Protokoll der Sitzung vom 25.06.2020

Vielen Dank.

(Beifall)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Herrn Abg. Pix.

(Zurufe)

Ich sehe keine anderen Wortmeldungen. Oder wollten Sie zuerst sprechen, Herr Minister? – Ja. Herr Abg. Pix ist offen bar einverstanden, erst danach nochmals zu reden.

(Unruhe)

Nun erteile ich das Wort für die Landesregierung Herrn Mi nister Hauk. – Der Wunsch aus dem Parlament ist offenkun dig, erst danach zu reden.

Der Wunsch des Parlaments ist der Landesre gierung natürlich Verpflichtung.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herrn Kollegen Karrais würde ich einfach mal emp fehlen, das Gesetz zu lesen. Herr Karrais, Sie würden dabei viele Antworten finden, bei denen Sie jetzt moniert haben, die se würden nicht drinstehen.

(Beifall – Zurufe, u. a.: So ist es! – Richtig!)

Ich sehe ja ein, dass Sie den Gegnern des Volksbegehrens na hestehen – ich übrigens auch –

(Zuruf: Aha!)

und dass Sie Ihre Zielsetzung, da das große Bohei machen zu können, nicht erreicht haben. Das sehe ich ein. Ich sehe auch ein, dass Sie als Partei und als Fraktion klein sind

(Zurufe)

und deshalb Ihre jeweiligen Sprecher auch nicht alles im De tail lesen können. Das sehe ich alles ein. Bevor Sie aber Un sinn verzapfen, die Wahrheit verdrehen und über Dinge spre chen, die verdreht sind und nicht den Tatsachen entsprechen, würde ich Ihnen einfach empfehlen, zu lesen. Das hilft näm lich. Lesen bildet, macht schlau und schärft das Rechtsbe wusstsein, vor allem, wenn es sich um Gesetze handelt, über die man hinterher abstimmen muss.

(Zurufe, u. a.: Der Minister liest viel!)

Ja, genau. Das ist systemimmanent.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der Ge setzentwurf, den wir hier vorlegen – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, die Debatte zwischen Herrn Abg. Walter und Herrn Abg. Dr. Kern ist sicher spannend.

(Zuruf: Sehr spannend!)

Aber der Minister hat das Wort, und deshalb sind Sie jetzt bit te ruhig. Vielen Dank.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Herr Abg. Walter, Sie haben nicht das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die ser Gesetzentwurf, den der Kollege Untersteller schon in der Einbringung im Einzelnen begründet hat, ist gerade kein Kom promiss. Man könnte ja erwarten, dass man, wenn zwei Fron ten aufeinandertreffen, versucht, sich irgendwie herauszu wurschteln. Nein, meine Damen und Herren, das ist ganz be wusst eine Weiterentwicklung in der Frage der Landbewirt schaftung. Es kann auch kein Kompromiss sein, weil die Fron ten, die aufeinandertreffen, unterschiedlich bedeutsam sind.

Das eine sind Naturschützer, die zu Recht sagen: Wir wollen unsere Zielsetzungen des Naturschutzes, des Pflanzenschut zes, des Artenschutzes und des Insektenschutzes verwirklicht sehen. Das andere sind Landwirte, die dazu nicht zwingend im Gegensatz stehen, die aber existenziell betroffen sind. Das ist der große Unterschied. Die einen machen das aus Leiden schaft, aus Lust, aus der Verantwortung heraus. Die anderen, die damit wirtschaften, müssen jeden Tag ihr tägliches Brot damit verdienen. Das sind die Betroffenen, das sind die Grund eigentümer, die Pächter, die Bewirtschafter etc.

Deshalb kann es sich nie um Kompromisse handeln, sondern es muss sich um Lösungen handeln. Dieser Gesetzentwurf ist eine Lösung und kein Kompromiss.

(Beifall)

Er ist eine Lösung, eine vorausschauende Lösung dafür, wo und wie sich Landwirtschaft weiterentwickelt. Sie wird sich weiterentwickeln müssen. Wir haben in Deutschland und in Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung für eine multifunktionale Landwirtschaft.

