SPD: Sascha Binder, Daniel Born, Nicolas Fink, Dr. Stefan Fulst-Blei, Reinhold Gall, Gernot Gruber, Rainer Hinderer, Peter Hofelich, Andre as Kenner, Gerhard Kleinböck, Georg Nelius, Martin Rivoir, Gabi Rol land, Ramazan Selcuk, Rainer Stickelberger, Andreas Stoch, Jonas We ber, Dr. Boris Weirauch, Sabine Wölfle.
AfD: Dr. Rainer Balzer, Anton Baron, Dr. Christina Baum, Bernd Gö gel, Dr. Bernd Grimmer, Rüdiger Klos, Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa, Daniel Rottmann, Doris Senger, Hans Peter Stauch, Udo Stein, Klaus-Günther Voigtmann, Uwe Wanke, Carola Wolle.
FDP/DVP: Stephen Brauer, Rudi Fischer, Dr. Ulrich Goll, Jochen Hauß mann, Klaus Hoher, Daniel Karrais, Jürgen Keck, Dr. Timm Kern, Ga briele Reich-Gutjahr, Dr. Hans-Ulrich Rülke, Dr. Erik Schweickert, Ni co Weinmann.
Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dem Gesetz ist damit mehrheitlich zugestimmt.
Wir haben noch über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 16/8889-7 abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden, dass ich den Antrag insgesamt zur Ab stimmung stelle? – Vielen Dank. Wer diesem Entschließungs antrag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Weiterentwicklung des Klimaschutzes in Ba den-Württemberg – Drucksache 16/8570
Frau Präsidentin, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vergangenen Freitag haben weltweit wieder Zehntausende junge Menschen unter dem Motto „Kein Grad weiter!“ für den Klimaschutz demonstriert. Wir alle wissen um die Folgen eines fortschreitenden Klimawandels, und wir sehen die Folgen auch bei uns hier im Land: Waldsterben, Dürre, Ernteausfälle, zurückgehende Grundwasserspiegel, sich aufheizende Flüsse – um nur einige Stichworte zu nen nen. Wir haben also kein Erkenntnisproblem, sondern leider noch immer ein Umsetzungsproblem. Deshalb ist es wichtig, dass wir unser Klimaschutzgesetz weiterentwickeln.
Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist eine konsequente Weiterentwicklung des Gesetzes, das wir im Jahr 2013 hier im Landtag mit breiter Mehrheit verabschie det haben. Wir nehmen uns ein neues Zwischenziel auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Baden-Württemberg vor, abgeleitet aus dem Ziel des Bundes. Mir ist es wichtig, diesen Aspekt zu betonen, gerade vor dem Hintergrund der Bericht erstattung heute. Wir, Grüne und CDU, haben nämlich nicht gewürfelt oder uns zusammengesetzt und darüber nachge dacht, worauf wir uns denn wohl einigen könnten.
Nein, abgeleitet aus dem Ziel des Bundes – das Klimaschutz gesetz des Bundes hat 55 % weniger CO2-Emissionen als Ziel formuliert – haben wir bei mehreren Instituten ein umfassen des Gutachten in Auftrag gegeben. Diese Institutionen kamen zu dem Ergebnis, dass Baden-Württemberg seine CO2-Emis sionen bis 2030 um 42 % reduzieren muss – sozusagen als Beitrag der Bundesländer –, damit das Ziel des Bundes er reicht werden kann.
Womit hängt das zusammen? Wir haben in Baden-Württem berg – ich sage dazu: Gott sei Dank – keine Braunkohlekraft
werke. Deswegen ist unser CO2-Ausstoß niedriger. Dafür ha ben wir andere Industriestrukturen, und wir haben mehr Ver kehr als andere. Diese Aspekte fließen in diese Zielsetzung mit ein; das möchte ich hier noch einmal betonen.
Eines möchte ich hier auch ganz klar sagen: Falls sich der Vor schlag der Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau von der Leyen, durchsetzt,
dass nämlich das bisherige Ziel der Europäischen Union, de finiert im Jahr 2014, von 40 % auf 55 % heraufgesetzt wird, bedeutet das, dass sich die Mitgliedsstaaten und in der Folge auch dieser Landtag und auch die nächste Landesregierung erneut mit diesem Thema werden beschäftigen müssen. Inso fern gehe ich davon aus, dass das Klimaschutzgesetz auch in der nächsten Legislaturperiode hier erneut aufgerufen wird, wenn das Ziel auf europäischer Ebene neu festgesetzt wird.
