Protokoll der Sitzung vom 30.09.2020

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und wenn sie nicht gestorben sind,...!)

Ja, meine Damen und Herren, jetzt ist es richtig, expansiv zu agieren. Das tun wir. Weil wir in der Vergangenheit konsoli diert haben, können wir uns das heute auch leisten.

Aber es kommen hoffentlich auch wieder gute Zeiten. Bei den Krediten – das wissen Sie – nach der Konjunkturkomponen te wird die Tilgung automatisch vorgegeben, bezüglich der Verschuldung nach der Ausnahmekomponente entsprechend dem gesetzlich zu verankernden Tilgungsplan.

Meine Damen und Herren, wir haben also in Baden-Württem berg alle Voraussetzungen, um diese Krise gut zu bewältigen. Mit diesem Nachtrag schaffen wir dafür die finanzielle Grund lage. Das ist wichtig.

Noch wichtiger aber ist, dass wir die Stärken des Landes Ba den-Württemberg weiterhin mobilisieren, um dem Virus und seinen Folgen zu trotzen. Wir sind noch nicht über den Berg, wir sind noch mitten in der tiefsten Krise seit Bestehen unse res Landes. Aber wenn wir alle weiter besonnen bleiben, auf einander Rücksicht nehmen, das „Wir“ vor das „Ich“ stellen, Verantwortung wahrnehmen, Solidarität leben und entschlos sen handeln, dann können wir diese Krise gut durchstehen. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Gemein sam bekommen wir das hin.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Zur Begründung des Ge setzentwurfs der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU, Drucksache 16/8834, hat zunächst Herr Fraktionsvorsitzen der Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Nachtragshaus halt führen wir Baden-Württemberg gut aus der Krise. Denn wir befinden uns noch immer in der Pandemie. Die Corona krise dauert an. Viele Länder melden steigende Rekordzah len. Bei unserem direkten Nachbarn, in Frankreich, sind es über 16 000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden,

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Unlauter!)

mehr als 50 Tote. Es besteht daher kein Zweifel: Die Natur katastrophe, mit der wir es hier zu tun haben, ist und bleibt ei ne der größten Bedrohungen unserer Zeit.

Deswegen müssen wir weiter handeln. Denn wir wollen, dass Baden-Württemberg gut durch diese Krise kommt, dass wir

alle gut durch diese Krise kommen, dass unser Land gestärkt aus der Krise hervorgeht. Stärker aus der Krise – darum geht es. Deswegen ist der Haushalt, den wir jetzt vorlegen, dafür das richtige Instrument.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Dieser Nachtragshaushalt enthält genau die Maßnahmen, die jetzt notwendig sind, damit unser Land stärker aus der Krise kommt. Wir handeln besonnen, beherzt und entschlossen, und mit dem Nachtragshaushalt beweisen wir das. Frau Finanz ministerin, ich bin Ihnen und Ihrem Team dankbar, dass Sie diesen Nachtragshaushalt innerhalb so kurzer Zeit vorgelegt haben. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Grüne Finanzpolitik ist für mich durch den sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit dem Geld der Bürgerinnen und Bür ger gekennzeichnet. Deswegen haben wir die Schuldenbrem se in der Landesverfassung verankert. Deswegen haben wir damit begonnen, erstmals Schulden zurückzuzahlen. Diese Grundsätze gelten nach wie vor, sie gelten weiterhin.

Sie können sich vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass eine zusätzliche Kreditaufnahme da erst mal querliegt. Diese Kredite belasten künftige Generationen, sie schränken deren Handlungsspielräume ein. Ich habe mich nicht leicht getan, diesen neuen Schulden zuzustimmen. Da kann ich auch für meine Fraktion sprechen. Wir haben intensiv darüber dis kutiert, ob wir die Möglichkeiten der Schuldenbremse zur Kreditaufnahme nutzen sollten. Wir haben uns dazu auch ex ternen Rat eingeholt. Im Endeffekt sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es jetzt darauf ankommt, alles dafür zu tun, dass Baden-Württemberg aus dieser Krise gestärkt hervorgeht. Letztendlich ist das im Sinne der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit. Wenn wir jetzt nichts tun würden, könnte sich jeder das Ergebnis ausmalen. Das wäre fatal für unser Land. Nicht zu handeln ist teurer, als jetzt beherzt ein zugreifen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Hier in Baden-Württemberg handeln wir nicht allein, sondern in einer Verantwortungsgemeinschaft aus Land und Kommu nen. Gemeinsam mit den Kommunen haben wir ein kommu nales Stabilisierungspaket aufgelegt. Das ist gut für BadenWürttemberg, denn Baden-Württemberg ist das Land starker und eigenständiger Städte, Gemeinden und Landkreise. Das ist eine zentrale Zutat des baden-württembergischen Erfolgs rezepts. Damit das so bleibt, damit die Kommunen in der Kri se handlungsfähig bleiben, damit sie danach gestärkt aus der Krise gehen, stellen wir ihnen aus der Landeskasse knapp 3 Milliarden € zusätzlich zur Verfügung.

