Durch solche und weitere Irrungen und Wirrungen seitens der grün-schwarzen Landesregierung wurden viele Unternehmen in einer ohnehin schon extrem nervenaufreibenden und exis tenziell beunruhigenden Situation zusätzlich verunsichert.
Aber leider ist er auf der Regierungsbank offenbar unbekannt. Vielleicht sollte sich gerade auch die CDU in diesem Punkt einmal stärker an ihre Ahnen erinnern. Das würde Ihnen bei einigen Entscheidungen wahrscheinlich durchaus weiterhel fen können.
Immerhin ist es gelungen – mit einer Hauruckaktion hier im Landtag, wir erinnern uns –, im März eine Kreditermächti gung in Höhe von 5 Milliarden € für die wirtschaftlichen Hil fen zu beschließen und auch mit der fabelhaften Unterstüt zung der Kammern – es wurde schon erwähnt – die Soforthil fe für Unternehmen und Soloselbstständige ins Laufen zu bringen. Rund 270 000 Anträge sind ein eindrückliches Zeug nis davon, wie leistungsfähig die Struktur war, aber natürlich auch, wie schlimm es um die Unternehmen im Land tatsäch lich steht.
Die Soforthilfe war jedoch nur für die kurzfristige Überbrü ckung von Liquiditätsschwierigkeiten gedacht. Es gibt aber viele Branchen, denen eine Soforthilfe einfach nicht reicht. Das wurde gerade eben auch durch meine Vorredner ange sprochen.
In zahlreichen Gesprächen, die die SPD-Fraktion beispiels weise mit den Verbänden im Bereich Hotel und Gastronomie geführt hat, wurde einmal mehr verdeutlicht, dass die Sofort hilfen eben nicht ausreichen, um gerade auch diese Branchen zu stabilisieren. Baden-Württemberg als Tourismusland ist nicht nur wirtschaftlich darauf angewiesen, diese vielfältige gastronomische Landschaft zu erhalten, sondern der Touris mus ist auch Teil der Kultur und der Identität dieses Landes. Es beschämt, wie lange die grün-schwarze Landesregierung gebraucht hat, eine nennenswerte und zielgenaue Unterstüt zung für den Tourismus und die Gastronomie auf den Weg zu bringen.
Aber es passt ins Bild. Wir haben es auch bei den Schullei tungen erlebt, die aus der Zeitung erfahren haben, welche Plä ne die Kultusministerin für die sogenannten Schulöffnungen hatte. Wir erleben, dass Unternehmen sich im Prinzip im Ver ordnungsdschungel der Landesregierung die Informationen
über die Verordnungen zusammenklauben müssen. Im Ergeb nis bleibt es ein fortgesetztes grün-schwarzes Armutszeugnis.
Noch einmal zu der Zeitschiene – Kollege Schweickert hat es schon erwähnt –: Im April hat Guido Wolf zum ersten Mal von einem Nothilfeprogramm für die Gastronomie und den Tourismus gesprochen. Im Mai hatte Ministerin HoffmeisterKraut Hilfen für die Gastronomie noch einmal extra in Aus sicht gestellt. Das Ergebnis war ein wochenlanges Gezeter in nerhalb der Koalition. In der Parlamentsdebatte im Mai ha ben wir die Landesregierung gemeinsam innerhalb der Oppo sition nochmals aufgefordert, das Gezeter endlich einzustel len und dem Gastgewerbe eine verlässliche Perspektive zu bieten. Jetzt, Ende Juni, zwei Monate nach der ersten Ankün digung, stehen wir hier und dürfen zur Kenntnis nehmen, dass die grün-schwarze Landesregierung vorgestern – vorgestern! – endlich für kurze Zeit mal ihre internen Querelen zurückge stellt hat und es auf den Weg gebracht hat, dass Gastronomen, Hotellerie und Reisebusunternehmen dreieinhalb Monate nach Beginn des Lockdowns eine finanzielle Erleichterung ver schafft wird.
