landtag zur Verfügung gestell te Digitalisierungsbudget nicht ausgeschöpft. – Ich werde Sie beim Wort nehmen.

(Zurufe – Unruhe)

Aber wenn das nicht der Fall ist – und ich glaube Ihnen das nicht, Kollege Reinhart, bei aller Wertschätzung –, warum ver langen Sie das von Lehrkräften? Verabschieden wir uns end lich von der Alltagslüge, Lehrkräfte könnten ja in der Schule den PC benutzen. Nein, sie brauchen Geräte, die sie im Pan demiefall auch zu Hause nutzen können, um dort die Kom munikation mit den Schülern deutlich zu verbessern. Statten Sie die Kollegen endlich anständig aus!

(Beifall)

Zum Schluss dann doch noch zur AfD: Sie bleiben sich treu. Immerhin: Man kann nicht enttäuscht werden. Ich hatte nicht erwartet und auch gar nicht damit gerechnet, von Ihnen heu te Vorschläge zu hören, wie wir das vorhandene Dilemma lö sen wollen. Dass es kein Selbstläufer wird, zeigt auch die nun in Teningen gerade angewiesene Quarantäne einer Schulklas se. Antworten von Populisten wie Ihnen sehen wir in den USA, in Brasilien und in England.

(Zuruf: So ist es!)

Ihr Politikansatz hat ganze Gesellschaften gesundheitlich an die Wand gefahren.

(Zurufe von der AfD – Unruhe)

Ich bin froh, dass dieses Land über viele verantwortungsvol le Menschen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verfügt, die einen guten Job machen. Ihr Politikmodell hingegen er klärt gerade global den Bankrott. Wir brauchen keinen Popu lismus, wir brauchen keine „Trump-Speech“ von Herrn Bal zer;

(Zurufe)

wir brauchen verantwortungsvolle und kreative Ideen sowie eine Kommunikation, die Menschen nicht spaltet, sondern sie verbindet und mitnimmt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall – Zurufe)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Wiedereröffnung unserer Schu len nach mehr als 14 Wochen ist alles andere als eine einfa che Aufgabe. Es gilt, das Recht der Kinder und die Erforder nisse des Gesundheitsschutzes gegeneinander abzuwägen und in einer komplexen Situation möglichst klare und tragfähige Entscheidungen zu treffen.

In einer solchen Situation verbietet sich für uns Freie Demo kraten jegliches Schwarz-Weiß-Denken. Vielmehr ist von der Regierung und der Opposition zu erwarten, dass ihre Vorschlä ge dieser Komplexität Rechnung tragen und für unterschied liche Szenarien – das heißt Pandemieverläufe – taugen.

Wir Freien Demokraten erwarten von der Kultusministerin, dass sie die Schulen so schnell wieder öffnet, wie es der In fektionsschutz zulässt. Wir erwarten aber auch, dass die Kul tusministerin ein Konzept für den Fall eines erneuten Aus bruchs der Infektion in der Schublade hat. Denn es sollten dann nicht nur einfach lokal Schulen geschlossen werden, son dern der Unterricht muss mit möglichst geringen Einschrän kungen fortgesetzt werden können. Das muss doch der An spruch sein, für den sich die Kultusministerin auch entspre chend engagieren sollte, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Dass aufgrund der bisherigen Ergebnisse der Studie der vier Unikliniken zum Infektionsgeschehen bei Kindern nun die Kindertagesbetreuung und die Grundschulen wieder vollstän dig geöffnet werden, haben wir Freien Demokraten ausdrück lich unterstützt.

(Zuruf: Sehr gut!)

Nach den Sommerferien müssen dann alle Schulen wieder vollständig geöffnet werden – zumindest dort, wo es die In fektionszahlen zulassen.

Wichtig sind Verlässlichkeit und Planbarkeit. Denn was nützt es den am Schulleben Beteiligten, wenn ihnen zwar eine Öff nung in Aussicht gestellt wird, sie aber mangels rechtzeitig erlassener Durchführungsbestimmungen keinen guten Neu start planen können? Die überaus mangelbehafteten Erfahrun gen der Wochenend-Notverordnungen bei der Kitaöffnung dürfen sich bei den Schulöffnungen nicht wiederholen, Frau Kultusministerin.

