Ja, das Coronavirus bestimmt weiterhin unseren Alltag. Das derzeitige Infektionsgeschehen ist zum Glück überschaubar, und die ergriffenen Maßnahmen tragen Früchte. Das ist ein Verdienst unserer Landesregierung. Sie hat mit schnellen und zielgerichteten Maßnahmen im Krisenmodus ein Abflachen der Infektionskurve erreicht. Aber der ganz besondere Dank gilt den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, die so be sonnen und umsichtig in der Krise handeln.
Wir müssen trotz allem erkennen, dass die Pandemie keines wegs überstanden ist. Die Infektionszahlen können jederzeit wieder „aufflammen“; das zeigen die aktuellen Nachrichten aus anderen Bundesländern. Wir müssen uns bedauerlicher weise auf langfristigere Maßnahmen einstellen. Deshalb muss es jetzt darum gehen, Wege durch die Coronakrise zu finden.
Mit dem Gesetzentwurf „Gesetz über den Erlass infektions schützender Maßnahmen“ gehen wir hier einen wichtigen Schritt gemeinsam. Über den eingebrachten Änderungsantrag wird die Gültigkeit einer Rechtsverordnung zeitlich angemes sen begrenzt. Ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren:
verlängert werden. Überschreitet die Gültigkeitsdauer ei ner Verordnung zwei Monate, bedarf die Rechtsverord nung für die Fortgeltung der Gültigkeit der Zustimmung des Landtags in seiner nächsten regulären Sitzung.
Das wäre jetzt bereits am 30. September der Fall. Dann würde das Gesetz seine erste unmittelbare Anwendung finden. Soll te der Landtag seine Zustimmung nicht erteilen, „tritt die Ver ordnung nach Ablauf von weiteren vier Wochen außer Kraft“.
Es hat sich bestätigt und bewährt, dass die Exekutive mit Rechtsverordnungen gehandelt hat. Daher soll das Heft des Handelns weiterhin bei der Exekutive liegen. Im Sinne der Gewaltenteilung ist es völlig richtig, dass die Regierung die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr trifft. Mit dem vorliegenden Pandemiegesetz stärken wir der Exekutive den Rücken, weil wir ihr Handeln nachvollziehbar und transpa rent machen. Das Parlament ist in den Prozess eingebunden und kann auch seine Rechte, insbesondere seine Kontrollfunk tion gegenüber der Regierung, vollumfänglich ausüben. Von dem Zustimmungserfordernis nicht betroffen sind die Unter verordnungen.
Bei der Bekämpfung der Coronapandemie soll der Landtag künftig unverzüglich informiert werden. Rechtsverordnungen
müssen, nachdem sie beschlossen wurden, dem Landtag spä testens 24 Stunden nach Beschlussfassung zugeleitet werden. Dem Landtag wird die Möglichkeit eingeräumt, sich mit den Verordnungen im Plenum und durch einen beauftragten Aus schuss zu befassen; er kann damit auch hier seine verfassungs mäßigen Rechte ausüben. Der Ausschuss soll öffentlich und transparent agieren. Somit werden die Verordnungen dann in angemessener Weise im Landtag diskutiert. Wenn dies aus Zeitgründen vorab nicht möglich sein sollte, wird sich das Par lament mit den Verordnungen unverzüglich nach deren Erlass befassen.
Wir müssen ehrlich sein: Dieser Fall wird häufig eintreten, denn die Verordnungen müssen oft im Eilverfahren erstellt werden, um schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu kön nen. So bleibt die Landesregierung zur akuten Gefahrenab wehr auch bei Eilbedürftigkeit handlungsfähig, beispielswei se wenn in Fleischfabriken – wie gerade in Nordrhein-West falen – ein lokaler Infektionsherd eingedämmt werden muss. Das ist wichtig und richtig, denn ständig wechselnde kurzfris tige Abwehrmaßnahmen eignen sich nicht für das parlamen tarische Gesetzgebungsverfahren.
Die Wahrung der Haushaltshoheit hat auch Priorität. Entnah men aus der Rücklage, die im Einzelfall den Betrag von 7,5 Millionen € überschreiten, dürfen nur dann erfolgen, wenn der Finanzausschuss seine Zustimmung erteilt hat.
Mit diesen wichtigen Eckpunkten sichern wir die Entschei dungshoheit des Parlaments vor wesentlichen langfristigen Einschränkungen der Grundrechte.
Die erfolgreiche Bewältigung der Coronakrise geht das Par lament in seinem ganzen demokratischen Spektrum an. Die Krise fordert uns, ja das ganze Land heraus und wird uns auch noch lange beschäftigen.
Abschließend darf ich mich nochmals bei allen Beteiligten – der CDU, der SPD, der FDP/DVP und uns Grünen – bedan ken, dass es ermöglicht wurde, diesen gemeinsamen Gesetz entwurf nunmehr zur Abstimmung zu stellen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Monaten haben wir alles getan, um die Folgen der Coronapandemie ab zufedern und dem Virus Paroli zu bieten. Wir konnten damit Tausende Menschen vor Infektionen schützen. Wenn wir in andere Länder schauen, stellen wir fest, dass dieser Weg nicht ganz falsch gewesen sein kann. Ich denke, die Zahlen geben uns recht.