Nun hinzugehen und zu sagen: „Na ja, wir sollten jetzt hier einmal vorangehen und höhere Ziele setzen“, verkennt, mei ne ich, ein wenig, wie die Dinge da schon ineinandergreifen, dass zunächst einmal wichtig ist, dass man sich auf europäi scher Ebene einigt, und anschließend die nachgelagerten Ebe nen die Dinge einordnen.
Denn letztendlich sind wir natürlich in dem, was wir uns in einem Bundesland wie Baden-Württemberg als Ziel setzen, auch davon abhängig, was für Maßnahmen auf europäischer Ebene ergriffen werden – das Stichwort lautet „Emissionshan del“; um den einmal zu nennen –, oder auch davon, was auf Bundesebene an Maßnahmen ergriffen wird, sei es im Bereich Gebäudeeffizienz, sei es in Bezug auf den Ausbau erneuerba rer Energien usw.
Um auch das zu sagen: Dann wird es notwendig sein, dass sich auch der Bund andere Ziele gibt, sowohl was den Um gang mit dem Gebäudebestand betrifft, als auch was z. B. den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft, wenn der Vor schlag von Frau von der Leyen zum Schluss zum Tragen kom men würde. Das werden wir in den nächsten Monaten sehen. Ich habe mich dazu geäußert. Ich würde es begrüßen – das sa ge ich ausdrücklich –, wenn es der Fall sein sollte, dass die ser Vorschlag durchkommt.
Meine Damen und Herren, dass diese Landesregierung bereits mit der jetzigen Gesetzesnovelle – das sage ich ebenfalls aus drücklich – mutig vorangeht, sieht man an verschiedenen Punkten. Ich will einmal drei Punkte herausgreifen. Wir ha ben uns darauf verständigt – nach intensiven Diskussionen mit den Koalitionspartnern –, dass wir eine Fotovoltaikpflicht für Nichtwohngebäude einführen, das heißt für Industriege bäude, für Gewerbehallen, für Logistikhallen, für Discounter, für Verwaltungsgebäude – um nur einmal einige zu nennen –,
und zwar zum 1. Januar 2022. Gleiches gilt auch für große Parkplatzanlagen mit mehr als 75 Stellplätzen.
Baden-Württemberg ist damit das erste große Flächenland in Deutschland mit einer solchen Regelung, und wir sind Vor bild für andere. Ich habe kürzlich gelesen, dass der bayerische
Ministerpräsident Söder angekündigt hat, dass auch Bayern dies zum 1. Januar 2022 will – es gibt jetzt in Bayern noch keinen Gesetzentwurf – und dass er auch anstrebe, eine sol che Regelung auf neue private Wohngebäude auszuweiten.
Es ist bekannt, dass ich das auch gern gemacht hätte, dass auch meine Fraktion es gern gemacht hätte, doch der Koalitions partner hat das zum jetzigen Zeitpunkt anders gesehen. In ei ner Koalition ist es nun einmal so: Wenn es keine Einigkeit gibt, dann wird es nicht gemacht. Also haben wir jetzt eine Pflicht für Nichtwohngebäude, aber ich bin sehr zuversicht lich, dass man sich in der nächsten Legislaturperiode – wenn diese Dinge kommen sollten, von denen ich vorhin gespro chen habe, nämlich dass wir uns mit einem angehobenen Ziel auf EU-Ebene auseinandersetzen müssen – eines Besseren be sinnen und sagen wird: Es macht Sinn, auch die neuen Wohn gebäude hineinzunehmen.
Übrigens, um das auch einmal einzuordnen, weil ich den Eindruck habe – – Ich weiß nicht, inwieweit es hier bekannt ist; in der Öffentlichkeit ist es, glaube ich, auch kaum bekannt: Wir haben einmal geschaut: Wie ist es denn von den Anteilen her bei neuen Nichtwohngebäuden und bei neuen Wohngebäuden? Auch für mich war überraschend – das will ich an dieser Stel le auch einmal sagen –, dass wir den weitaus größeren Anteil bei den Nichtwohngebäuden haben. Wenn man also einmal auf die letzten Jahre zurückschaut, muss man sagen, wir kom men an Potenzial bei den Nichtwohngebäuden in etwa auf das Zwei- bis Dreifache dessen, was wir bei den Wohngebäuden erreichen können.
