Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Ich glaube, das ist das Entscheidende für die Zukunft, wenn eine solche Situation wieder auftritt: Es muss uns gelingen – – Da hilft alles nichts; da hilft ein funktionierendes Google nicht, da hilft auch das additiv hinzukommende neue System nicht, das datenschutzkonforme BBB-Programm. In manchen Familien hilft da auch nicht, dass das mobile Endgerät zur Verfügung steht. Die 130 Millionen € sind hier gut angelegt. Gleichwohl werden Kinder übrig bleiben, die eine Notbetreu ung in der Schule erhalten müssen, damit sie keinen Nachteil erleiden. Dafür setzt sich die CDU-Fraktion ein.

(Beifall)

Unser besonderes Augenmerk richtet sich auf die Schüler, die im kommenden Jahr ihre Prüfungen absolvieren müssen. Die jenigen, die in diesem Jahr Prüfung gemacht haben, waren meines Erachtens nicht benachteiligt. Mein Abitur wäre nicht ganz so spannend verlaufen, wenn ich in diesem Jahr Abitur gemacht hätte. Ich muss das in aller Klarheit sagen. Es war

ausreichend Zeit zur Prüfungsvorbereitung. Es ging lediglich um die drei Wochen vor den Osterferien. Normalerweise hät ten nach den Osterferien die Prüfungen begonnen. Es bestand also ausreichend Zeit, sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Bei der Art und Weise, wie die Anordnung seitens des Minis teriums, dass ein pädagogischer Freiraum bei der Beurteilung besteht – das betrifft das Korrekturverfahren und alles, was dazugehört –, umgesetzt wurde, glaube ich nicht, dass irgend ein Schüler in diesem Schuljahr unter diesen Bedingungen der Prüfungsjahrgänge gelitten hat.

Aber unser besonderes Augenmerk muss denjenigen gelten, die im kommenden Jahr Prüfung machen. Wir haben richtig gehandelt, dass wir die betreffenden Schülerinnen und Schü ler sofort zusammen mit den Abschlussjahrgängen wieder in die Schule einberufen haben. Im kommenden Schuljahr müs sen wir sicherstellen, dass sie gut vorbereitet in die Prüfung gehen.

Herr Abg. Röhm, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Balzer zu?

Ja, ich lasse sie zu.

Das ist aber sehr nett. Ich be danke mich für das Zulassen meiner Zwischenfrage.

Es ist wunderbar, dass sich die Lehrkräfte in dieser Krisenzeit in ganz großem Maß positiv engagiert haben. Es ging in mei ner Rede doch primär um die Analyse des Regierungshandelns und nicht um die Analyse des Lehrerhandelns. Sollte Ihnen das beim Zuhören entgangen sein? Das ist kaum denkbar, oder?

Nein, da haben Sie völlig recht: Das ist kaum denkbar.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall – Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Ja, eben!)

Ich filibustere nicht, sondern ich rede über die Fakten,

(Vereinzelt Heiterkeit)

über das, was sich zugetragen hat, und darüber, wie wir uns die Zukunft vorstellen.

(Beifall – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut!)

Ich komme zu dem Jahrgang zurück, der uns besonders am Herzen liegt. Da sind die Schulen gefordert, tätig zu werden, und sie haben jede erdenkliche Freiheit. Wir können darüber nachdenken, ob die Prüfungen wie in diesem Jahr zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden sollen, damit mehr Lernzeit bleibt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch daran erin nern, dass immer noch an jedem zweiten Samstag, wenn die am Schulleben Beteiligten dies wollen, Schulunterricht statt finden kann. Diese Lösung fände ich persönlich besser, als den Wochenplan noch mehr aufzublähen und mehr Stunden reinzupacken.

(Vereinzelt Beifall)

Es stehen Ferienzeiten zur Verfügung. Das heißt eben nicht, dass alle Lehrer präsent sein müssen. Vielmehr haben wir Schülermentoren – ein entsprechendes Programm haben wir schon vor vielen Jahren auf den Weg gebracht. Wir haben dies jetzt ergänzt, und die Realschulen haben – durch unterstützen de Mittel der CDU-Fraktion – ebenfalls die Möglichkeit, in diesem Bereich tätig zu werden.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ja!)

Ich möchte ein Beispiel nennen, wie wir Schülern generell helfen können. Um Schülerinnen und Schülern, die in ein oder zwei Fächern Defizite haben, in der Schule zusätzliche Ange bote zu machen, wäre es z. B. denkbar, ihnen innerhalb von zwei Jahren in diesen Fächern ein weiteres Schuljahr zu ge währen. Beispiel: drei Mal 20 Unterrichtseinheiten in Ferien zeiten durch Schülermentoren, wobei der Unterricht natürlich in Begleitung durch einen Lehrer stattfindet, und dies zwei Jahre lang. Dann käme ein Schüler innerhalb von zwei Jah ren auf über 100 zusätzliche Unterrichtsstunden. Das ist, glau be ich, etwas, was man leisten kann und wovon jeder Schüler profitieren kann.

