Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

So bekomme ich, Frau Ministerin Eisenmann, beispielsweise Rückmeldungen zu den Lernbrücken: Dort herrscht nach wie vor extreme Unsicherheit. Ich weiß von Empfehlungen von Schulen, die eher darauf hindeuten, dass diese Dinge nicht un bedingt in Anspruch genommen werden sollen, weil überhaupt nicht genau bekannt ist, wie das funktioniert. Da brauchen wir mehr Verbindlichkeit bei diesen Dingen.

Bitte gestatten Sie mir als jemandem, der hierauf auch beson deren Wert legt, noch folgende Anmerkung: Die Regelung, wonach im nächsten Schuljahr Gesang und Blasmusik verbo

ten sein sollen, sollte man wirklich noch einmal überdenken. Dies passt nicht ins Bild; es passt nicht zu dem, was wir in den anderen Bereichen jetzt an Lockerungen haben. Da er warten wir, dass man noch einmal deutlich sagt: So kann das nicht bleiben.

(Beifall)

Wir kommen daher zu dem Schluss – das war ja auch der Im puls der FDP/DVP-Landtagsfraktion; wir freuen uns, dass die anderen Fraktionen nun nachgezogen haben –: Unser Gesetz entwurf zur parlamentarischen Kontrolle der Freiheitsbe schränkungen der Covid-19-Pandemie ist außerordentlich wichtig. Wir müssen aus diesem Chaos der Verordnungen ei ne parlamentarische Orientierung machen. Hierzu haben wir den Impuls gesetzt, und wir freuen uns, wenn wir dazu eine gemeinsame Lösung hinbekommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, ob wir jetzt von „Entschädigung“ oder von „Staatshilfe“ sprechen. Es geht darum, ob wir uns den Wahn, den wir hier betreiben, weiter leisten können.

Von der Regierungskoalition, von der Einheitskoalition die ses Staates, werden die Maßnahmen vollmundig als großer Erfolg gefeiert. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Sie feiern hier einen Pyrrhuserfolg. Die Erfolgsworte werden Ih nen schon bald auf den Lippen ersterben. Man wird dann sa gen: „Operation gelungen, Patient tot.“ Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Vereinzelt Beifall – Zuruf)

Das Ganze basiert zu großen Teilen – nicht vollständig – auf einem wissenschaftlichen Schwindel. Man spricht von Infi zierten, meint aber nichts anderes als positive Tests. Das ist ein ganz großer Unterschied.

Eine große Zahl der Testergebnisse ist falsch positiv – nach wissenschaftlichen Untersuchungen bis zu 50 %. Aber das schert uns alles nicht. Es geht nicht darum, ob etwas sinnvoll ist oder nicht, ob es sinnvoll ist, diese komischen Masken hier überall umzubinden, ob es sinnvoll ist, hier Tonnen von Des infektionsmitteln, von giftigen Desinfektionsmitteln zu ver sprühen und zu verteilen. Das fragt man sich nicht, meine Da men und Herren. Das interessiert auch niemanden. Es soll nicht etwas getan werden, weil es sinnvoll ist, weil der Bür ger denkt: „Das, was ich mache, ist sinnvoll.“ Vielmehr soll der Bürger das machen, weil die Regierung es anordnet.

(Vereinzelt Beifall)

Solche Bürger will man erziehen, meine Damen und Herren. Das ist antidemokratisch bis zum Gehtnichtmehr.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, sind die Eingrif fe, die Sie hier in die Grundrechte vornehmen, wirklich das

Schlimmste, was in der Bundesrepublik Deutschland je ge schehen ist. Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Selbst wenn die Seuche so gefährlich wäre, wie Sie es darstellen, wäre sie diese Maßnahmen nicht wert. Das müssen wir wesentlich dif ferenzierter behandeln.

Meine Damen und Herren, ich rufe immer wieder dazu auf: Kehren wir endlich zurück zur Normalität, zu etwas, was die sen Namen verdient – nicht zu dem, was man uns hier als neue Normalität verkaufen will.