Das spricht übrigens nicht gegen eine Pflicht bei neuen Wohn gebäuden, jedenfalls nicht aus meiner Sicht – nicht dass Sie mich da falsch verstehen wollen. Sie können auch sagen: In dieser Situation, in der die Stromerzeugungskosten bei Solar strom so weit unten sind und das Thema Eigenverbrauch – ich sage einmal: Gott sei Dank – auch in Zukunft für Industrie unternehmen, Gewerbeunternehmen usw. möglich ist – –
Beim ersten Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium wäre es sehr schwierig geworden. So, wie die Koalition es jetzt beschlossen hat, geht es auch zukünftig. Man kann auch sagen: Das ist Zwangsbeglückung. Denn letztendlich ist da mit natürlich eine Eigenkapitalverzinsung von 10, 11, 12, 13 % verbunden, je nachdem, wie hoch der Eigenverbrauch ist. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum da jetzt nicht arg viel Widerstand von denjenigen gekommen ist, die wir da letztlich verpflichten. Ich glaube, auch die haben eingesehen: Sie können hier einen wichtigen Beitrag leisten, und das macht durchaus Sinn für die Unternehmen – übrigens auch aus wirt schaftlichen Gründen.
Neu im Gesetz ist auch – auch damit sind wir bundesweit Vor reiter –, dass wir die großen Städte, die Großen Kreisstädte, die Stadtkreise im Land, also in der Regel die Städte mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, mit diesem Ge
Warum ist das wichtig? In den letzten Jahren sind wir beim Thema „Umstellungen bzw. Energiewende im Stromsektor“ ganz gut vorangekommen. Manches hätte ich mir auch anders gewünscht. Wenn man aber einmal die Zahlen anschaut, sieht man: Wir haben im Stromsektor mittlerweile einen Anteil von plus/minus 50 % an erneuerbaren Energien. Wo wir aber nicht gut vorangekommen sind – das gilt insgesamt für den Bund; es gilt auch für das Land –, das ist der Wärmesektor. Wir ste hen nicht zuletzt aufgrund des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes zwar besser da als andere. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir hier noch besser vorangekommen wären. Der Anteil des Wärmesektors bei den CO2-Emissionen liegt bei 30, 35 %.
Das heißt, wenn wir im Wärmesektor nicht erfolgreich sind, können wir in der Klimapolitik insgesamt nicht erfolgreich sein. Deswegen ist das so wichtig.
Wir verpflichten jetzt 103 Städte. 103 Städte heißt – das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen – 5,5 Millionen Ein wohnerinnen und Einwohner. Wenn ich dann heute in der Zei tung lese, das springe viel zu kurz, es blieben 1 000 kleine Ge meinden übrig, dann verkennt man erst einmal, dass wir mit diesen 103 Städten 5,5 Millionen Einwohner erreichen und dass das Umweltministerium die Gemeinden im Land, die wir nicht verpflichten, künftig mit einem Förderprogramm in ei nem Umfang von 80 bis 90 % der Kosten unterstützt. Wie man dann so etwas schreiben kann wie das, was ich heute in der Zeitung lesen muss, das mag verstehen, wer will; ich verste he es nicht. Das will ich an dieser Stelle offen sagen.
(Beifall bei den Grünen und des Abg. Paul Nemeth CDU – Abg. Anton Baron AfD: Ich verstehe Sie auch nie! – Zuruf des Abg. Thomas Axel Palka AfD)
Es heißt zudem, es fehle der Umsetzungsplan. Also: Droht diese kommunale Wärmeplanung, die wir für die Städte erst mals in Deutschland verpflichtend machen, in den Schubla den zu verschwinden? Nein, das droht nicht. Warum droht es nicht? Da sage ich selbstbewusst: Weil es in diesem Land ei nen Ministerpräsidenten gibt, der im letzten Dezember im Ver mittlungsausschuss bei dem Thema Brennstoffemissionshan delsgesetz mit durchgesetzt hat, dass im kommenden Jahr der CO2-Preis im Wärmesektor nicht bei 10 € anfängt, sondern bei 25 € pro Tonne CO2,
und dass dieser CO2-Preis im Jahr 2025 auf 55 € ansteigt. Was folgt daraus? Daraus folgt, dass sich in den kommenden Jah ren Akteure wie Stadtwerke, größere Energieversorger, Ener giegenossenschaften und andere diese Konzeption der kom munalen Wärmepläne anschauen und genau überlegen wer den: Wo macht es Sinn, die neue Welt gegen die alte Welt zu stellen und Projekte umzusetzen, weil die alte Welt aufgrund eines anstehenden CO2-Preises ökonomisch unattraktiver wird? Das ist die Idee dahinter. Ich bin mir sehr sicher, dass diese Idee der verpflichtenden Wärmepläne, wie wir sie entwickelt haben, mit diesem ansteigenden CO2-Preis sehr gut funktio nieren wird.
Noch eines: Auch da gilt wieder: Wenn sich Frau von der Leyen durchsetzt, bleibt es nicht bei diesem CO2-Preis. Das prophezeie ich. Daher glaube ich, wir haben in Baden-Würt temberg damit eine gute Grundlage, um im Wärmesektor in den kommenden Jahren voranzukommen.