Wir wollen auch weiterhin verantwortlich mit der Situation umgehen. Das heißt: So viel Freiheit wie möglich und so viel Beschränkung wie nötig.
Die Menschen in Baden-Württemberg haben eine Solidarität gezeigt, die wirklich beispielhaft ist. Dafür danken wir ihnen ganz herzlich.
Danken möchte ich aber auch der Landesregierung und vor allem den Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in dieser Zeit unter Hochdruck und oft bis an die Belas tungsgrenze arbeiten. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön.
Bislang war die Bekämpfung der Pandemie eine Stunde der Exekutive. Die Voraussetzungen dafür, schnell, zielgenau und dynamisch auf die Lage zu reagieren, haben wir am 19. März hier im Haus geschaffen.
Allerdings sind wir hier in großer Mehrheit nun der Meinung, dass das Parlament künftig besser eingebunden und auch be teiligt werden muss. Wir müssen über Gebote und Verbote, über Beschränkungen und Lockerungen zukünftig hier im Par lament oder im Ausschuss beraten, und zwar bevor sie in Kraft treten. Wir brauchen eine stärkere Balance: auf der einen Sei te die Handlungsfähigkeit der Regierung und auf der anderen Seite die demokratische Legitimierung der Verordnungen hier im Parlament. Dafür schaffen wir heute den rechtlichen Rah men.
Meiner Fraktion und mir selbst war es sehr wichtig, dass wir das in großer Mehrheit beschließen. Deswegen habe ich auch dafür geworben, dass wir in den Punkten, die uns – Regie rungsfraktionen auf der einen Seite und Oppositionsfraktio nen auf der anderen Seite – noch getrennt haben, zusammen finden. Ich freue mich, dass uns das mit dem vorliegenden Än derungsantrag auch gelungen ist.
Was ändert sich gegenüber dem zur Ersten Beratung vorge legten Entwurf? Zum einen soll die Zustimmung zu einer Rechtsverordnung nun regelmäßig innerhalb von zwei statt innerhalb von drei Monaten erfolgen, und zum Zweiten müssen die Rechtsverordnungen dem Parlament spätestens 24 Stun den nach der Beschlussfassung vorgelegt werden.
Für eine Regelung zu den öffentlichen Ausschusssitzungen hätten wir die Bitte, dass wir diese über die Geschäftsordnung und nicht über ein Gesetz treffen. Das können wir dann nach der parlamentarischen Sommerpause tun.
Wir sorgen dafür, dass die Landesregierung handlungsfähig bleibt, aber auch das Parlament dabei eine gewichtige Rolle spielt. Ich denke, wir werden damit unserer Verantwortung als Parlament gerecht. Ich bedanke mich herzlich für die gute Zu sammenarbeit und die Einigkeit in dieser Frage.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die Ge setzentwürfe für ein Pandemiegesetz aus den Reihen der de mokratischen Opposition und der Regierungsfraktionen wur de in der Ersten Beratung hier im Parlament emotional ge führt, will ich einmal vorsichtig formulieren. Aber letztend lich geht es bei den hier aufgeworfenen Fragestellungen um den Kern unseres demokratischen Rechtsstaats, unserer par lamentarischen Demokratie und gerade auch um die Gewal tenteilung zwischen Parlament und Regierung.
Ich kann es immer wieder nur wiederholen: Unsere Verfas sungsordnung sieht nicht vor, dass eine Landesregierung dau erhaft per Verordnung und ohne parlamentarische Kontrolle regiert, zumal wenn damit erhebliche Grundrechtseinschrän kungen einhergehen.
Die SPD-Fraktion hat einen eigenen Gesetzentwurf einge bracht, der die Rechte unseres Parlaments im Zuge eines ab gestuften Verfahrens politisch, aber auch verfassungsrechtlich in, wie ich finde, absolut angemessener Weise auf ein geord netes Fundament stellt und insoweit die Beurteilung der We sentlichkeit von Grundrechtseingriffen einem Parlamentsvor behalt unterwirft, ohne jedoch – das war uns auch wichtig – die Effizienz der Gefahrenabwehr im Rahmen des Pandemie schutzes zu gefährden.
Wir haben aber auch deutlich gesagt, dass wir uns Gesprächs angeboten aus den Regierungsfraktionen nicht verschließen würden, da wir es auch begrüßen würden, wenn ein Gesetz, in welchem es um die Stärkung parlamentarischer Rechte geht, auch mit breiter Mehrheit im Landtag beschlossen wer den könnte.