(Vereinzelt Beifall)

Hören wir also endlich auf – –

Herr Abg. Dr. Gedeon, Ihre Redezeit ist beendet.

Ja. – Meine Da men und Herren, denken Sie daran: Das Leben ist nun einmal gefährlich. Dazu gehört auch, dass wir uns dem Risiko von Viren und von Bakterien aussetzen. Wer meint, in einer Glas glocke leben zu müssen – –

(Vereinzelt Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Für die Landesregierung er teilte ich das Wort Herrn Minister Lucha.

(Zuruf: Aber Hochdeutsch!)

Werte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Selbstverständlich sind uns al len die wirtschaftlichen Auswirkungen der erfolgten Betriebs schließungen sehr bewusst. Sie werden uns auch jeden Tag aufs Neue bewusst. Sie waren aber zwingend erforderlich, um die Coronapandemie einzudämmen und damit vor allem schwere Erkrankungsverläufe und Todesopfer zu verhindern.

(Beifall)

Sie waren erforderlich, um Leben zu retten. Den wirtschaftli chen Einschränkungen und Auswirkungen der Coronapande mie wurde – Sie auf der demokratischen Seite haben es dan kenswerterweise alle erwähnt – mit umfangreichen finanziel len Soforthilfen und Hilfsprogrammen in Milliardenhöhe be gegnet.

Das Land hat dazu bis heute bereits 2,3 Milliarden € ausge zahlt, meine Damen und Herren, und da sind die Gelder, die heute auf dem Markt sind, noch gar nicht inkludiert. Darun ter – ich glaube, darauf legen wir alle sehr viel Wert – befan den sich unbürokratisch ausgezahlte, nicht rückzuzahlende – Kollege Filius – Soforthilfen für Soloselbstständige, kleine Unternehmen und Angehörige der freien Berufe als direkte Finanzhilfe zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen.

Meine Damen und Herren, das Land lässt seine Menschen und seine Betriebe nicht im Stich.

(Beifall)

Das von der AfD-Landtagsfraktion in Auftrag gegebene und von Dr. Ulrich Vosgerau erstellte Gutachten über vermeintli

che Entschädigungsansprüche aufgrund der durch die Coro naverordnungen erfolgten Betriebsschließungen ist zu ganz großen Teilen rechtlich nicht haltbar.

(Zuruf)

Es entspricht – das wurde von den Vorrednerinnen und Vor rednern erwähnt – weder der einschlägigen rechtswissen schaftlichen Literatur noch der jüngst ergangenen Rechtspre chung. Hier werden nämlich Rechtsgrundlagen und -ansprü che vermischt, deren Anwendungsbereiche und Tatbestands voraussetzungen bereits im Ansatz nicht erfüllt sind.

Das Infektionsschutzgesetz, IfSG, bietet mit § 28 Absatz 1 die Rechtsgrundlage für Betriebsschließungen als Schutzmaßnah men während einer Pandemie. Diese möglichen Schutzmaß nahmen dienen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetz gebers auch dem Schutz von bisher nicht kranken, krankheits- oder ansteckungsverdächtigen Personen und somit gezielt auch präventiven Zwecken.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht deshalb auch da von aus, dass § 28 Absatz 1 IfSG nach seinem Wortlaut, sei nem Sinn und Zweck und nach dem Willen des Gesetzgebers auch zu Maßnahmen gegenüber Nichtstörern ermächtigt. Das heißt ganz klar: § 28 Absatz 1 ermächtigt das Land, tätig zu werden, sofern es am Coronavirus Erkrankte in Baden-Würt temberg gibt.

Ja – ich wiederhole mich –, sowohl der VGH als auch Ober verwaltungsgerichte anderer Bundesländer haben daher jüngst in zahlreichen Eilrechtsschutzverfahren entschieden, dass die Betriebsschließungen einer verfassungsrechtlichen Verhält nismäßigkeitsprüfung standhalten dürften und standhalten werden. Sie waren und sind, soweit sie noch bestehen, zur Eindämmung der Coronapandemie geeignet, erforderlich und angemessen.

