Man kann aus Deutschland mit immerhin einer tausend jährigen Geschichte seit Otto I. nicht nachträglich einen Schmelztiegel machen. Aus Deutschland ein Einwande rungsland zu machen ist absurd.
Mit dieser Erkenntnis zeigte Martin Luther King die grundle gende Problematik auf, die uns seit Generationen begleitet. Das Thema Rassismus hat nicht zuletzt durch den gewaltsa men Tod George Floyds eine neuerliche dramatische Aktua lität erfahren.
Zu Recht weisen viele Menschen darauf hin, dass Rassismus kein amerikanisches Problem ist, sondern auch bei uns we sentlich ausgeprägter ist als vielfach vermutet. Rassismus – wenn also Menschen als Gruppe anhand gewisser Merkmale wie Herkunft, Hautfarbe oder Religion als minderwertig aus gegrenzt werden – ist nicht nur ein Phänomen der Neuzeit, wenngleich die Ursprünge des heute herrschenden Konzepts des Rassismus in der Kolonialisierung Afrikas und Südame rikas liegen.
Die Versklavung von Menschen auf beiden Kontinenten mit samt der rücksichtslosen Ausbeutung der Rohstoffe erzeugte bei vielen weißen Europäern ein Gefühl der absoluten Über legenheit der eigenen Rasse. Dies erreichte schlussendlich in der Rassenlehre der Nationalsozialisten eine widerwärtige, pervertierte und menschenverachtende Dimension.
Rassismus ist allgegenwärtig und ist nicht die fehlerhafte Wahrnehmung von verirrten Einzelnen, von böswilligen In dividuen. Rassismus geht tiefer. Viel zu gern übersehen wir, dass auch unsere gemäßigte Gesellschaft von implizit rassis tischen Vorurteilen und teils versteckt wirkenden rassistischdiskriminierenden Praktiken durchdrungen ist. Dabei zeigt auch die heutige Diskussion, dass die Frage „Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über Rassismus sprechen, wenn wir von strukturellem Rassismus sprechen?“ nicht einheitlich be antwortet wird. Eine durchgängige Definition scheint hier ge boten. Die Diskussion steckt trotz der bedauerlich langen His torie noch in den Anfängen.
Die durchaus gesellschaftskritische und wichtige Diskussion erstreckt sich auch auf die Hinterlassenschaften des Kolonia lismus – gleich ob Christoph Kolumbus, König Leopold II. von Belgien, Otto von Bismarck oder Robert Koch. Vielerorts werden Denkmäler gestürzt, wird die Frage aufgeworfen, ob hier die Erinnerung an die eigene Vergangenheit hochgehal ten wird oder ob Rassisten und Mörder mit den Heldendenk mälern eine dauerhafte, moralisch fragwürdige Ehrung erfah ren.
Nicht selten wird hier eine Auge-um-Auge-Mentalität an le bensnahen Abbildern entwickelt, die durch die Substitution des Gegners bei der Auseinandersetzung sozialer Konflikte ausgeübt wird. Doch die Geschichte lehrt uns eines: Der alte Grundsatz „Auge um Auge“ macht am Ende alle blind.
Wichtiger und im Sinne einer verantwortungsvollen histori schen Nachhaltigkeit ist es, die eigene Geschichte gründlich aufzuarbeiten, geraubte Kulturgüter der Kolonialzeit nach Klärung der Provenienz zu restituieren. Besser ist es, statt
Denkmäler zu stürzen, die Wirkungen der Statuen u. a. zu bre chen, indem Kulturschaffende aus den ehemaligen Kolonien eingeladen und Gegendenkmäler entwickelt werden.
Der Besuch auch aus unseren Reihen im Königlichen Muse um für Zentralafrika in Tervuren bei Brüssel im Zusammen hang mit den Plänen des Linden-Museums – auch hier wirft die Namensgebung durchaus Fragen auf – hat den Diskussi onsbedarf offen zutage gelegt.
Dieses Sich-Befassen mit der Vergangenheit zeigt die Absur dität und die Gefahr von Rassismus – damals wie heute. Dies zeigt, dass Nelson Mandela, geprägt von der eigenen leidvol len Erfahrung, richtig lag, wenn er sagte:
Niemand wird mit dem Hass auf andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft oder Religion ge boren. Hass wird gelernt.
So der Friedensnobelpreisträger. – Diesen Hass zu durchbre chen ist und wird wohl dauerhaft die große Herausforderung unserer Zeit.
Ja, Symbolik ist wichtig. Sie allein wird aber nicht dazu füh ren, Rassismus auszulöschen, dem schleichenden Gift Rassis mus ein probates Mittel entgegenzusetzen.
Ja, ich glaube an unseren Rechtsstaat und vertraue darauf, dass unser Rechtsstaat die Kraft besitzt, Rassismus in aller Ent schiedenheit den Kampf anzusagen und ihn in die Schranken zu verweisen. Aber – auch das lehrt uns die Geschichte – es braucht einen langen und stetigen Atem.
Wenn dann aber Länder wie Berlin in völliger Verkennung von Ursache und Wirkung bewährte Rechtsstaatsprinzipien zulasten der Polizei umdrehen, dann ist das ein falsches Sig nal und führt im Ergebnis gerade dazu, dass sich Rassismus in den Köpfen verankert, statt sich aufzulösen.
Dass bei jeder Kontrolle oder Festnahme die von den Maß nahmen Betroffenen sofort die Rassismus- oder gar Nazikeu le ziehen, macht das Dilemma für die Polizeibeamten beson ders deutlich. Sollten diese sich in jedem Einzelfall exkulpie ren müssen, weil sie ihre Arbeit für unsere Sicherheit gewis senhaft ausüben? Im Zweifel nicht mehr für den Angeklagten, sondern gegen die Polizei?
Wenn Frau Esken der Polizei als Institution pauschal und völ lig undifferenziert latenten Rassismus vorwirft, zeigt das – mit Verlaub – eine bedauerliche und bedenkliche Entwicklung, die nicht hilft, das eigentliche Problem zu bekämpfen, und es zeichnet auch ein unzutreffendes Bild von unserer Polizei.
Alltagsrassismus ist, wie der Begriff zeigt, leider alltäglich und präsent. Stereotype, billiges Stammtischgefrotzel, unbe dacht flapsige oder provokante Aussagen sind genauso geeig net, Dritte zu diskreditieren, zu verletzen, wie eben offen zu
tage getragener Rassismus. Hier sind wir alle gefordert, dür fen nicht wegschauen, müssen aufschauen, müssen aufstehen, müssen das Wort gegen Rassismus ergreifen.
Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Fein de erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.
Sie zitieren hier ständig schwarze Redner. Ist das schon Ras sismus, wenn man als Weißer ein Zitat bringt? Hat es eine an dere Qualität, wenn ein dunkelhäutiger Mensch etwas sagt, als wenn dies ein weißer Mensch tut?
Betrachten wir einmal den Bereich der Justiz. Hier möchte ich Sie, der Sie als Jurist Experte in diesem Bereich sind, etwas fragen. Wir haben eine Zweiklassenjustiz, in der Dunkelhäu tige besser behandelt werden als Weiße.