Protokoll der Sitzung vom 30.09.2020

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Zweitens legen wir noch ein starkes Innovations- und Inves titionsförderprogramm für all die mittelständischen Unterneh men in unserem Land auf, um sie in Forschung und Entwick lung in den ganzen Zukunftstechnologien zu unterstützen.

Drittens investieren wir in neue Mobilität und in die ökologi sche Transformation des gesamten Verkehrs- und Mobilitäts sektors. Zum einen müssen wir Baden-Württemberg klimaneu tral machen, zum anderen müssen wir auch auf diesem Gebiet mit ressourcen- und energiesparenden Produkten die Nase vorn haben.

Viertens setzen wir einen Schwerpunkt auf Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Denn diese Technologien haben wohl die stärkste Veränderungskraft, die der technische Fort schritt je aufgewiesen hat. Wir haben mit dem Cyber Valley schon einen weltweit beachteten Leuchtturm. Das haben alle begriffen. Die Kanzlerin hat sich das letztens zwei Stunden angeschaut. Auch da können wir mit guten Investitionen vom Bund rechnen. Ich glaube, nach dem Debakel mit der Batte rie ist angesagt, dass jetzt wenigstens in diesem Bereich wirk lich richtig investiert wird.

Wenn Sie sich diese vier Schwerpunkte anschauen, dann möch te ich gern mal wissen, was dagegen einzuwenden ist. Das ge schieht weder mit der Gießkanne, noch werden irgendwelche Wahlgeschenke verteilt. Es ist einfach der übliche Vorwurf. Aber den müssen Sie doch einmal untermauern.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Der ist doch sichtbar!)

Wenn wir jetzt irgendwelche speziellen Gruppen, die uns na hestehen, bedient hätten, hätte der Vorwurf ja irgendeinen Ge halt. Aber das ist doch mitnichten der Fall, sondern das sind alles Investitionen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Es geht überhaupt nicht um konsumtive Ausgaben, es sind al les Investitionen in wichtige Zukunftsbereiche,

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

Kernbereiche unserer Wirtschaft, die wir mit den beiden gro ßen Leitlinien Digitalisierung und Dekarbonisierung unter stützen und auf Vordermann bringen.

(Abg. Anton Baron AfD: Ach so! Und was hat das mit der Pandemie zu tun?)

Ich weiß nicht, was dagegen einzuwenden sein soll.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wollen Sie denn die Weiterbildungsoffensive streichen? Da ran haben Sie doch gerade Kritik geübt, Herr Stoch.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Bitte?)

Herr Rülke, wollen Sie etwa streichen, dass wir die Wasser stoffinfrastruktur auf Trab bringen?

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist doch Mäusefutter! – Abg. Anton Baron AfD: Was hat das mit der Pandemie zu tun?)

Das sind alles Maßnahmen, die im Nachtrag stehen. Die Bei spiele, die Sie genannt haben, sind Mäusefutter. Das ist Fut ter für die Elefanten und für die Tiger in unserem Land.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: In der Höhle der Löwen! – Abg. Rudi Fischer FDP/DVP: Sie hätten schon vor fünf Jahren in die Wirtschaft investieren können! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Kretschmann hat das Wort. Ich bitte um Ruhe.

Ein Satz des ehemaligen Daimler-Chefs Zetsche hat bei mir gesessen:

(Abg. Anton Baron AfD: Super!)

„Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht.“ Wenn so etwas der Chef des führenden Unternehmens dieses Lan des sagt, dann wissen wir, was die Stunde geschlagen hat. Dann wissen wir, man kann sich auf den Erfolgen der Vergan genheit nicht einfach ausruhen.

(Abg. Anton Baron AfD: Keine Ratschläge von der Politik!)

Wir müssen die Nase vorn behalten in einem Wettbewerb, in dem die Welt unter neuen Playern ganz neu strukturiert wird, gerade was künstliche Intelligenz und Digitalisierung betrifft. Ich verweise auf die großen IT-Konzerne aus dem Silicon Val ley und auf das, was China macht. Wir müssen auf der Grund lage unserer Werte einen europäischen Weg in diese Schlüs seltechnologien finden. Nur wer mitkocht, hat auch etwas zu sagen; wer nicht mitkocht, der steht zum Schluss auf der Spei sekarte.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deswegen legen wir auf der Grundlage der Konjunkturkom ponente dieses ambitionierte Programm für Investitionen in Kernbereiche unserer Wirtschaft, in Kernbereiche unserer In frastruktur, in Kernbereiche von Forschung und Entwicklung auf. Dafür haben wir dieses Zukunftsprogramm aufgestellt.

Ich weise noch mal auf den Satz von Volkmar Denner hin: „Was wir können, ist Strukturwandel. Was wir nicht können, ist Strukturbruch.“

Unseren Schlüsselindustrien dabei Unterstützung zu leisten, dass sie nicht in einen Strukturbruch geraten, sondern diesen harten Strukturwandel meistern können, das ist ein ambitio niertes Programm. Diese Koalition kann, glaube ich, stolz da rauf sein, dass sie das gemeinsam erkannt hat, gemeinsam handelt und gemeinsam diese Schritte einleitet. Dann können wir das, was wir hier machen, auch vor den zukünftigen Ge nerationen verantworten.

Ich denke, auch der Tilgungszeitraum ist richtig gewählt – an fänglich waren es zehn Jahre. Weil sich die Aufnahme jetzt noch einmal erheblich steigert, ist es wichtig, die Tilgung sinn voll zu strecken, damit wir auch in Zukunft handlungsfähig bleiben. Denn es stehen ja weitere große Herausforderungen wie der Klimawandel vor uns.