Unser Ministerium, das Ministerium für Soziales und Integ ration, hat als oberste Landesbehörde für das Infektionsschutz gesetz sämtliche theoretisch möglichen Entschädigungsan sprüche aufgrund der durch die Coronaverordnungen erfolg ten Betriebsschließungen umfassend geprüft. Es bestehen we der Ansprüche in direkter noch Ansprüche in analoger Anwen dung der Entschädigungsvorschriften des IfSG. Auch Ansprü che aus dem allgemeinen Polizeirecht oder aufgrund des ge wohnheitsrechtlich entwickelten allgemeinen Aufopferungs anspruchs oder aufgrund eines enteignenden bzw. enteig nungsgleichen Eingriffs sind hiermit zu verneinen.

Das hat – das wurde freundlicherweise schon ausgeführt – das Landgericht Heilbronn bereits am 29. April mit einem ersten einstweiligen Verfügungsverfahren bestätigt: Ein Verfügungs anspruch, ein Entschädigungsanspruch sei unter keinem Ge sichtspunkt ersichtlich. Auch das Landgericht Hannover – das wurde ebenfalls bereits erwähnt – hat mit Urteil vom 9. Juli eine entsprechende Klage eindeutig abgewiesen.

Beide Verfahren hatten insbesondere die von Dr. Vosgerau in seinem Gutachten behaupteten Entschädigungsansprüche zum Gegenstand. Diese wurden überzeugend zurückgewiesen. Es fehlt bereits am Anwendungsbereich bzw. zumindest an den Tatbestandsvoraussetzungen der von Dr. Vosgerau behaupte ten Ansprüche.

Lassen Sie es mich noch einmal betonen: Diese Betriebs schließungen – vor allem auch in der Gastronomie – waren erforderlich, um die Bevölkerung zu schützen.

Meine Damen und Herren, wir, die Landesregierung, werden weiterhin gemeinsam mit dem konstruktiv-demokratischen Teil dieses Hauses alles dafür tun, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu mildern.

Herr Kollege Haußmann, Ihre Zusammenfassung meiner Phi losophie, wie wir die nächsten Schritte angehen – kooperati ve, sektorenübergreifende Zusammenarbeit, Stärkung des ÖGD –, hat mich sehr gefreut. Die Koalitionsfraktionen ha ben jetzt eine Unterstützung der KV auf den Weg gebracht. Wir werden den ÖGD stärken.

Am Montag hatten wir die Taskforce „Corona“ mit allen Ver bänden und Versorgern. Wir werden eine Vereinbarung, einen Letter of Intent schließen, in der jeder seine Rolle erhält: von dem für acht Wochen ausreichenden Vorrat an PSA bis zu der Vereinbarung, dass es zukünftig in jedem Landkreis einen An sprechpartner bei der KV, der Kreisärzteschaft, den Kliniken, dem ÖGD gibt, um zu lernen, dass die Rädchen ineinander greifen, dass wir trotz einer zu erwartenden erhöhten Infekti onszahl ab Herbst, zu Beginn der Erkältungssaison, das Le ben weiterführen können und gleichzeitig die Infektion ein dämmen und sicherstellen, dass die Menschen behandelt wer den. Ich glaube, das ist unsere große Aufgabe. Wir haben viel gelernt, wir haben viel geleistet, und wir haben dabei die Men schen und die Betriebe zu keinem Zeitpunkt im Stich gelas sen.

Sie haben Brasilien, die USA und all die Länder erwähnt, in denen den chauvinistischen Autokraten, mit denen Sie sym pathisieren,

(Zurufe, u. a. des Abg. Daniel Rottmann AfD)

das Leben der Menschen komplett wurscht ist. Die haben überhaupt kein Interesse an den Menschen in ihrer Gesell schaft, sondern eifern ihrerseits einer Herrenmenschenideo logie nach. Das beste Beispiel ist Bolsonaro:

(Widerspruch bei der AfD)

Er als Sportler würde nicht erkranken. Da sehen Sie schon, welche Geisteshaltung dieser anerkannte Rassist hat.

(Beifall – Zuruf: Bravo!)