(Beifall)

Alles andere als hilfreich waren auch die Äußerungen des grü nen Ministerpräsidenten über die „unrealistische“ Rückkehr der Schulen zum Regelbetrieb. Liebe Kolleginnen und Kol legen, es verstehe wer will, warum ein ehemaliger Pädagoge dem Recht der Kinder auf Bildung einen derart geringen Stel lenwert beimisst. Nach Auffassung der FDP/DVP-Fraktion muss das Recht der Kinder auf Bildung neben dem Gesund heitsschutz oberste Priorität im Handeln der grün-schwarzen Landesregierung haben. Statt die am Schulleben Beteiligten zu demotivieren, sollte der baden-württembergische Minister präsident besser gemeinsam mit der Kultusministerin hart da ran arbeiten, unsere Schulen krisenfest zu machen.

Hierfür ist es notwendig, dass die Regierung an einem Strang zieht – und möglichst auch noch in die gleiche Richtung. Dies zeigt sich weniger in nach einem Zank herausgegebenen Pres semitteilungen zur – vermeintlichen – Einigkeit als vielmehr in konkretem Handeln. Stattdessen konnten sich Grüne und CDU auch gestern nicht auf eine gemeinsame Strategie bei den Coronatests für das Personal im Bildungsbereich einigen.

Auch heute fordern wir Freien Demokraten von der grünschwarzen Landesregierung nichts, wofür wir selbst keine

konkreten Vorschläge auf den Tisch legen. Deshalb: BadenWürttemberg braucht erstens eine Öffnung zur Gewinnung von Lehrkräften, eine Offensive zur Gewinnung von Lehrkräf ten, damit die Personalengpässe überbrückt werden. Diejeni gen Lehrkräfte, die coronabedingt vom Präsenzunterricht be freit sind, müssen neben dem Fernunterricht auch in anderen Bereichen als ihren Unterrichtsfächern eingesetzt werden kön nen, beispielsweise als Ansprechpartner für bestimmte Fach bereiche.

Ein Konzept für den Personaleinsatz bleibt die Kultusminis terin aber trotz Ankündigung und Aufforderung bis heute schuldig. Denkbar wäre auch, dass Lehramtsstudierende, frisch Examinierte und Referendare im Rahmen ihrer Verfüg barkeit mit einbezogen werden. Schließlich weist der Philo logenverband zu Recht auf die zahlreichen Gymnasiallehrer hin, die keine Stelle erhalten und daher befristet angestellt werden können. Gleichzeitig werden zahlreiche Stellen in an deren Schularten auch im kommenden Schuljahr unbesetzt bleiben und finanzielle Mittel somit vorhanden sein.

Baden-Württemberg braucht zweitens eine Unterstützung der Kommunen bei der Suche nach zusätzlichen geeigneten Räu men für das Unterrichten und Lernen. Leer stehende Stadthal len sind nur ein Beispiel hierfür. Unsere Aufforderung an die Kultusministerin, wegen der Räume auf die Kommunen zu zugehen, stieß aber leider auf taube Ohren. Aber vermutlich gilt auch für diese Landesregierung: Zuhören heißt nicht er hören, selbst wenn die Vorschläge richtig sind.

(Beifall)

Baden-Württemberg braucht drittens einen Kraftakt zum Auf holen von Defiziten und Versäumnissen bei der Digitalisie rung der Schulen. Das ist eine gesamtstaatliche Daueraufga be, für die wir einen Digitalpakt 2.0 zwischen Bund, Ländern und Kommunen brauchen. Dazu müssten der Ministerpräsi dent und die Kultusministerin aber über ihren eigenen Schat ten springen und dürften eine Kooperation mit dem Bund nicht weiter scheuen. Die Schulen müssen schleunigst in die Lage versetzt werden, Lehrer und Schüler mit Hard- und Software für den digitalen Unterricht auszustatten. Dafür brauchen sie eine Positivliste mit datenschutz- und datensicherheitskonfor men Anwendungen.

Frau Kultusministerin, in diesem Zusammenhang könnten Sie vielleicht heute meine Fragen bezüglich der Nachfolgeplatt form von „ella“ konkret beantworten: Ist die Ausschreibung für eine Nachfolgeplattform bereits beendet? Gibt es schon eine Entscheidung, welcher Anbieter das Kultusministerium überzeugt hat? Wenn ja, wie sieht Ihr konkreter Zeitplan für dieses Jahr aus? Die FDP/DVP-Fraktion ist sehr gespannt, ob Sie, Frau Kultusministerin, heute im Unterschied zur vergan genen Bildungsausschusssitzung bereit sind, diese für die Schulen wichtigen Fragen zu beantworten.

Schließlich bedarf es einer couragierten Offensive für eine Lehrerfortbildung für digitale Bildung. In diesem Zusammen hang sollte nach unserer Auffassung über eine Fortbildungs pflicht diskutiert werden, vor allem deshalb, damit das Land verpflichtet wird, für Fortbildungsangebote im notwendigen Umfang zu sorgen.

(Zuruf)