Meine Damen und Herren, ich glaube, in einer solchen Situ ation können nicht die normalen Maßstäbe gelten, wie wir sie außerhalb einer Krise sonst haben. Es war uns wichtig, dass die hier vertretenen Fraktionen – SPD, FDP/DVP und die bei den Koalitionsfraktionen – gemeinsam die Verantwortung in

der Krise übernommen haben. Das möchte ich auch noch ein mal ausdrücklich würdigen: Damit haben Sie uns auch die Möglichkeit gegeben, für die Kommunen das, was wir damals in dieser Weise noch nicht abschätzen konnten, jetzt nachzu tragen.

Ich denke, wir lassen uns von der staatspolitischen Verantwor tung leiten, die wir für dieses Land haben. Das hat unser Land in dieser Ausnahmesituation verdient, und das ist das richtige Signal für das gemeinsame Ziel, dass Baden-Württemberg wieder stark aus der Krise herauskommt.

Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen – Beifall bei Ab geordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, nachdem Herr Ministerpräsident Kretschmann das Wort er griffen hat, löst dies nach § 82 Absatz 4 unserer Geschäftsord nung eine Fraktionsvorsitzendenrunde aus.

Ich erteile für die SPD-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich glaube, nie mand in diesem Haus – die SPD-Fraktion und ich persönlich am allerwenigsten – wird bestreiten, dass wir im Moment ei ne Ausnahmesituation in unserer Gesellschaft, in unserer Wirt schaft, für unser Leben zu bewältigen haben. Deswegen wa ren viele Teile dessen, was Sie gerade ausgeführt haben, für mich weit am Thema vorbei, weil Sie sehr heftig und emoti onal den Eindruck erweckt haben, als ob wir – jedenfalls für uns kann ich sagen, dass das definitiv nicht der Fall ist – ir gendeine Kritik daran üben würden, dass – so habe ich vor hin meine Rede begonnen – ein funktionsfähiges Gemeinwe sen, ein Staat eine besondere Verantwortung hat, eine solche Situation auch zu meistern.

Deswegen haben mich einige Ihrer Aussagen überrascht. Denn ich habe in meiner Rede ausdrücklich gesagt – und dabei auch Bezug auf Aussagen von Ihnen genommen –, dass man gegen eine Krise nicht ansparen kann. Vielmehr müssen wir gerade jetzt auf allen staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Kom munen – alles dafür tun, dass aufgrund der Brüche, die durch Corona entstanden sind, nicht ein nachhaltiger wirtschaftli cher Schaden entsteht. Daran gibt es aus meiner Sicht über haupt keinen Zweifel.

Aber auf die Punkte, die vorhin in meiner Rede und auch bei anderen Rednern hier eine Rolle gespielt haben, sind Sie gar nicht eingegangen. Denn hier steht nicht zur Diskussion, ob wir handeln müssen, sondern die entscheidende Frage ist die nach dem Wie. Ich habe einige haushaltspolitische Fragestel lungen aufgeworfen. Darauf habe ich weder von Ihnen noch von Ihrer Finanzministerin eine Antwort bekommen.

(Ministerin Edith Sitzmann: Kommt alles noch! Aber nicht heute!)

Der erste Punkt – und daran knüpft sich eben schon die Fra ge, ob und in welchem Umfang Schulden aufgenommen wer den müssen – drängt sich nach der aktuellen Denkschrift des Rechnungshofs geradezu auf: Wie viele ungebundene, weil

rechtlich nicht gebundene Haushalts- und Ausgabereste fin den sich in den Haushalten der Ministerien? Diese Frage kann ein Haushaltsgesetzgeber, kann der Landtag von Baden-Würt temberg nicht nur legitimerweise stellen, sondern muss dies aus meiner Sicht auch tun.

Denn wenn der Rechnungshof bei der Prüfung in den Minis terien feststellt, dass die Schutzbehauptung, hier seien recht liche Bindungen vorhanden, in ganz erheblichem Umfang nicht zutrifft, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, arbeiten Sie haushaltspolitisch unsolide, weil Sie die Reste nicht einsetzen, um neue Verschuldung zu vermeiden.

Der Verdacht drängt sich natürlich auf, dass Sie diese Reste deswegen in den einzelnen Häusern lassen, um dann, wenn es Ihnen politisch opportun erscheint, entsprechend zu investie ren. Das Eichhörnchenprinzip kann aber nach der baden-würt tembergischen Haushaltsordnung nicht funktionieren. Des halb wollen wir Antworten von Ihnen, Frau Finanzministerin.

(Beifall bei der SPD)

Wir kommen erst dann, wenn wir diese Vorfragen geklärt ha ben, zu der Frage, in welcher Höhe wir Verschuldung brau chen.

Herr Ministerpräsident, von mir haben Sie bei einigen Punk ten Kritik gehört, weil wir den Zusammenhang mit der Be wältigung der Coronakrise nicht nachvollziehen können.

Allerdings haben wir natürlich auch im Konjunkturpaket des Bundes, das ein weit größeres Volumen hat, an verschiedenen Stellen Investitionen – gerade Investitionen in die Zukunft, Investitionen in Branchen, in denen wir im Moment ein gro ßes Problem haben, weil ein Strukturwandel ansteht oder be reits im Gange ist oder gar Strukturbrüche drohen.

Deswegen werden Sie, wenn es sinnvolle Investitionen sind – auch komplementär zu den Investitionen des Bundes –, von uns keine Kritik hören, z. B. wenn es um Investitionen in Was serstofftechnologie oder in Batteriezellenforschung und -tech nik geht. Wir in Baden-Württemberg müssen Antworten fin den, um vielen Firmen – nicht nur den großen Automobilfir men, sondern vor allem vielen Firmen in der Zulieferkette – eine Perspektive für die Zukunft zu bieten. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn es sinnvolle technische Investitionen sind, dann stehen wir an Ihrer Seite.