Klar war aber auch: Man muss uns entgegenkommen. Der ur sprüngliche Entwurf aus den Reihen der Regierungsfraktio nen hätte ungeachtet der dogmatisch anderen Herleitung fak tisch bis zu vier Monate parlamentsfreies Regierungshandeln im Zuge einer Pandemie ermöglicht. Das war der entschei dende Knackpunkt, und ein solcher Zeitraum war uns an die ser Stelle auch deutlich zu lang. Offenbar haben das auch die Regierungsfraktionen erkannt und sich in dieser Frage auf SPD und FDP/DVP zubewegt.
Gerüchteweise gab es bei Ihnen Abgeordnete, die uns dafür vielleicht sogar dankbar waren. So konnte man sich auf die sem Weg auch in den Regierungsfraktionen vergewissern, Teil eines wirklich souveränen Landtags zu sein, und sich ein klein wenig auch von den, ich sage mal, freundlichen Empfehlun gen aus dem Regierungskabinett emanzipieren.
Wie dem auch sei, das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Fraktionen steht heute nun in einem gemeinsamen Ände rungsantrag von SPD, FDP/DVP, CDU und Grünen zur Ab stimmung. Warum haben wir dem Kompromiss zugestimmt? Wir konnten in den Verhandlungen durchsetzen, dass von nun an eine unmittelbar auf der Basis des Infektionsschutzgeset zes erlassene Verordnung spätestens nach zwei Monaten durch den Landtag bestätigt werden muss. Nach geltender Rechts lage gibt es keine Verpflichtung, den Landtag überhaupt zu konsultieren, oder gar ein Zustimmungserfordernis – also eine deutliche Verbesserung gegenüber der aktuellen Rechtslage.
Die Landesregierung kann momentan noch – man kann, wie gesagt, darüber sagen, was man will – schalten und walten, wie sie möchte. Hier werden nun gesetzliche Eckpfeiler ein gezogen, die nach relativ kurzen zeitlichen Intervallen eine Zustimmung des Landtags zu den Maßnahmen zur Pandemie bekämpfung erforderlich machen.
Darüber hinaus konnten wir uns auch mit unserer Forderung nach einer Berichtspflicht des Finanzministeriums durchset zen, wonach das Finanzministerium zukünftig dem Finanz ausschuss Rechenschaft ablegen muss, welche Ausgaben die
Landesregierung mit den vom Landtag bewilligten Geldern zum Zwecke des Pandemieschutzes getätigt hat. Auch das ist aus unserer Sicht ein Mehr an parlamentarischer Kontrolle.
Für unsere Zustimmung entscheidend war auch, dass uns zu gesichert wurde, dass die Regierung im September, in der ers ten regulären Landtagssitzung nach der parlamentarischen Sommerpause, in einer sogenannten Bereinigungssitzung die Zustimmung des Landtags zu der zu diesem Zeitpunkt gelten den Corona-Grundverordnung einholen muss.
Um auch für diese Debatte unsere Erwartungshaltung noch einmal deutlich zu machen: Es wird insbesondere darum ge hen, den Menschen im Land anhand der Kriterien, des Maß stabs der Verhältnismäßigkeit zu erklären, warum eine ent sprechende Maßnahme verordnet wird bzw. wurde und wie die betroffenen Grundrechte gegeneinander abgewogen wur den und zukünftig werden. Das ist für uns ein entscheidender Punkt.
Es ist uns gelungen, die Punkte, die uns wichtig waren, in den Entwurf der Regierungsfraktionen hineinzuverhandeln. Des wegen werden wir dem Gesetz auch im Gesamten zustimmen, auch wenn es naturgemäß durchaus weitere Punkte gibt, die wir auch noch gern geändert hätten. Aber das ist nun einmal die Natur eines Kompromisses.
Der Kompromiss ist auch ein starkes Zeichen – ich glaube, darüber sind wir uns hier auch einig – aus der Mitte des Land tags in dieser nach wie vor sehr, sehr schwierigen Situation im Land Baden-Württemberg, in Deutschland, aber auch welt weit. Und ich glaube, es ist ein gutes Signal, das wir heute, wenn wir diesem Gesetz zustimmen, ins Land hinaussenden werden.
Ungeachtet dessen sind wir, die SPD, weiterhin der Auffas sung, dass der Landtag bei besonders gravierenden Grund rechtseinschränkungen von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen sollte, den Entwurf eines verordnungser setzenden Gesetzes einzubringen, und zwar immer dann, wenn dies der verfassungsrechtliche Wesentlichkeitsgrundsatz er fordert. Denn wir sind weiterhin davon überzeugt, dass tief greifende oder dauerhafte Eingriffe in Grundrechte durch ein formelles Gesetz beschlossen werden müssen.
Zum Abschluss möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich im Namen meiner Fraktion bei allen Beteiligten, auch in den Fraktionen von Grünen, CDU und FDP/DVP, zu bedanken. Es waren sehr konstruktive Verhandlungen. Man hat sich auf einander zubewegt. Ich glaube, das muss man an dieser Stel le auch einmal besonders erwähnen. Es ist durchaus ein posi tives Signal, das auch wir, die SPD, aus den Reihen der Op position hier wahrgenommen haben.