In diesem Zusammenhang muss auch noch einmal der Betei ligungsfonds erwähnt werden. Die Ministerin hat die Eigen kapitalunterstützung für notleidende Unternehmen mittels ei ner Fondsstruktur erstmals am 19. März erwähnt. Im April ha ben wir im Wirtschaftsausschuss über den Beteiligungsfonds debattiert, und wir, die SPD, haben damals bereits Details an gemahnt, damit man Verlässlichkeit bei den notleidenden Un ternehmen erzeugen kann. Mitte Mai haben Sie sich dann – das wissen wir nur gerüchteweise; wir waren ja nicht dabei – im Kabinett damit beschäftigt. Was ist seitdem geschehen? Wann können Unternehmen, Frau Ministerin, mit einer Eigen kapitalunterstützung über den Fonds rechnen? Wann ist das der Fall? Wir erwarten von Ihnen heute hierzu klare Aussa gen.
Die Unternehmen und Existenzen brauchen jetzt Hilfe – nicht im Herbst und nicht im Winter; sie brauchen jetzt Hilfe.
Wir können uns in diesem Land keine Förderungslücken er lauben. Diese Verzögerung ist allein die Schuld der grünschwarzen Landesregierung. Sie gefährden damit die Unter nehmen im Land, und Sie riskieren dadurch auch den Abbau weiterer Arbeitsplätze. Wir, die SPD, fordern: Schluss mit den Ankündigungen, handeln Sie endlich!
Im Moment geht es ja schon wieder um die nächste grünschwarze Selbstbeschäftigung. Herr Professor Reinhart hat sich in dieser Woche noch einmal für ein landeseigenes Mil liardenpaket starkgemacht, um der baden-württembergischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Interessant ist, dass in der vergangenen Woche in der Diskussion hier im Plenum gesagt wurde, man habe das nicht jetzt vor, sondern erst im Spätjahr. – Sie müssten jetzt einmal schauen, wie Sie das mit einander in Einklang bringen.
Aber Ihre Aussage ist auch noch in einem anderen Punkt sehr interessant. Sie haben gesagt, das Konjunkturpaket müsse
Substanz haben. Richtig. Aber Sie beziehen sich da wohl kaum auf den Vorschlag von Ministerpräsident Kretschmann, der für ein Landeskonjunkturprogramm allenfalls einen drei stelligen Millionenbetrag avisiert hat. Da ist eine gewisse Dif ferenz. Wir sind eher bei Ihnen, Herr Reinhart. Aber Sie müs sen sich noch einmal dafür starkmachen, damit das dann auch tatsächlich beschlossen wird.
Sie haben dem Ministerpräsidenten wenig Ehrgeiz bescheinigt. Das sehen wir auch so. Aber aus meiner Sicht ist das noch die wohlwollendere Variante.
Es darf nicht sein, dass der Bund, dass die Bundesregierung – die Große Koalition in Berlin – wirklich einen Kraftakt mit über 130 Milliarden € auf die Beine stellt – schnell, kompe tent und verlässlich –, das Land sich aber einfach zurücklehnt und bis ins Spätjahr abwartet. Das funktioniert so nicht. Das ist nicht der Anspruch, den wir, das Parlament, hier an dieser Stelle haben dürfen.
Das kann auch nicht die Lösung sein. Sie müssen rasch han deln und müssen ein eigenes Konjunkturprogramm auflegen, und zwar so schnell wie möglich und nicht erst nach der Som merpause.
Machen Sie Ihre Arbeit! Baden-Württemberg kann sich wei tere grün-schwarze Rangeleien, Eifersüchteleien und fortge setzte Verzögerungen bei den Hilfsprogrammen nicht leisten. Beginnen Sie damit. Ich hoffe, dass wir das noch vor der par lamentarischen Sommerpause gemeinsam hier im Parlament beschließen können und die Regierung uns entsprechende Vor schläge vorlegt. Wir erwarten das von Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Coronalock down begann ein wirtschaftliches Experiment, das in der Ge schichte der Bundesrepublik Deutschland seinesgleichen sucht. Eines muss hier deutlich gesagt werden: Trotz der Warnungen des Robert Koch-Instituts waren Sie auf eine mögliche Pan demie nicht vorbereitet.
Sie haben Corona, auch hier im Parlament, lange verharmlost. Dann, nachdem die Infektionszahlen in Italien und Spanien nach oben geschossen sind, haben Sie panisch und kopflos re agiert und übereilt den umfassenden Lockdown von Wirt schaft und Gesellschaft herbeigeführt.
(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das glauben Sie doch selbst nicht, was Sie da erzählen! – Gegenruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD: Das stimmt aber! – Weitere Zurufe)
Ich möchte hier nur eines sagen: Es ist eine Unverschämt heit. Wir waren die ganze Zeit ruhig, und wenn ich jetzt rede, quatschen Sie dazwischen.