Nun zu der wichtigen Frage: Wie geht es im neuen Schuljahr weiter? Es ist selbstverständlich, dass es im neuen Schuljahr zunächst einmal einen Plan A gibt – also Regelbetrieb. Zwei tens gibt es einen Plan B, den jede Schule für sich selbst auf stellen muss. Das heißt, es muss klar sein: Was passiert, wenn Plan A nicht weiter aufrechterhalten werden kann?

Bei Plan B ist nach Ansicht meiner Fraktion sicherzustellen, dass in den prüfungsrelevanten Fächern unterrichtet wird – temporär unter Hintanstellung anderer Fächer; es darf kein Fach benachteiligt werden. Aber ich glaube nicht, dass irgend ein Schüler darunter leidet, wenn ein bestimmtes Fach einmal sechs bis acht Wochen lang nicht unterrichtet wird. Und die Lehrer, die dieses Fach unterrichten würden, stehen selbstver ständlich für Betreuungsmaßnahmen, für Fernunterricht und vieles andere mehr zur Verfügung.

Fazit, meine Damen und Herren: Wenn es jemals eine verlo rene Schülergeneration gegeben hat, dann war es die Kriegs- und die Nachkriegsgeneration.

(Zurufe: So ist es!)

Und mit dem, was in der Folge durch Fleiß und Entbehrung geleistet wurde, haben wir ein gutes Beispiel, wie das Ganze auch funktionieren kann.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei das Wort.

Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Ich muss sagen, beruhigter komme ich aus dieser Debatte nicht heraus. Das liegt nicht an der rechten Sei te hier, es liegt daran, dass das, was ich bislang von dem Ver treter und der Vertreterin der Regierungskoalition gehört ha be, nicht besonders konkret ist. Das Konkreteste, was Sie, Herr Kollege Röhm, ausgeführt haben, war die Aussage, die CDU fordere Samstagsunterricht für Schülerinnen und Schü ler.

Als Vater von zwei G-8-geschädigten Kindern muss ich Sie ganz eindeutig fragen: Wie wollen Sie das denn noch unter bringen? Meine Jungs haben damals, zu G-8-Zeiten, hart ar beiten müssen. Sie haben vor allem am Samstag und am Sonn tag das nacharbeiten müssen, was an schulischem Druck auf gebaut wurde. Wir haben jetzt eine Situation, in der der schu lische Druck in Zukunft noch zunehmen wird. Da wollen Sie als einzige konkrete Maßnahme auch noch den Samstag strei chen?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Für Einzelne ist es eine Entlastung!)

Herr Röhm, das ist keine Entlastung. Das ist im Zweifels fall weiteres fahrlässiges Verhalten. In meinem Fall haben wir es als Verheizen von Schülerinnen und Schülern erlebt.

Ich bitte Sie, nehmen Sie das mit, und denken Sie darüber noch einmal nach. Lassen Sie davon die Finger weg. Wir brau chen jetzt vor allem eine Situation, in der Schülerinnen und Schüler sauber nacharbeiten können. Die Schulsituation wird nicht leichter werden. Verschlimmern Sie es nicht noch mit solchen Vorschlägen.

(Beifall)

Wie wird es weitergehen? Kommt eine zweite Coronawelle, oder kommt sie nicht? Kann die beschlossene Schulöffnung durchgehalten werden oder nicht? Gibt es zeitnah erneut Streit zwischen Ministerpräsident und Kultusministerin oder nicht?

Zwei Antworten hätten Sie heute geben müssen. Ich hoffe, die Frau Kultusministerin gibt sie noch:

Erstens: Wie wollen Sie im Falle von Präsenzunterricht die Gesundheit der Schulgemeinschaft sicherstellen, und wie wol len Sie vor allem nachhaltig und effektiv die aufgebauten Bil dungsdefizite abbauen? Ich habe heute hier eine Menge Brain storming gehört. In fünf Wochen haben wir Sommerferien. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in spätestens ein bis zwei Wo chen konkrete Vorschläge machen, über die wir dann im Bil dungsausschuss noch diskutieren können.