Dabei geht es um eine Stärkung der Gesundheitsinfrastruktur, um Kliniken und Gesundheitsämter. Es geht darum, ausfal lende Steuereinnahmen abzudecken und die Investitionskraft der Kommunen gerade jetzt zu erhalten. Ich meine es ernst, wenn ich sage: Wir lassen die Kommunen nicht im Stich. Mit uns haben die Kommunen einen verlässlichen Partner an der Seite.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Von diesen knapp 3 Milliarden € müssen noch 2,2 Milliar den € finanziert werden. Hierfür werden nun Kredite aufgrund der Naturkatastrophenregelung der Schuldenbremse benötigt. Wir werden das machen. Wir haben diesen Schritt gründlich abgewogen und werden ihn gehen, denn starke und hand lungsfähige Kommunen sind uns wichtig.

Neben der Stärkung der Kommunen enthält dieser Nachtrags haushalt zwei weitere große Bausteine, damit Baden-Würt temberg gestärkt aus der Krise kommt. Das betrifft zum einen die Vorsorge. Zu einer sorgsamen Haushaltspolitik gehört es, Vorsorge für absehbare Risiken zu treffen. Das ist uns Grünen wichtig.

Deswegen ist es auch richtig, dass wir eine hohe Rücklage für die Pandemievorsorge schaffen. Diese wird 800 Millionen € umfassen. Denn niemand von uns weiß, wie es mit der Pan demie weitergeht, wie lange wir mit dem Virus leben müssen. Bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich doch der ba den-württembergische Weg auch im internationalen Vergleich gut bewährt. Doch die Fallzahlen steigen wieder an. Noch sind es vorwiegend jüngere Menschen, die sich anstecken. Aber ob das im Herbst und im Winter so bleibt, kann niemand sa gen. Gerade deshalb ist eine hohe Vorsorge für die Pandemie bekämpfung so wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Denn mit dieser Rücklage für die Pandemievorsorge sind wir gewappnet, wenn es darum geht, Schutzausrüstung anzuschaf fen, zusätzliche Tests zu finanzieren und durchzuführen, die Kliniken zu stärken oder hoffentlich in naher Zukunft ein Netzwerk für die Impfung gegen das Virus aufzubauen und den Impfstoff dafür einzukaufen. Hier geht es um die Gesund heit der Menschen, und deswegen sorgen wir vor.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Coronakrise, liebe Kolleginnen und Kollegen, überdeckt die weiter drängende Klimakrise. Wir haben erst heute Vor mittag darüber gesprochen. Die Coronakrise beschleunigt auch den Strukturwandel in den Kernbranchen unserer mit telständischen Wirtschaft. Es wäre falsch, hier nicht zu han deln. Gerade jetzt müssen wir Geld in die Hand nehmen, da mit Baden-Württemberg stärker aus der Krise kommt.

Der dritte Baustein dieses Haushalts ist deswegen ein Inves titionsprogramm „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“. Für ganz gezielte Investitionen in die Zukunft unseres Landes stellen wir im Nachtragshaushalt 1,2 Milliarden € zur Verfü gung. Dabei ist klar: Sollte sich zeigen, dass unsere Risiko vorsorge nicht ausreicht, dann hat die Pandemiebekämpfung Priorität; dann können Mittel in die Pandemierücklage über führt werden.

„Stärker aus der Krise“, so lautet unser Investitionsprogramm. Wie haben wir entschieden, welche Maßnahmen in diese Pro gramme fallen? Für mich gab es da zwei einfache Kriterien. Erstens: Ist die Maßnahme sofort, ist sie zügig umsetzbar? Und zum Zweiten: Trägt die Maßnahme dazu bei, BadenWürttemberg gesünder oder nachhaltiger zu machen oder wirtschaftlich zu stärken?