Darüber, welche Auswirkungen dieser Lockdown auf die Be völkerung und die Wirtschaft hat, hat sich in dieser Landes regierung offensichtlich niemand Gedanken gemacht. Dieser Lockdown ist in eine gesamtwirtschaftliche Katastrophe ge mündet, und das hätte einigen Verantwortlichen, die hier in der Landesregierung sitzen, eigentlich klar sein müssen.
Wurden deshalb die Diskussionen über die Maßnahmen des Lockdowns von oben tabuisiert? So lehnten auch Sie hier in Baden-Württemberg eine Diskussion über die Coronamaß nahmen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit und der wirt schaftlichen Folgen ab: Ein Abbau der Maßnahmen dürfe nur nach medizinischen und niemals nach wirtschaftlichen Krite rien erfolgen.
Diese Verweigerungshaltung, die wirtschaftlichen Folgen, aber auch die psychischen Auswirkungen – z. B. in Altershei men – wenigstens zu diskutieren und abzumildern, das starre Festhalten am bedingungslosen, über Wochen andauernden Lockdown zog der Wirtschaft im Land buchstäblich den Bo den unter den Füßen weg. Wie zu erwarten war, zeigen sich jetzt, drei Monate später, die Auswirkungen Ihrer Pandemie strategie,
Die Folgen sind alarmierend: drastische Auftragseinbrüche im verarbeitenden Gewerbe, vor allem im Maschinenbau und ganz extrem bei den Automobilzulieferern insgesamt. Noch dramatischer sieht es im Tourismus und im Gastgewerbe aus. Die Umsätze in der Gastronomie sind um 70 %, bei den Be herbergungsbetrieben um 90 % eingebrochen – wohlgemerkt: Diese Umsätze können nicht nachgeholt werden. Ebenso ra benschwarz ist die Lage im Messebau und im Schaustellerge werbe. Die wirtschaftliche Zukunft mancher Branchen liegt geradezu brach und steht auf dem Spiel. Auch Künstler und Soloselbstständige bangen um ihre wirtschaftliche Existenz.
Die Einbrüche gehen weit über die durch die Finanzkrise 2009 verursachten hinaus. Laut der Bundesregierung löst Corona sogar die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit aus. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Aufgrund der Situation hier in Baden-Württemberg hat es bereits Selbstmorde gege ben.
Um das Schlimmste zu verhindern, sind daher die milliarden schweren Hilfspakete von Bund und Land derzeit unumgäng lich. Auch das geplante zweite Hilfspaket der Landesregie rung enthält wichtige Maßnahmen, um den Absturz der hei mischen Wirtschaft, der heimischen Industrie zumindest vor erst zu verhindern.
Doch was Sie am 19. Mai vollmundig angekündigt haben, lässt bis heute, einen Monat später, auf sich warten. Man hört, die Koalitionspartner seien sich uneins über die Finanzierung des Pakets. Daher müsse die Steuerschätzung im September abgewartet werden, um dann den Nachtragshaushalt beraten zu können. Die Förderunschädlichkeit und die Verzahnung mit dem Bundesprogramm müssten noch geklärt werden.
Meine Damen und Herren, eines muss doch klar sein: Es darf nicht sein, dass das Wohl und Wehe der Wirtschaft hier in Ba den-Württemberg, insbesondere der Kleinst- und der mittel ständischen Unternehmen, vorwahltaktischen Scharmützeln der grün-schwarzen Landesregierung geopfert wird.
Es ist interessant, dass inzwischen auch bei der Landesregie rung die Erkenntnis angekommen ist, dass – parallel zu den gigantischen Mehrausgaben – auch die Einnahmen der Lan desregierung wegbrechen werden. Genau deswegen hatten wir eine Haushaltssperre beantragt – die haben Sie abgelehnt. Da her geht der Gedanke an einen Nachtragshaushalt grundsätz lich in die richtige Richtung. Wenn aber beispielsweise DE HOGA-Präsident Zöllick von einer existenziellen Bedrohung nahezu aller Betriebe im Gastgewerbe spricht, dann können seit Wochen angekündigte Maßnahmen nicht über Monate aufgeschoben werden, meine Damen und Herren.