(Beifall)

Zweitens: Wie wollen Sie sicherstellen, dass Lernen auf Dis tanz besser läuft? Entweder haben wir die Situation einer zweiten Pandemiewelle – das ist nach Gütersloh bei Weitem nicht mehr auszuschließen; es war schon vorher nicht auszu schließen –, oder wir werden möglicherweise weiterhin Lehr kräfte oder Schülerinnen und Schüler haben, für die aufgrund einer besonderen persönlichen Risikolage ein Schulbesuch nicht vertretbar ist.

Die SPD-Landtagsfraktion hat am 8. Juni einige konkrete Vor schläge formuliert, von denen ich Ihnen heute einige vorstel len möchte. Wir brauchen schon jetzt, zeitnah, ein Konzept für das nächste Schuljahr. Bis September müssen wesentliche Schritte gegangen sein, und sie müssen rechtzeitig kommuni ziert werden. Frau Ministerin Eisenmann, die rechtzeitige Kommunikation soll nicht nach Ihrer Definition erfolgen, son dern so, dass sich die Schulen gut vorbereiten können. Ihre bisherige Performance reicht bei Weitem nicht aus.

(Beifall)

Die gegenwärtige Krise wird zu gravierenden Folgen beim Bildungsfortschritt und in der sozialen Entwicklung von Kin dern und Jugendlichen führen. Wir müssen Schülerinnen und Schüler wieder auf einen gemeinsamen Lernstand bringen. Das muss durch eine deutliche Ausweitung der Schulsozial arbeit flankiert werden. Allen muss aber auch bewusst sein, dass die Lehrkräfte das in Anbetracht der vielen Lehrkräfte, die derzeit nicht zur Verfügung stehen – wir hatten schon vor her keine besonders guten Verhältnisse in der Versorgung der Schulen mit Lehrern –, nicht leisten können.

Auch deshalb haben wir, die SPD-Landtagsfraktion, Ihnen be reits im April vorgeschlagen, ein mit mindestens 10 Millio nen € ausgestattetes Landesnachhilfeprogramm aufzulegen. Geben wir den Schulen ein flexibles Budget, mit dem sie Nachhilfeleistungen im eigenen Haus einkaufen können. Das funktioniert seit über zehn Jahren sehr gut. Es ist angelehnt an MAUS, das Mannheimer Unterstützungssystem Schule, das auch mehrfach universitär evaluiert wurde. Dabei wurden nicht nur gute Effekte in Richtung Motivation belegt, sondern es wurde aufgezeigt, dass effektive Nachhilfe gerade in den Kernfächern möglich ist.

Wir haben dazu auch die Kapazitäten von Weiterbildungsträ gern wie Volkshochschulen oder von zertifizierten Nachhilfe instituten. Übrigens hatten auch zertifizierte Dozentinnen und Dozenten in der Coronakrise Einkommenseinbußen. Wir könnten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem wir diesen Dozentinnen und Dozenten die Möglichkeit geben, in den Sommerferien, aber vor allem auch im nachfolgenden Schuljahr laufend Nachhilfe und Unterstützung an den Schu len zu geben. Wir halten diesen Ansatz für eine bessere Qua litätssicherung, als es der Vorschlag der Grünen ist.

Darüber hinaus müssen Wege gefunden werden, Frau Minis terin, weitere Partner für die Schulen in die Schulen zu holen. Reden wir über Kulturschaffende oder Sportvereine, verges sen wir aber auch die Studien- und Berufsorientierungsbera tung nicht. Dazu müssen wir Wege finden, wie pandemiege recht sichergestellt werden kann, dass diese Unterstützungs angebote – und zwar nicht nur für die Ganztagsschulen – in die Schulen gebracht werden können. Das würde den Schu len helfen; das würde Schülerinnen und Schüler gezielt för dern.

(Beifall)

Ein krisenfestes Klassenzimmer braucht aber auch eine Of fensive im Bereich der Digitalisierung. Dank der SPD-Initia tive auf Bundesebene wurden 500 Millionen € bereitgestellt, um möglichst allen Schülerinnen und Schülern Zugang zu di gitalen Endgeräten zu ermöglichen. Sie haben – auch auf Druck der Opposition – diese Mittel für Baden-Württemberg verdoppelt, und das ist gut so.

Wir müssen aber auch die Datenleitungen und Datenvolumi na sowie die WLAN-Verbindungen im Auge haben. Das gilt nicht nur für die Schulen, sondern insbesondere auch für die Haushalte der Eltern der Schülerinnen und Schüler.

Bislang wurde in dieser Legislaturperiode vor allem wertvol le Zeit verloren. Allein das eisenmannsche Scheitern bei „el la“ hat uns vier Jahre zurückgeworfen. Wir müssen jetzt in Baden-Württemberg umso mehr Fahrt aufnehmen.

(Zurufe)