Ich finde, das Ergebnis kann sich sehr gut sehen lassen. Mit bw-invest haben wir ein großartiges, ein branchenoffenes Pro gramm aufgelegt, um innovative Ideen aus der Wirtschaft zu fördern. Wir nehmen den Klimaschutz und den notwendigen Wandel unserer Kernbranchen hin zu Nachhaltigkeit ernst. Deswegen haben wir Vorhaben hinterlegt, die nachhaltige Mo bilität stärken, Digitalisierung grüner machen, die Ressour ceneffizienz erhöhen. Neben den ökologischen Herausforde rungen gilt es, unser Land bei den Themen „Künstliche Intel ligenz“ und Digitalisierung an die Spitze zu bringen. Hierzu zählt auch, dass wir für die Anbindung der Schulen an das Breitbandnetz nochmals weitere 50 Millionen € hinterlegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Kernstück des Programms „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ liegt für mich jedoch in dem Bereich, dessen Bedeutung uns die Coronakrise nahegebracht hat. Es geht hier um die Gesundheitswirtschaft. Im Bereich der Medizintech nik, der personalisierten Medizin und bei den Universitätskli niken zünden wir jetzt eine neue Innovationsstufe. Ähnlich wie beim Cyber Valley für künstliche Intelligenz bauen wir einen Innovationscampus „Medizin und Lebenswissenschaf ten“ auf. Wir verbinden hier die Spitzenforschung mit der An wendung und höchste Innovationsfähigkeit mit der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Gleichzeitig bauen wir die sektorenübergreifende Versorgung aus, stärken die Hochschul medizin und unterstützen neuartige Ansätze wie etwa die per sonalisierte Medizin.

All das trägt dazu bei, dass das Zukunftsland Baden-Württem berg stärker, gesünder und mit hoher Innovationskraft aus der Krise kommt. Meine Damen und Herren, da sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf von den Grünen: Richtig!)

Lassen Sie mich noch auf zwei Punkte eingehen. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass die Coronapandemie eine Na turkatastrophe ist, die entsprechende zusätzliche Maßnahmen und Kreditaufnahmen notwendig macht. Ich kann daher nicht nachvollziehen, dass das jetzt infrage gestellt wird. Wir sind weiter in der Pandemie, wir sind weiter in dieser Naturkatas trophe. Unsere gemeinsam beschlossenen Regeln gelten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Zum anderen möchte ich auf die Tilgung zu sprechen kom men. Bekanntermaßen müssen wir einen Tilgungsplan vorle gen. Ich habe vorhin angesprochen, dass wir uns externen Rat geholt haben. Wir haben auch in andere Länder geschaut. An dere Länder, auch führende Ökonomen, schlagen eine Tilgung über 60 Jahre vor. Das würde aber Haushalte, auch Landes haushalte bis weit in die nächste oder übernächste Generati on belasten. Das ist für mich nicht generationengerecht, nicht nachhaltig. Deshalb haben wir die Vorschläge mit einer Til gung über 50 oder 60 Jahre abgelehnt.

Auch hier gilt es, Maß und Mitte als Maßstab für die Orien tierung vorzusehen. Deswegen wollen wir im Jahr 2024 mit der Tilgung beginnen. Wir schlagen einen Tilgungszeitraum von 25 Jahren vor. In unseren Augen ist das realistisch. Wir

haben so eine Chance, die jetzt aufgenommenen Schulden zu rückzuzahlen, ohne den Handlungsspielraum des Landes in den nächsten Jahren zu sehr einzuschränken.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Tobias Wald CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen wir diese Entschei dung, die jetzt vor uns liegt, mit Demut und gemeinsam an – gemeinsam mit den Kommunen, gemeinsam mit der Wirt schaft. Dazu lade ich Sie herzlich ein – auch gemeinsam hier im Haus –, damit Baden-Württemberg stärker aus der Krise kommt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Nun hat Herr Fraktions vorsitzender Professor Dr. Wolfgang Reinhart das Wort für die CDU.

(Abg. Karl Zimmermann CDU lehnt sich über die Brüstung der Zuhörertribüne.)

Vorsicht da oben. Nicht herunterfallen.

(Zurufe, u. a. Abg. Andreas Stoch SPD: Zimmer mann, setzen!)

Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Blick ins Land, zu un seren Nachbarn und in die ganze Welt zeigt: Corona lässt uns nicht los. Das Virus bleibt gefährlich. Die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen verlangt uns weiter alles ab. Wir haben dieser Tage gehört, dass in Madrid in zwei Wochen auf 100 000 Einwohner 770 Neuinfektionen kommen. Dieser Wert liegt weit über dem Wert von 50, der für uns die rote Ampel darstellt.

Die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg ist im ersten Halbjahr nicht, wie bundesweit für das ganze Jahr prognosti ziert, um 5,8 %, sondern – preisbereinigt, nach neuesten Zah len – um 7,7 % zurückgegangen. Nur Bremen und das Saar land verzeichnen einen noch stärkeren Rückgang. Das heißt, 13 Länder haben beim BIP im ersten Halbjahr einen geringe ren Rückgang als Baden-Württemberg. Wir sind also gerade im Bundesvergleich von diesem Coronaknick sehr stark be troffen.