Multifunktional heißt, auf ein und derselben Fläche verschie dene Güter zu produzieren – Güter des Naturschutzes, des Ar

tenschutzes, der Vielfalt, des Wasserschutzes, des Bodenschut zes, aber genauso das Gut der Lebensmittelproduktion, der Produkte, der Arbeitswertschöpfung und der Ernährung von Familien. All dies muss die Landwirtschaft auf einer Fläche erfüllen.

Das ist in Brasilien, in den USA und in China anders. Dort gibt es Monostrukturen. In den USA gibt es einerseits große Nationalparke, reine Naturschutzreservate und andererseits große landwirtschaftliche – nur landwirtschaftliche – Flächen, wo Maximalproduktion in der Landwirtschaft betrieben wird und der Naturschutz, der Artenschutz überhaupt keine Rolle spielen. Das haben wir in Deutschland nicht, und erst recht nicht in dem dicht besiedelten Land Baden-Württemberg.

Deshalb wollen wir diese multifunktionale Landwirtschaft und Landbewirtschaftung erhalten. Das will ich nicht Pflegern, die staatlich alimentiert und organisiert werden, überlassen. Viel mehr sollen das selbstständige bäuerliche Familienbetriebe übernehmen. In dieser Struktur soll es weitergehen und nicht in einer Struktur von Agroindustriellen, die dies auch nicht er füllen könnten, oder in einer anderen Struktur, wie sich das manche vorstellen.

(Beifall)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Reich-Gutjahr zu?

Ja.

Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade ge sagt: Die Landwirtschaft muss sich immer weiterentwickeln. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die große Frage ist: Warum braucht sie dafür die Politik? Denn wenn ich mit Leuten aus dem landwirtschaftlichen Bildungsbereich spreche, dann sa gen diese: „In Baden-Württemberg haben die Landwirte ein extrem hohes Interesse, sich permanent weiterzubilden und nach Antworten zu suchen, wie sie ihre Arbeit noch besser, noch ökologischer machen können.“ Warum braucht es also die Politik?

Besser muss nicht gleich ökologischer sein. Das sage ich auch. Ich bin da sehr neutral eingestellt. Aber der Po litik bedarf es natürlich. Gerade weil es diese Zielkonflikte auf engstem Raum gibt, muss es ein Stück weit Vorgaben geben und übrigens auch staatlichen Ausgleich für Dinge, die kein Produktionsziel sind und für die kein Markterlös da ist. Das ist doch unser Problem. Wenn alle den Markterlös einer öko logischen Landwirtschaft am Ladentisch kaufen würden, dann wären wir nicht bei 10 % Produktionsfläche; dann wären wir bei 50 oder 60 %. Das ist doch die Wahrheit. Der Markterlös gibt es doch nicht her. Das heißt, die Bauern, die Landwirte brauchen auch staatliche Transferleistungen, die wir beispiels weise in der zweiten Säule der Agrarpolitik im FAKT – frü her MEKA – anbieten. Das ist die Funktion der Politik, dort leitend, gestaltend einzugreifen.

Deshalb braucht es natürlich ein Weiterdenken: Wohin wird sich Landwirtschaft entwickeln? Wenn es klar ist, dass die Produktivität der Landwirtschaft in den nächsten Jahren wei ter ansteigen wird – Gott sei Dank –, dass wir also mehr Flä

chenproduktivität haben werden, mehr Weizen pro Hektar, auch qualitativ höhere Erträge, und das trotz Trockenheiten und dergleichen mehr – da braucht es auch mehr Agrarfor schung –, wenn das klar ist, dann brauchen wir Instrumente, um die Multifunktionalität zu erhalten. Denn in diesem Teil der Landwirtschaft bekennen sich alle dazu: der Bauernver band als Vertreter der Produzenten, wenn man so will, genau so wie die Naturschützer. Wir wollen ja diese Landschaft mul tifunktional gestalten. Da brauchen wir allerdings auch intel ligente Systeme und intelligente Formen, wie man den Land wirten diese Multifunktionalität letztendlich nahebringen kann. Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Dort muss sich Land wirtschaft weiterentwickeln.

Für diese Zukunftsvorausschau der multifunktionalen Erfül lung verschiedener Bedürfnisse in der Landbewirtschaftung haben wir jetzt die Lösung geschaffen und damit auch das Volksbegehren obsolet gemacht. Frau Rolland, die SPD muss man vielleicht noch überzeugen. Sie waren ja damals bei den Unterstützern des Volksbegehrens dabei.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Dann überzeugen Sie mich halt!)

Ich will es ja gar nicht kritisieren; ich will es nur feststellen. – Sie waren die einzige Partei in Baden-Württemberg, die Un terstützer des Volksbegehrens war. Es gab natürlich auch Sym pathisanten in den anderen Parteien, auch bei der CDU, aber auch bei den Grünen. Es gab Kreisverbände, die das unter stützt haben und gesagt haben: „Wir wollen das Volksbegeh ren haben.“ Ich sage ganz offen: In diesem Prozess habe ich Respekt vor der grünen Partei, die es geschafft hat – das war das größte Dilemma, das sehe ich durchaus so –, diesen Kon flikt zu entschärfen, indem sie wahrscheinlich den größten Sprung gemacht hat und gesagt hat: „Wir bekennen uns zu mehr Ökologie, aber wir bekennen uns auch zu mehr Ökolo gie mit den Landwirten und mit der Landwirtschaft.“ Da muss ich einfach sagen: Davor habe ich großen Respekt.

(Beifall)

Ich glaube auch, dass angesichts des Volksbegehrens, wenn auch viele Dinge normales Regierungshandeln sind, wahr scheinlich eine Lösung – kein Kompromiss – der Problema tik nicht möglich gewesen wäre in einer anderen Konstellati on als mit Grün und Schwarz. Das muss man auch einmal fest halten. Das war eine glückliche Fügung, dass das Volksbegeh ren zu einem Zeitpunkt kam, als wir gemeinsam regierten.

(Beifall)

Jetzt schauen wir einmal. Ich glaube, dass die Union das nö tige Maß und Verständnis auch den Grünen ein Stück weit rü bergebracht hat, dass Landbewirtschaftung notwendig ist. Landbewirtschaftung und Landwirtschaft sind die Vorausset zungen für Landschaft. Das, was wir da draußen von hier aus sehen, sind der Stadtgärtner und der Wilhelmagärtner. Was wir beim Wald sehen, sind die bewirtschafteten Wälder. Das ist das Ergebnis der Förster, also von Bewirtschaftern. Das, was wir auf den Fildern etc. sehen, ist das Ergebnis von Be wirtschaftern, nämlich von Landwirten. Wenn Sie, egal, wo Sie im Land unterwegs sind, Freiflächen, das sogenannte Of fenland sehen, dann ist das das Ergebnis einer jahrhunderte langen Bewirtschaftung. Aufgrund dieser Bewirtschaftung ha

ben sich spezifische Arten in Fauna und Flora entwickelt und angesiedelt.

Baden-Württemberg ist nicht umsonst das artenreichste Land. Baden-Württemberg ist übrigens auch das vielfältigste Land – nicht nur, weil es topografisch so bewegt ist, sondern eben auch, weil wir Kulturformen und auch kleinbäuerliche Fami lienstrukturen über Jahrhunderte bewahrt haben, die die Vor aussetzung dafür geschaffen haben, dass wir überhaupt diese Artenvielfalt haben, dass es überhaupt so viele artenvielfälti ge Mähwiesen gibt, dass es so viele Natura-2000-Gebiete gibt, dass es so viele Schutzgebiete, schutzwürdige Bereiche gibt. Das ist im Wesentlichen das Ergebnis des Handelns von Be wirtschaftern, und zwar von Landwirten.

(Beifall)